Hamburg leidet unter dem weltweiten Frachtrückgang. Dennoch werden die Terminals ausgebaut - jedoch langsamer als bislang geplant. Eine Reportage von Olaf Preuß.

Hamburg. Flach ist es bei Christian Blauert geworden im zurückliegenden Jahr, sehr flach. Der Geschäftsführer des größten Hamburger Containerterminals, des Burchardkais, klettert die Wendeltreppe hinauf auf einen der mächtigen, neuen Portalkräne. Hier oben erfasst man die Krise des Welthandels auf einen Blick: Bis zum vergangenen Jahr stapelten sich fast auf der gesamten verfügbaren Fläche des HHLA-Terminals die beladenen Container drei Lagen hoch. Jetzt sind Teile der Anlage ganz leer, und dort, wo Container stehen, stehen sie allein oder in Zweierstapeln. "Im vergangenen Jahr standen hier auf dem Terminal normalerweise etwa 18 000 Container, jetzt sind es rund 10 000", sagt Blauert.

Nicht gerade eine gute Zeit, um die Kapazität der Anlage für den Containerumschlag auszubauen. Aber genau das tut die HHLA. Denn geplant ist dieses Projekt schon seit Jahren. Bis zum Beginn der Krise klagte man auf den Hamburger Containerterminals auf hohem Niveau. Jahrelang galt es als Herausforderung, mit dem starken Wachstum, der ständig steigenden Zahl der Transportboxen überhaupt fertig zu werden. Dann brach der Welthandel ein und damit vor allem auch die Umschlagzahlen für dessen wichtigstes Beförderungsmittel, den Container. Um Haaresbreite hätte Hamburg im Jahr 2007 die Marke von zehn Millionen Containereinheiten (TEU) geknackt. Doch 2008 ging es mit den Zahlen abwärts, erstmals seit Jahrzehnten.

Bis 2015, so glaubte man noch vor nicht allzu langer Zeit, werde sich der Containerumschlag in Hamburg auf rund 18 Millionen TEU glatt verdoppeln. Alle bestehenden Terminals bei der HHLA und bei Eurogate müssten dazu erweitert werden; im Mittleren Freihafen soll zudem ein zusätzlicher Großterminal gebaut werden. Für den Burchardkai hatte die HHLA eine Verdoppelung des jährlichen Umschlags auf 5,2 Millionen Einheiten bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts geplant. Das ist nun Makulatur.

Ausgebaut wird dennoch, allerdings langsamer. Kernstück des neuen Konzepts sind die sogenannten Blocklager, in denen Portalkräne die Container bewegen und nicht die bekannten rollenden Hochstapler, die Vancarrier. Neben den ersten Portalkränen sitzen in einem Arbeitscontainer die Techniker des Herstellers und lassen die Maschinen im Testbetrieb laufen. Auf einer neu verbreiterten Kaifläche einige Hundert Meter entfernt stehen die neuesten und modernsten Containerbrücken der HHLA. Sie können bei Bedarf je Fahrbewegung zwei anstellte eines Containers zugleich aus einem Schiff holen oder sie an Deck aufladen.

Auch in der Krise hat der Fortschritt auf dem Burchardkai seine Vorzüge, erklärt Blauert: "Der Aufbau der Blocklager mit Portalkränen, die Einführung der Containerbrücken mit den doppelten Greifvorrichtungen wurde ursprünglich geplant, um auf dem Burchardkai wesentliche höhere Zahlen von Containern bewegen zu können", sagt der Manager beim Blick über den Hafen. "Jetzt rückt ein anderer Aspekt in den Vordergrund: Wenn die neue Technik demnächst in Betrieb geht, können wir damit wesentlich kosteneffizienter arbeiten."

Das kann nicht schaden - auch nicht für die Zeit nach der großen Krise, wenn der Welthandel wieder in Schwung kommt.

Christian Schacht bewegt die Bügel der Steuerhebel nach vorn und dreht die Armaturen zugleich auf ihren Drehtellern. Die drei Propeller des Hafenschleppers "Bugsier 5" sprechen sofort an und drücken das Kraftpaket seitlich vom Anleger in Neumühlen weg. Hinter der Schiffsbrücke mit der verglasten Rundumsicht donnern aus mächtigen Auspuffrohren die drei Hauptmaschinen, jede hat mehr als 2000 PS.

Die "Bugsier 5" reiht sich mit drei anderen Schleppern ins Fahrwasser der Elbe in Richtung Finkenwerder ein. Der Museumshafen Övelgönne zieht vorbei, der Kultkiosk Strandperle, Blankenese kommt in Sicht, alles vor der Grundierung eines nachmittagsblauen Himmels. "Der beste Arbeitsplatz der Stadt", sagt Schacht und grinst wie ein großer Junge, der sich auf diesem Hightech-Schiff einen Traum erfüllt hat.

In seinen ersten Berufsjahren war Schacht auf großer Fahrt weltweit unterwegs, dann wechselte er zur Hamburger Schlepperreederei Bugsier. "Hier ist kein Tag Routine", sagt er. "Hier kann man mit Schiffen wirklich arbeiten, und das ganz nah."

An den Dalben von Finkenwerder, vor dem Airbus-Werk, gehen die vier Schlepper in Warteposition. Am Horizont taucht die "Alpha Millennium" auf, ein 170 000-Tonner, 290 Meter lang, 44 Meter breit, voll mit Kohle, die im Hansaport unterhalb der Köhlbrandbrücke entladen werden soll.

