Seit 30 Jahren führt Familie Berndt den Kultimbiss in Hamburgs City. Er ist zur Institution geworden. Jetzt wollen die Chefs expandieren.

Hamburg. Alles fängt ganz harmlos an. Ein älterer Herr kommt die Mönckebergstraße herunter und steuert auf den Mö-Grill zu. Plötzlich läutet ein Verkäufer am Stand eine Glocke und legt eine fertig zubereitete Wurst auf die Theke. Der Kunde lehnt empört ab. "Dann kriegst du gar nichts", schallt es aus dem gerade zwölf Quadratmeter großen Laden zurück. Kunden, die bestellen oder gerade essen, schauen irritiert. Dann brechen die scheinbaren Kontrahenten in Gelächter aus. Kunde und Verkäufer kennen sich seit Jahren und die ausgesuchte Wurst ist - natürlich - genau die richtige. "Solche Späße", sagt der Senior-Chef vom Mö-Grill, Hans-Werner Berndt, 68, "machen wir mit Stammkunden öfter." Und Stammkunden hat der Mö-Grill viele unter den 2,5 Millionen Menschen, die pro Jahr auf eine Wurst vorbeikommen.

+++ Grill-Staton am Michel bleibt ein Einzelstück +++
+++ Frauen sind die Nummer Eins am Grill +++

Der Mö-Grill, das ist nicht nur einer von insgesamt rund 30 Imbissen in der City, er ist eine Institution in der Stadt. Fast jeder Hamburger dürfte die beiden Läden direkt neben dem Treppenaufgang der U-Bahn-Station Mönckebergstraße kennen. Dazu kommt seit 2006 ein mit 20 Quadratmeter etwas größeres Geschäft am Eingang zur U- und S-Bahn-Station Jungfernstieg. Mehr als vier Millionen Euro Umsatz erzielen Berndt und sein Sohn André, 45, im Jahr. Seit der Übernahme der ersten beiden Geschäfte schreiben sie schwarze Zahlen, obwohl die Pacht an den Hausbesitzer Hamburger Hochbahn nicht gerade im Kleingeldbereich liegt. "Wir zahlen mehr als an der Fifth Avenue in New York, und dort sind umgerechnet 1400 Euro pro Quadratmeter im Monat fällig", sagt André Berndt, seit 20 Jahren ebenfalls Geschäftsführer in dem Hamburger Familienbetrieb.

Die Geschichte des Mö-Grills beginnt, als Hans-Werner Berndt an einem kalten 2. Januar 1982 erstmals in seinem, von ihm neu benannten Geschäft steht. Berndt hat seinen Beruf als Fleischer von der Pike auf gelernt, besteht nach der Lehre und dem Wehrdienst die Meisterprüfung und steigt bis zum Ladenleiter einer Hamburger Fleischerei auf. Selbstständig war er Anfang der 80er-Jahre bereits - mit einem Feinkostladen auf einer Nebenstraße der Reeperbahn. "Kein schlechtes Geschäft, aber aufreibend", erzählt er. "Schließlich mussten wir stets mitten in der Nacht kalte Platten für die Mädels und ihre Zuhälter zusammenstellen."

Die Chance seines Lebens bekommt er, als ihm von der Witwe seines Vorgängers angeboten wird, den Pachtvertrag für die beiden Imbissbuden auf der Mönckebergstraße zu übernehmen. Kein Frage, dass er zusagt: "Ich wollte schon damals immer gern Bratwürste anbieten." Offensichtlich eine gute Idee. Denn "Imbisse sind die profitabelste Sparte innerhalb der Gastronomie", weiß Branchenexpertin Gretel Weiß. "Die notwendigen Flächen sind klein, es muss nicht bedient werden und damit bleibt die Zahl der Mitarbeiter gemessen an den ausgegebenen Essen überschaubar", begründet die Chefredakteurin der Wirtschaftsfachzeitschrift "food-service" (Deutscher Fachverlag) ihre Einschätzung. Im Vergleich zum Umsatz sei der Aufwand damit gering. Entscheidend für den Erfolg, da ist Weiß sicher, seien aber die Standorte.

Die der Mö-Grills auf Hamburgs bevorzugten Einkaufsstraßen seien "einzigartig", ist Gregor Maihöfer, der Hauptgeschäftsführer des Gaststättenverbandes Dehoga, überzeugt. So haben die Spitaler- und die Mönckebergstraße mit Spitzenwerten von mehr als 20 000 Passanten pro Stunde während der Ladenöffnungszeiten eine Ausnahmestellung, wie der Einzelhandelsspezialist Comfort Hamburg errechnet hat.

