Der neue Bahnchef drückt aufs Tempo: Rüdiger Grube will bis Ende Mai Entscheidungen zur Datenaffäre treffen. Vor personellen Konsequenzen schreckt er offenbar nicht zurück.

Berlin. In einem Brief an alle Beschäftigten versicherte der 57-Jährige gestern, am Tag seines Amtsantritts, die Datenaffäre zügig und bedingungslos aufzuklären: "Da bin ich völlig unabhängig." Nötigenfalls werde der frühere Daimler-Manager bei der Deutschen Bahn auch aufräumen. Die Führungsmannschaft habe ein "klares Signal" von ihm. "Mit der Frist bis Ende Mai setzen wir uns selbst unter Druck", räumte der neue Chef ein. "Aber wir brauchen rasch die nötige Klarheit und Klärung."

Sein Vorgänger Hartmut Mehdorn war nach rund zehnjähriger Amtszeit im Zuge der Datenaffäre zurückgetreten. Das Staatsunternehmen Bahn hatte mehrfach massenhaft Mitarbeiterdaten heimlich und weitgehend ohne Erfolg mit Kundendaten abgeglichen.

Einen Börsengang hält Grube nur dann für sinnvoll, wenn die Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt stimmten. Würde die Bahn ihn jetzt versuchen, "würden wir das Unternehmen doch verschenken". Aber eine generelle Absage gebe es auch nicht. "Denn dann würde uns Geld nur noch zu deutlich schlechteren Bedingungen gegeben werden."

Es gebe aber auch ein paar Themen, für die brauche er nicht einmal einen Tag der Einarbeitung: "Der Erhalt der Kapitalmarktfähigkeit, der Bestand des integrierten Konzerns und die Fortführung des konzerninternen Arbeitsmarkts", sagte Grube. Klar sei aber auch: "Wir nennen uns mit Stolz Deutsche Bahn, doch wir sind ein europäisches Unternehmen, das auch die Weltmärkte im Blick hat."

Seinen Mitarbeitern versprach Grube schriftlich: "Ich will zunächst jede Menge Gespräche führen und viel zuhören." Die 250 000 Beschäftigten und er hätten "keinerlei Zeit zu verlieren". Er versprach darüber hinaus, die Bahn werde ihr "Engagement als einer der größten Ausbilder in Deutschland unvermindert fortführen".

Ex-Bahnchef Mehdorn erwähnte seinerseits in einem Abschiedsschreiben die Datenaffäre nur indirekt: "Es wäre schade, wenn Sie sich durch die in jüngster Zeit erhobenen Vorwürfe in dem Glauben an unser Unternehmen hätten verunsichern lassen." Zugleich zog er eine durchweg positive Bilanz seiner knapp zehnjährigen Arbeit. So seien die Löhne in Ost und West bei der Bahn als einem der ersten Unternehmen angeglichen worden, der Umsatz sei verdoppelt und im letzten Jahr ein Gewinn von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet worden.