Die meisten Vertreterinnen kommen von der Arbeitnehmerseite. Die Arbeitgeber präferieren immer noch männliche Aufsichtsräte.

Hamburg. Sie sehen meist eintönig aus, die Bänke der Vorstände und Aufsichtsräte bei Hauptversammlungen großer Hamburger Unternehmen. Ältere Herren in akkurat sitzenden schwarzen, grauen oder blauen Anzügen prägen das Bild auf den Stühlen der Kontrolleure. Damen bleiben in der Unterzahl. Bislang sind laut einer Studie der Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) gerade mal knapp 15 Prozent der Aufsichtsräte in den 30 DAX-Unternehmen weiblich. Rechnet man die von der Belegschaft entsandten Mitarbeiter- oder Gewerkschafterinnen heraus, ist die Lage noch düsterer. Auch in Hamburg sind in den Aufsichtsräten der großen Unternehmen Frauen in der Minderheit, wie eine Umfrage des Abendblatts ergab.

"Wir fordern die Anteilseigner der Unternehmen auf, mehr Frauen in den Aufsichtsrat zu entsenden", kommentiert Christiane Stascheit, die für die Gewerkschaft Ver.di im Kontrollgremium der Haspa sitzt, die niedrige Zahl. Da eine freiwillige Selbstverpflichtung auf Anteilseignerseite bisher gescheitert ist, fordert sie gesetzliche Regelungen wie die Frauenquote. "Das hätte auch für die Unternehmen positive Auswirkungen. Studien von Unternehmensberatern haben ergeben, dass Firmen mit einem hohen Frauenanteil im Aufsichtsrat wirtschaftlich erfolgreicher sind." Außerdem entspreche eine ausgewogenere Besetzung des Krontrollgremiums nicht nur den demokratischen Grundsätzen, sondern auch der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frau und Mann.

Hamburg ist in diesem Bereich keine Ausnahme. So sind bei der Hamburger Sparkasse nur zwei von 16 Aufsichtsräten weiblich. "Die Arbeitnehmer entsenden inzwischen zwar schon viele Frauen in die Aufsichtsräte. Da setzt sich die Qualität des Personals schon durch", sagt Renate Hold, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Hamburgs Kupferhütte Aurubis. "Bei der Arbeitgeberseite jedoch gestaltet sich das etwas problematisch. Deshalb bin ich für die Einführung einer Frauenquote." Bislang ist Hold die einzige Frau in dem Aurubis-Aufsichtsrat. Aber sie setzt auf den Nachwuchs. "Auch wir haben in den vergangenen Jahren viele interessante, hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen eingestellt, die eine solche Position auf Sicht ausfüllen können." Der Flugzeugbauer Airbus übrigens hat keine einzige Frau im Kontrollgremium, bei Beiersdorf sind vier von zwölf Mitgliedern weiblich (siehe Tabelle).

Die Zeit für Hamburgs Firmen drängt. Nicht nur die EU droht den europäischen Unternehmen mit einer Frauenquote in den Aufsichtsräten, auch der deutsche Bundesrat will mehr Geschlechtervielfalt erreichen. Die Bundesländer haben auf Initiative der Hamburger Justiz- und Gleichstellungssenatorin Jana Schiedek (SPD) die Einführung einer Quote beschlossen. Sie soll dafür sorgen, dass in Unternehmen, die der Mitbestimmung unterliegen, bis 2018 mindestens 20 und bis 2023 dann 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich sind. Noch gibt es aber kein entsprechendes Gesetz. "Es ist typisch, dass immer noch viele der weiblichen Aufsichtsräte von der Arbeitnehmerseite kommen und auf der Arbeitgeberseite weiterhin ein Mangel herrscht", sagt auch Jutta von Falkenausen von FidAR. "Diesen Zustand haben wir elf Jahre nach der Selbstverpflichtungserklärung der deutschen Wirtschaft, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, noch nicht abstellen können."

Doch jetzt sind die Chancen, schnell den Wünschen der Politik nachzukommen, offenbar besser denn je. Noch nie endeten in einer Hauptversammlungssaison so viele Aufsichtsmandate wie im nächsten Jahr. In zahlreichen Konzernen sind Wahlen zur Nachbesetzung der Mitglieder erforderlich. Corinna Nienstedt, Geschäftsführerin der Handelskammer Hamburg, erwartet, dass die Hamburger Firmen wegen der drohenden Quote sich nun doch nicht mehr dem Thema verschließen werden. "Die Unternehmen wollen vorwegnehmen, was durch eine Quote kommen könnte", sagt sie.

Doch es geht bei Aufsichtsratswahlen nicht nur um Geschlechtervielfalt, sondern auch um Geld. Im Schnitt erhielten die Aufsichtsratschefs der DAX-Konzerne im vergangenen Jahr 298 000 Euro Entgelt, einfache Mitglieder konnten immerhin noch 98 000 Euro verdienen. Es muss sich noch zeigen, ob lang gediente Firmenaufseher, die noch nicht aus Altersgründen ausscheiden müssen, dieses Salär einfach den Frauen überlassen.

Angela Steinberger galt als Exotin, als sie 1986 als erstes weibliches Aufsichtsratsmitglied in die Edeka Südbayern berufen wurde. Seit sechs Jahren sitzt die 63 Jahre alte Kauffrau auch im Hamburger Konzernaufsichtsrat - auf der Bank der Anteilseigner. In Südbayern ist sie inzwischen Vorsitzende des Gremiums. "Frauen sehen manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel als Männer. Sie sind auch ausgleichender", begründet sie, warum beide Geschlechter ausreichend im Kontrollgremium sein sollten. Die Besitzerin eines Edeka-Ladens findet die Quote gut. "Aber sie sollte nicht so streng gehandhabt werden, falls keine passenden Kandidatinnen zur Verfügung stehen."

In Norwegen gab es vor zehn Jahren ähnliche kontrovers geführte Diskussionen. Damals versetzte der damalige norwegische Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen, sein Land in Aufregung, weil er forderte, in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen müssten 40 Prozent Frauen sitzen. Heute ist die Frauenquote in dem Land sogar übererfüllt. Vor Einführung des Gesetzes im Jahr 2008 waren in dem Land Frauen in den Aufsichtsräten nur mit sieben Prozent vertreten. Zwar werden die neuen Aufseherinnen von Gegnern als "Goldröcke" beschimpft, aber der norwegischen Wirtschaft hat die Frauenquote keineswegs geschadet.