Auf die Lage allein verlassen sich die Berndts jedoch nicht. Vielmehr steckten sie seit 1982 rund 600 000 Euro in die Modernisierung ihrer Ladenausstattungen. Dazu ließ die Hochbahn die beiden Imbisse 1994 erstmals bis auf die Grundmauern abreißen und nach einem Entwurf des international tätigen Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner erneuern. Sein heutiges Aussehen hat der Imbiss auf der Seite des Textilkaufhauses C & A allerdings erst seit einem neuerlichen Umbau von April bis Juni. Nur die Pfeiler und das Dach des kleinen Geschäfts stammen noch von 1994. Erneut 200 000 Euro haben die Bernds in dieses Projekt gesteckt. Im kommenden Jahr wird auch der Laden neben dem Schuhhaus Görtz renoviert.

Bei solchen Modernisierungen allein wird es nicht bleiben. Vater und Sohn Berndt wollen weiter wachsen. "Aus eigener Kraft", wie sie betonen. Denn Angebote, den Mö-Grill im Franchisesystem in eine Kette umzuwandeln, haben sie stets abgelehnt. "Weitere Läden würden wir aber schon gerne eröffnen", sagt André Berndt. Möglichst wieder in einer sehr gut frequentierten Einkaufslage wie etwa dem Alstertal-Einkaufs-Zentrum. "Heute stehen unsere Mitarbeiter in Wind und Regen. Im Inneren eines Centers wären sie geschützt", so Berndt. Solche Arbeitsbedingungen würden ihm zudem die Suche nach Arbeitskräften erleichtern.

Bisher findet der Mö-Grill vor allem Nachwuchs in den Familien der Mitarbeiter. Kinder und Enkel bekommen früh erzählt, was es bedeutet, meist zu sechst über Stunden in einem engen Laden zu stehen, Würste zu braten und freundlich zu bedienen. "Nicht einfach, zumal an Sonnabenden ein Verkäufer in einer Schicht manchmal bis zu tausend Kunden hat", sagt Senior-Chef Hans-Werner Berndt. "Manche geben schon auf, wenn sie sich das nur eine halbe Stunde angeguckt haben." Andere bleiben - bis zu 30 Jahre. 25 Mitarbeiter, darunter viele Türken und Inder, beschäftigt der Mö-Grill heute.

Der Tag beginnt für Hans-Werner Berndt zumeist um vier Uhr im nahe gelegenen Büro, wenn er mehrere Tausend Würstchen bestellt. In den Imbissen kommen die Ersten eine Stunde später, bereiten den Stand vor, rühren die hauseigene Currysauce an und füllen den Senf auf. Gegen halb zehn Uhr liegen die ersten Würste auf dem Grill. Elf Stunden, bis 20.30 Uhr, folgt eine auf die andere. 300 Tonnen kommen im Jahr zusammen.

Die frischen Würste beziehen die drei Mö-Imbisse von zwei Fleischern in Hamburg. Seit 30 Jahren liefert Salzbrenner die Ware nach einem exklusiven Rezept - und der Harburger Schlachter Cordts steht für Spezialitäten wie Käsegriller. Seit 2009 liefert er zudem Bison-Griller aus dem Fleisch der nordamerikanischen Tiere. "Ein reines Bioprodukt", sagt Berndt. Mit 3,50 Euro hat es jedoch seinen Preis, ein Grillwürstchen kostet dagegen einen Euro weniger.

Ob diese Preise noch lange gelten, ist offen. "Fleisch wird durch den steigenden Bedarf in Russland und China auf dem Weltmarkt immer teurer und dasselbe gilt für Getreide für Futtermittel", sagt André Berndt. Das spüren auch Vater und Sohn. "Wir befürchten, dass wir die Preise für unsere Würstchen noch vor Weihnachten erhöhen müssen", sagt André. Selbst für den Platzhirsch unter den 700 Hamburger Imbissen eine schwere Entscheidung, weil sich Kunden abwenden könnten.

Viele jedoch, die einmal da waren, kommen wieder. Mitarbeiter aus den Büros und Läden der Innenstadt gehören täglich dazu. Polizisten und Touristen schauen vorbei, Schauspieler aus Hamburgs Theatern, der TV-Koch Rainer Sass, Bürgermeister Olaf Scholz, Udo Lindenberg oder Otto. Sogar Muhammad bin Raschid Al Maktum, Staatschef von Dubai, ließ sich eine Rindswurst schmecken. Interesse zeigte auch US-Schauspieler Kirk Douglas auf Hamburg-Besuch. Er ließ jedoch zunächst einen Bodyguard anfragen, ob es Sitzplätze gebe. Damit kann der Mö-Grill allerdings bis heute nicht dienen. Douglas verzichtete.