Spürt man hier auf dem Schlepper die Wirtschaftskrise, die massiv sinkenden Umschlagzahlen im Hafen? "Kaum", sagt Schacht. "Die Zahl der Schiffe ist im Verhältnis nicht so stark gesunken wie die Menge der umgeschlagenen Güter. Viele Containerschiffe kommen mit weniger Ladung in Hamburg an als sonst. Die brauchen aber trotzdem Schlepper."

Ein Massengutfrachter wie die "Alpha Millennium" braucht davon gleich vier, zwei am Bug, zwei am Heck. "Solche Schiffe sind schwerfälliger und schwieriger zu manövrieren als Containerfrachter", sagt Schacht. Aus verschiedenen Gründen ist zuletzt aber gerade die Zahl der Massengutfrachter und Tanker gestiegen, die Hamburg anlaufen.

Schacht und seine Kollegen auf den anderen Schleppern machen ihre Trossen an der "Alpha Millennium" fest und geleiten das Schiff vorbei an den Containerterminals Burchardkai und Tollerort in den Köhlbrand hinein. Der Hafenlotse auf der Brücke des Frachters hat das Kommando über den kleinen Geleitzug: "Und achtern noch mal beide auf die Bremse", plärrt aus dem Funkgerät sein Befehl an die Schlepper am Heck, den Frachter kurz vor dem Ziel etwas langsamer zu machen. ",Bugsier 5' nach steuerbord", folgt das Kommando an Kapitän Schacht, das Eindrehen der "Alpha Millennium" nach rechts in den Hansaport zugkräftig zu unterstützen.

Zum Abschluss muss die "Bugsier 5" mit einem anderen Schlepper den Frachter noch von backbord aus in seine endgültige Position am Kai drücken. Dann geht es im Abendlicht zurück nach Neumühlen, warten auf den nächsten Job. Auf den besten der Stadt.

Die Sonne steigt über die Dächer von St. Pauli und verbreitet morgendliche Wärme. Die Szene um sechs Uhr früh am Fähranleger vor der Fischauktionshalle wirkt wie von der Tourismusbehörde bestellt: Auf dem Fischmarkt treffen die Frühaufsteher die Nachtschwärmer, im Hintergrund läuft brummend mit einem Schlepper am Heck das Kreuzfahrtschiff "AidaCara" ein. Mehr Hamburg-an-der-Elbe geht nicht.

Jens Stoef hat keine Zeit, das Panorama am Fluss zu genießen. An Deck der "Elvstint" hat der Fischer alle Hände voll zu tun. Er stapelt die roten, blauen, gelben, grünen und weißen Kisten um, in denen frischer Aal liegt, Brasse, Forelle, Scholle, Karpfen oder Wels. Auch Krabben gibt es bei Stoef direkt von Bord des Kutters. "Die Maischolle ist jetzt besonders gefragt, aber wir verkaufen insgesamt sehr gut", sagt er. "Unsere Ware ist frischer als die im Großhandel oder im Fischladen, und wir können sie günstiger anbieten. Im Moment auch deshalb, weil der Schiffsdiesel relativ billig ist."

Stoef betreibt in Winsen an der Luhe eine Fischzucht. Die "Elvstint" ist in Cuxhaven gemeldet. Bei Stoef gibt es Meer- und Süßwasserfisch, aus der Nordsee, aus der Elbe, aus der eigenen Zucht, ein breites Angebot, fangfrisch. Das Kilo Aal zu zehn Euro, sechs Euro das Kilo Forellen und 2,50 Euro je Kilo Brassen geschlachtet.

Ein Asiate feilscht an der Bordwand mit Stoef über zwei Welse, an zwei Russen verkauft der Fischer anschließend Brassen. Dann kommt ein langer dünner Mann, der sich bei Stoef mit schwäbischem Akzent nach dem Angebot erkundigt. "Ein Stammkunde. Hier kaufen nicht die Touristen", erzählt der Fischer, während sich der Anleger und der Fischmarkt oberhalb davon mit Menschen füllen. "Hier kaufen Profis aus der Gastronomie ein und Privatleute, die sich am Sonntag frischen Fisch zubereiten möchten."

Der Verkauf direkt am Kutter erinnert daran, was der Fischmarkt ursprünglich war, ein Wochenmarkt für die Einheimischen, nicht der Endausläufer des sonnabendlichen Kiezvergnügens. "Mit dem Rummel da oben haben wir gar nichts zu tun", sagt Stoef mit Blick zur Fischauktionshalle, in der eine Lifeband spielt. Von Mai bis Juli macht er mit der "Elvstint" sonntags hier fest, dann ist wegen der Ferien erst mal Sommerpause. Die Geschäfte laufen gut: "Wir finden für jeden Fisch unsere Kunden, die Nachfrage ist vielfältig."

Stoef und die Besatzung des Kutters nebenan aus Finkenwerder gehören zu den letzten, die noch Frischfisch direkt von Bord verkaufen. "Früher lagen hier am Sonntagmorgen gut und gerne auch mal zehn Kutter gleichzeitig. Das ist lange vorbei", sagt Stoef. "Die meisten Elbfischer haben längst aufgegeben. Das ist so ähnlich wie in der Landwirtschaft."

Die nächsten Kunden drängen schon an die Bordwand. Stoef muss zurück zu seinen Kisten und Fische zeigen. "Irgendwann haben wir hier das Monopol", sagt er ironisch. Aber das ist eine andere Geschichte. Eine von anderen Krisen und anderen Zeiten.