Der Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube will die Intercity-Flotte erneuern und ICE-3 modernisieren. Für Arriva gibt es offenbar 30 Interessenten.

Hamburg. Von Rüdiger Grube hieß es bei seinem Amtsantritt als Chef der Deutschen Bahn im Frühjahr 2009, er agiere bedächtiger und weniger impulsiv als sein Vorgänger Hartmut Mehdorn. Diesen Eindruck bestätigt der Chef des bundeseigenen und größten deutschen Konzerns keineswegs. Die Bahn ist eine riesige Dauerbaustelle, ein Unternehmen, das mit Pannen und technischen Defekten, mit Verspätungen und veraltetem Gerät, mit Großprojekten und großen Plänen permanent Ärger und Kritik auf sich zieht. Grube scheint die Herausforderung zu gefallen: Er verkauft den vielschichtigen Wandel in Europas größtem Verkehrskonzern offensiv und energiegeladen.

Zwischen den europäischen Bahnen herrscht noch kein fairer Wettbewerb

"Wir wollen ein sympathisches, ressourcenschonendes und wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen werden", sagte der Manager, der vor seiner Zeit bei der Bahn lange in Spitzenfunktionen für den Daimler-Konzern gearbeitet hat, am Mittwochabend beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten in der Patriotischen Gesellschaft.

Das hört sich leichter an, als es ist. Grube kämpft an vielen Fronten zugleich. Die ICE-Flotte leidet unter Pannen und Materialermüdung, im Sommer etwa in Gestalt überlasteter Klimaanlagen. Der Ausbau der Infrastruktur ist ein zähes Geschäft, wie vor allem der massive Widerstand gegen den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs zeigt, das Projekt "Stuttgart 21". Die Konkurrenten der Deutschen Bahn, 323 andere Unternehmen sind es laut Grube derzeit, tummeln sich am deutschen Markt - während andere Staaten, vor allem Frankreich, "ihre Grenzen nach wie vor dicht halten", wie der Bahnchef anmerkte. Die Kritik richtet sich vor allem an Frankreichs Staatsbahn SNCF, den Hauptrivalen der Deutschen Bahn.

Bis zum Jahr 2015 wollen die Bahn und der Bund insgesamt 41 Milliarden Euro in die Modernisierung der Züge und der Schienenwege in Deutschland stecken, das ist im jährlichen Durchschnitt mehr als in den vergangenen Jahren. Die Intercity-Flotte soll erneuert werden, die Hochgeschwindigkeitszüge der ICE-Typen überarbeitet und modernisiert. Im Fadenkreuz stehen dabei vor allem die ICE 3, deren Klimaanlagen im Sommer reihenweise ausfielen, aber auch die Neigetechnikzüge ICE T, deren Neigetechnik nicht funktioniert. "Die ICE müssen auf Vordermann gebracht werden, vorher sind unsere Kunden nicht zufrieden", sagte Grube. Viel Geld fließt angesichts des Wirtschaftswachstums aber auch in neue Güterzüge und -lokomotiven. Europaweit will die Deutsche Bahn dafür in diesem Jahr die Rekordsumme von 410 Millionen Euro ausgeben.

Während in Deutschland modernisiert wird, baut die Bahn ihre Präsenz am europäischen Markt aus, im Nahverkehr vor allem durch die Übernahme des britischen Konkurrenten Arriva. Die EU-Kommission genehmigte den Kauf mit der Auflage, dass die Bahn das gesamte Geschäft von Arriva Deutschland veräußern muss. Es gebe dafür 30 Interessenten, aber noch keine Gebote, sagte Grube. Der Bahnvorstand habe entschieden, dass die 50 Einzelgesellschaften von Arriva Deutschland als Gesamtpaket verkauft werden, damit es "keine Rosinenpickerei" gebe.

Zu Arriva Deutschland gehören unter anderem Beteiligungen an den norddeutschen Bahnunternehmen ODEG und Metronom. Dort würde die Benex, das Tochterunternehmen der Hamburger Hochbahn, gern ihre Anteile aufstocken. Angesichts eines Gesamtverkaufs ist es aber unwahrscheinlich, dass die Benex dazu eine Gelegenheit bekommt. Andererseits könnte ausgerechnet SNCF mit einer Übernahme von Arriva Deutschland seine Präsenz am deutschen Markt stark ausbauen. Die Bahn ist vor allem daran interessiert, den höchsten Preis für Arriva Deutschland zu erzielen. "Wenn es SNCF ist, dann ist es eben SNCF", sagte Grube.

Ein Börsengang ist für den Bahnchef derzeit kein Thema

Ein anderes großes Thema, das die Bahn jahrelang beschäftigt hat, ist unterdessen in den Hintergrund getreten. Einen Börsengang, der 2008 wegen der Weltwirtschaftskrise abgesagt worden war, werde man einstweilen nicht wieder in Angriff nehmen, sagte Grube. "Wir werden erst unsere Baustellen in Ordnung bringen. Die Bahn hat den Börsengang in den vergangenen Jahren zum Selbstzweck gemacht, um aus der politischen Kontrolle herauszukommen. Der Zweck kann aber nur sein, am Kapitalmarkt den Unternehmenswert zu generieren." Grube begrüßte es, dass der Börsengang noch nicht vollzogen worden sei: "Angesichts der Probleme im Unternehmen müssten wir den Anlegern heute eine sehr schwierige Geschichte erzählen. Ich bin froh, dass der Börsengang 2008 nicht geglückt ist."

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