Der Konzern entschädigt Hitzeopfer. Verbraucherschützer nennen das Angebot “kleinkariert“ und fordern Geld für alle Geschädigten.

Hamburg. Die heftige Kritik nach den Klimaanlagen -Ausfällen in ICE-Zügen zeigt Wirkung. Über die zunächst angekündigte Entschädigung von 150 Prozent des Fahrpreises hinaus erhalten Hitzeopfer, die sich ärztlich behandeln lassen mussten und wenn möglich ein Attest vorlegen, nun ein "zusätzliches Schmerzensgeld" von 500 Euro in bar. "Wir haben eine schnelle und unbürokratische Wiedergutmachung angekündigt", wird Bahnchef Rüdiger Grube zitiert, "mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen halten wir Wort. Leider können wir damit die Vorfälle nicht rückgängig machen, setzen aber alles daran, dies künftig zu verhindern."

Pro Bahn hält Schmerzensgeld in bar für die richtige Entscheidung

In den vergangenen zwei Wochen waren in mehreren Dutzend Zügen die Klimaanlagen komplett ausgefallen, etliche Reisende kollabierten infolge der hohen Temperaturen. Die Aufstockung der Entschädigung sei eine "völlig richtige Entscheidung", sagte Karl-Peter Naumann, Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, dem Abendblatt. "Wir haben immer gesagt, dass es Schmerzensgeld in bar geben muss."

Der jetzt genannte Betrag sei offenbar ein Resultat von Gesprächen mit den Schülern und Lehrern aus Remscheid und Willich, die am 10. Juli auf dem Rückweg von ihrer Klassenfahrt nach Berlin in einem ICE laut Fahrgästen Temperaturen von mehr als 50 Grad ausgesetzt waren - 27 der Schüler hatten ärztliche Hilfe nötig, nachdem der Zug in Bielefeld gestoppt worden war, neun von ihnen mussten sogar ins Krankenhaus.

Verbraucherschützer fordern Geld für alle Fahrgäste überhitzter Züge

Gegen den Zugchef des ICE ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung. Es geht um die Frage, ob der Mann den Zug früher hätte anhalten müssen.

Verbraucherschützern reicht jedoch auch die erhöhte Entschädigung nicht aus. "Wer das Vertrauen der Fahrgäste wiedergewinnen will, sollte keine kleinkarierten Angebote machen", sagte Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Jeder, der in überhitzten ICE-Zügen fahren musste, sollte seinen Fahrpreis erstattet bekommen und zusätzlich 300 Euro erhalten, auch wenn er sich nicht ärztlich behandeln lassen musste, fordert Billen.

Unabhängig von pauschalen Entschädigungsregelungen müsse es außerdem jedem Fahrgast offenstehen, gegebenenfalls weitergehende Forderungen geltend zu machen.

Auch Verkehrspolitiker der CDU und der FDP hatten höhere Entschädigungen gefordert als die von der Bahn zunächst angebotenen maximal 150 Prozent des Ticketpreises.

Unterdessen kritisierte Bahnchef Grube im Zusammenhang mit den Hitzepannen die Hersteller der ICEs wegen des schlechten Zustands der Fahrzeugflotte. "Wir haben von der Industrie bislang fast nie Züge geliefert bekommen, die auch das geleistet haben, wofür wir bezahlt haben", sagte Grube dem Magazin "Stern".

Die Bahn hat bei ICE-Ausfällen inzwischen kaum noch Reserven

Die Bahn hat derzeit aber nicht nur Probleme mit überlasteten Klimaanlagen des ICE 2. Auch die Radachsen des ICE 3 und ICE T müssen nach einem Achsbruch im Juli 2008 häufiger per Ultraschall auf Risse hin kontrolliert werden. Damals war ein ICE in Köln entgleist. Die Kontrollen binden große Teile der Wartungskapazitäten. "Wir fahren in den Werkstätten einen Drei-Schicht-Betrieb. Keine Frage, die sind stark ausgelastet", sagte Grube - und er macht den Fahrgästen wenig Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Situation. "Wir setzen alle Züge ein, die wir haben", so Grube. "Früher konnten wir jeden zehnten Zug in Reserve halten. Aufgrund der zehnmal häufigeren Kontrollintervalle ist die Reserve jedoch geschmolzen." Wenn heute ein Zug ausfalle, "haben wir bei den ICEs eben kaum noch Ersatz".

Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wollen heute bei einem Treffen in Berlin Mitglieder des Bundestagsverkehrsausschusses über Ursachen und Folgen der Pannenserie informieren.

"Um das Vertrauen der Kunden wiederherzustellen, ist es wichtig, dass ermittelt wird, wer für die jüngsten Vorfälle in den ICE-Zügen verantwortlich ist", sagte vzbv-Sprecher Steffen Küßner dem Abendblatt.

Sparzwänge früherer Jahre können für die Pannen mitverantwortlich sein

Schließlich stehe immer noch der Verdacht im Raum, bei der Bahn habe man gewusst, dass die Klimaanlagen nur bis zu einer Außentemperatur von 32 Grad funktionieren.

Nach Ansicht des Pro-Bahn-Vorsitzenden Naumann könne jedoch auch mangelnde Wartung aufgrund der Sparzwänge in den vergangenen Jahren dabei eine Rolle gespielt haben: "Auch die Politik hat einen Börsengang der Bahn gewollt."