Die EU will einen Hilfsfonds für Mitgliedsstaaten einrichten. Das Abendblatt sprach darüber mit Professor Michael Bräuninger vom HWWI.

Hamburg. Die Europäische Union will einen ständigen Hilfsfonds für Mitgliedsstaaten einrichten, um einer Wiederholung der Griechenland-Krise vorzubeugen. Das ist eine Abkehr von der bisherigen EU-Wirtschaftspolitik. Zugleich verlangt die Brüsseler EU-Kommission mehr Mitspracherechte, wenn die Regierungen der Mitgliedstaaten ihre Haushalte aufstellen. Das Abendblatt sprach darüber mit Professor Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).

Abendblatt:

Herr Professor Bräuninger, die EU-Kommission will für ihre Mitgliedstaaten einen Hilfsfonds gegen Finanzkrisen wie jene in Griechenland einrichten. Ist das sinnvoll?

Michael Bräuninger:

Zu den Hilfen für Griechenland gibt es keine Alternative, eine Staatspleite dort hätte eine neue Bankenkrise zur Folge. Grundsätzlich wäre es allerdings sinnvoller, dass einzelne Staaten oder der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland helfen. Eine neue Institution in der EU ist problematisch, denn die setzt ja die Erwartung voraus, dass sich bestimmte Länder auch künftig nicht an die Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung der Mitgliedstaaten halten werden und dass man sie trotzdem wieder auffängt. Genau die Maastricht-Kriterien aber sollten ja solche Krisen verhindern.

Das allerdings ist im Fall Griechenland nicht gelungen.

Die EU will unter der Bedingung helfen, dass sie künftig deutlich stärkere Mitspracherechte bei der Gestaltung der Haushalte in den Mitgliedstaaten bekommt. Das macht Sinn, nur mit solchen Instrumenten kann auch ein Hilfsmechanismus funktionieren. Das allerdings bedeutet die Entwicklung hin zu einem europäischen Zentralstaat. Die Staaten würden dann unter bestimmten Bedingungen die Steuerhoheit zugunsten der EU aufgeben.

Die jahrelange Debatte um eine neue EU-Verfassung endete mit dem Ergebnis, dass die meisten Mitgliedstaaten eben keinen europäischen Bundesstaat wollen.

In der Krise haben sich einige Perspektiven verschoben. Man hat erkannt, dass eine stärkere Koordination notwendig ist. Unter der Bedingung einer stärkeren Haushaltskontrolle könnte ich einen Hilfsfonds eher akzeptieren. Wenn man den Ländern einfach so hilft, bedeutet das, dass man die Maastricht-Kriterien nicht mehr ernst nimmt.

Das würde bedeuten, dass die EU künftig auch bei der deutschen Steuerpolitik mitreden kann.

Ja, wenn Deutschland künftig in 'normalen' Zeiten die Maastricht-Kriterien verfehlen würde. Derzeit ist die höhere Neuverschuldung in Europa vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise allerdings gerechtfertigt.

Müsste für eine neue EU-Finanzordnung eine neue Verfassungsdebatte geführt werden?

Die Mitgliedstaaten sollten das eher schnell und pragmatisch durch die Veränderung von Einzelpunkten im EU-Regelwerk anpassen. Ansonsten würde der Prozess viel zu lange dauern.

Wie kritisch ist die Lage in Spanien und Portugal derzeit?

Ein Risiko, dass auch diese Staaten in eine stärkere Krise geraten, ist zwar da, ich halte es aber nicht für sehr hoch. Und die Lage in Griechenland wird meines Erachtens überzogen dargestellt. Trotzdem ist es richtig, dass Griechenland und die EU handeln. Denn Griechenland hat das Vertrauen in seine Haushaltsführung verspielt.