Der Umsatz steigt, die Rendite stimmt. Zu Besuch beim unbekannten Konkurrenten von Nestlé und Langnese.

Apensen. Das Überraschende: Es ist nicht kalt hier. In der Eisbär-Eisfabrik muss niemand frieren. Der Chef in weißem Kittel, mit gelbem Haarnetz und Spezialschuhen - ein Tribut an die Hygienestandards - eilt voraus zur Stieleisanlage. Es duftet nach Früchten. Die Maschine füllt den Eismix in unzählige Löcher, dann wird das Eis in einem Nebenraum heruntergekühlt. Das ist das Geheimnis der angenehmen Zimmertemperatur in der Fabrik. Zum Schluss fährt das Fruchteis auf einem Band zurück in die Halle und die Maschine versenkt die Holzstiele in die gefrorene Masse. "Wenn das Eis noch nicht gekühlt wäre, würden die Stiele umfallen", erklärt Helmut Klehn den nächsten Trick seiner Eisproduktion, die in jedem Arbeitsschritt auf Masse eingestellt ist, voll automatisiert, durchorganisiert.

Schließlich ist Eisbär mit seinen 240 Mitarbeitern einer der wichtigsten Lieferanten der deutschen Discounter, die bei ihren Partnern bekanntlich kein Pardon kennen. Um ihre eigene Billigpreisstrategie durchziehen zu können, dulden sie auch bei ihren Lieferanten keinerlei Ineffizienz. Doch Eisbär hält den strengen Anforderungen stand.

Nicht nur bei Discountern, sondern praktisch bei allen bekannten Namen des deutschen Lebensmittelhandels liegt Eisbär-Eis in der Kühltruhe. Unter verschiedenen Namen, denn das Unternehmen mit Sitz in Apensen bei Buxtehude ist auf Handelsmarken spezialisiert. Es hält sich anders als etwa die Marktführer Unilever und Nestlé mit Marken wie Langnese bei der Werbung im Hintergrund. "Wir haben früh erkannt, dass wir gegen die bekannten Marken nicht ankommen - daher produzieren wir unter fremden Namen", sagt Martin Ruehs, der in die Inhaberfamilie eingeheiratet hat und als Geschäftsführer auch für das Marketing verantwortlich ist.

Die Entscheidung zahlt sich insbesondere in jüngster Zeit aus. Denn Eisbär profitiert mit seinen No-Name-Marken vom verstärkten Wachstum des Handels. Lidl, Aldi und Co expandieren inzwischen über Deutschlands Grenzen hinaus, sie erobern auch die Niederlande, Frankreich oder Spanien: Für jeden Kunden, den die großen Ketten dort hinzugewinnen, muss Eisbär auch mehr Eiscreme liefern. Damit gelang dem Unternehmen nicht nur im Heimatland, sondern inzwischen auch in ganz Europa der Sprung unter die Top Ten der Eishersteller, die übrigens nur selten aus Italien kommen.

Setzte die Firma 2004 noch 52,3 Millionen Euro mit Spaghetti-, Stiel- oder Eis im Becher um, war der Umsatz im vergangenen Jahr schon auf das Doppelte gestiegen und knackte die 100-Millionen-Euro-Marke. Tendenz steigend. Auch die Erträge sind nach Angaben von Klehn ordentlich, und er zahlt seinen Mitarbeitern etwas mehr als die Tariflöhne. Lediglich vor drei Jahren, als die Milchpreise auf exorbitante Höhen geschnellt waren, gab es bei Eisbär rote Zahlen. Entsprechend kräftig investiert der Lebensmittelanbieter: Neben einem neuen Kühlhaus, das der Hersteller neben der Fabrik hochgezogen hat, entsteht schon wieder eine Baustelle: "Wir bauen das gleiche Kühlhaus noch mal", sagt Klehn im Innern des Warenlagers, das 7000 Paletten fasst und den Besucher zwingt, den Kopf in den Nacken zu legen - so hoch stapeln sich die Eiskartons in der Halle am Rande von Apensen. Die 8000 Einwohner der Samtgemeinde sehen in der Hochsaison im Sommer inzwischen bis zu 40 Laster am Tag an ihren gepflegten Vorgärten vorbeischnaufen, ihr Ziel ist die Eisbärstraße, wo sie die Paletten mit den Eiskartons abholen und zu Kunden in ganz Europa bringen.

In der Fabrik erinnert außer ein paar vergilbten Bildern nichts mehr an den Ursprung des Unternehmens, eine kleine Konditorei, mit der Klehns Vater in den 50er-Jahren in die Eisproduktion einstieg. Doch der Sohn, der gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, denkt gerne an seine Kindheit unter Eisliebhabern zurück. Sein Vater hatte in der Gefangenschaft in den USA Bekanntschaft mit der kühlen Köstlichkeit gemacht und erfand gemeinsam mit seinem Bruder Helmut Klehn senior die ersten Rezepturen, die er in großen Töpfen zusammenrührte. "Wir verkauften rund um den Kirchturm", erinnert sich Klehn. Später, als nicht mehr nur Gaststätten und Badeanstalten, sondern auch Heimdienste zu den Kunden gehörten, begann dann die Automatisierung.

Heute seien alle großen Eishersteller in der Lage, kostengünstig zu produzieren, sagt Ruehs, daher setzten sich heute die Anbieter mit den besten Ideen durch. Mit der Erfindung eines tropffreien Eises namens Tropf' Nix schaffte es Eisbär 2003 sogar schon ins "New York Times Magazine". In Deutschland traf das Stieleis nicht so ganz den Geschmack der Kunden, "es schmeckte vielleicht etwas zu sehr nach Weingummi", schätzt Klehn. Aber nach wie vor gehört die Suche nach der leckersten Innovation bei Eisbär zu den wichtigsten Aufgaben. Und wahrscheinlich auch zu den schönsten: Jedes Jahr testen die Sensoriker, also die Geschmacksspezialisten bei Eisbär, rund 200 neue Eisideen. "Und wir von der Geschäftsführung probieren dann natürlich auch".

Das ist allerdings noch nicht alles. Da die Fabrik für ihre unterschiedlichen Kunden fast täglich einen neuen Mix aus verschiedenen Eissorten herstellt, ist auch hier eine tägliche Qualitätskontrolle unumgänglich. Klehn: "Also probieren wir jeden Morgen erst einmal das komplette Produktionsprogramm."