Ein Gesetz verbietet ab 2013 kostenpflichtige Warteschleifen. Bis dahin kann es teuer werden. Das Abendblatt berichtet von Erlebnissen und gibt Tipps.

Es gibt ein Wort, das gestandenen Männern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, nebst Zornesfalten. Mit diesem Wort lässt sich aber auch der langweiligste Party-Small-Talk binnen weniger Augenblicke in eine angeregte Unterhaltung verwandeln. Das Wort gehört inzwischen zum festen deutsch-englischen (denglischen) Wortschatz. Es heißt: Hotline. In unserer superschnellen, service- und kundenorientierten Kommunikationsgesellschaft steht es für "Rat & Tat" per Telefon - mit dem Slogan "Hier werden Sie geholfen" ging Verona Pooth bereits vor vielen Jahren in die deutsche Werbegeschichte ein.

Doch die Wahrheit sah (und sieht) anders aus: Hotlines sind häufig Gelddruckmaschinen für die Unternehmen, die sie betreiben. Kaufen Kunden zum Beispiel ein minderwertiges Produkt und müssen nun die zumeist komplizierten Rückgabemodalitäten klären; haben sie Schwierigkeiten bei der Installation eines technischen Geräts, verstehen sie eine Gebrauchsanweisung nicht oder wollen nur eine Rechnungsformalität klären, hängen sie viel zu häufig und viel zu lange in der Leitung. Und der Gebührenzähler tickt, in vielen Fällen schon von der ersten Sekunde an, wenn irgendeine dusselige Warteschleifenmusik ertönt oder eine synthetische Frauenstimme die Anrufer durch ein kompliziertes Menü lotst.

Auf diese Weise verbrachten nach einer von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Erhebung die Bundesbürger im vergangenen Jahr allein bei den 0180er-Hotlines über 600 Millionen Minuten am Hörer, was ungefähr 1140 Lebensjahren entspricht. Dafür zahlten sie - bei einem durchschnittlichen Minutenpreis von 14 Cent - rund 84 Millionen Euro. Wohlgemerkt nur fürs Warten!

+++ Das neue Telekommunikationsgesetz +++

Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz, das am 10. Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist, soll sich das alles ändern, zumindest theoretisch. Wartezeiten bei Servicerufnummern sollen kostenlos sein, doch wie immer, wenn der kleine Mann zahlen soll, gibt es einige Haken: Da nämlich die Umstellung technisch aufwendig ist, wird die neue Regelung schrittweise umgesetzt. Zunächst wird es zum 1. September dieses Jahres für Unternehmen Pflicht, die ersten zwei Minuten der Wartezeit kostenlos anzubieten. Ab dem 1. September 2013 dann wird es auch verboten sein, einen Anrufer während einer Verbindung in eine kostenpflichtige Warteschleife zu legen. Zudem muss in Zukunft eine Ansage erfolgen, die dem Anrufer eine voraussichtliche Wartezeit angibt.

Verbraucherschützer befürchten daher, dass Unternehmen die Wartezeit in der Übergangszeit einfach künstlich verlängern. "Im Grunde sind wir mit dem neuen Gesetz schon ganz zufrieden", sagt die Hamburger Verbraucherschützerin Anneke Voß, "denn es bedeutet eine Verbesserung für die Verbraucher." Allerdings kritisiert sie die langsame Umsetzung, denn das Gesetz sei eigentlich schon im Herbst des vergangenen Jahres fertig gewesen. Erstaunlich finde sie, dass sich die Leute gar nicht mal so häufig über die Abzocke beschwerten. "Ich glaube, die meisten sind inzwischen recht gut aufgeklärt, vor allem was die 0900er-Nummern betrifft."

+++ Billiger telefonieren und surfen im Urlaub +++

So kann man teure Warteschleifen bis Inkrafttreten des Gesetzes vermeiden

Eine kleine Recherche im Internet kann sich lohnen:

Recherchieren Sie im Impressum der Firmenseiten, wo häufig Festnetznummern zu finden sind. Auch für Kunden aus dem Ausland werden zumeist Festnetznummern angegeben.

Auf der Webseite www.0180.info haben Verbraucher für andere Verbraucher alternative Telefonnummern gesammelt. Geben Sie den Namen des Unternehmens oder die Hotline-Nummer ein, und schon liefert ihnen die Suchmaschine eine wahrscheinlich preisgünstigere Alternative. Falls da jemand den Anruf entgegennimmt: Bleiben Sie hartnäckig, um Ihr Anliegen möglichst ohne Zusatzkosten klären zu können.

Wenn Sie den Anruf bei einer Hotline nicht vermeiden können, wählen Sie einen Zeitpunkt, zu dem möglichst wenige Menschen telefonieren. Das ist erfahrungsgemäß frühmorgens und spätabends der Fall.

Was Abendblatt-Mitarbeitern bei der Hotline widerfahren ist

Doch nun die schlechte Nachricht: Eine Hotline bietet noch lange nicht die Gewähr, dass "Sie dort geholfen werden". Meistens fängt der teure Ärger erst richtig an, denn jetzt dürfen die Unternehmen abkassieren. Nachfolgend ein paar ebenso eindrucksvolle wie mahnende Beispiele für den typischen Hotline-Ärger, der Abendblatt-Mitarbeitern im vergangenen halben Jahr widerfahren ist:

Leserbotschafter Ralf Nehmzow antwortete dummerweise auf ein per SMS versandtes Angebot für das Klingelton-Abonnement "Mr. Saxobeat" der Jesta Digital GmbH. In seiner SMS lehnte er dieses Angebot dankend ab. Der Computer dürfte seine SMS jedoch nicht richtig verstanden haben, denn prompt wurden ihm mit der nächsten Telefonrechnung 9,98 Euro zusätzlich abgebucht. "Dann kam drei Wochen später eine weitere SMS: 'Hinweis: 24,95 Euro erreicht'. Ich wies die Jesta Digital GmbH mit mehreren E-Mails darauf hin, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse, da ich ja nicht einmal eine Gegenleistung erhalten hatte und schon gar kein 'Vertragsverhältnis' bestanden hat. Als ich keine Antwort erhielt, rief ich die Hotline an, aus der ich nach jeweils fünf Minuten mit schöner Regelmäßigkeit rausflog. Erst meine schriftliche Ankündigung, einen Rechtsanwalt einzuschalten, bewirkte eine Reaktion: 'Im Einklang mit unserer Firmenphilosophie, ausschließlich aus Gründen der Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erklärt sich die Jesta Digital GmbH bereit, eine Erstattung in Höhe von 24,95 Euro vorzunehmen.' Es dauerte dann noch weitere 60 Tage, bis mir die 24,95 Euro zurücküberwiesen wurden - auf die 9,98 warte ich dagegen immer noch."

Online Redakteurin Mira Chopra wollte ihr TV-Bezahl-Abonnement beim Sender Sky eigentlich kündigen, aber als ihr der Mitarbeiter in der Hotline ein sehr gutes Angebot inklusive einer Zweitkarte machte, ließ sie sich überzeugen. Das neue Abonnement sollte vom 1. Februar 2012 an gültig sein: "Aber nichts lief. Sky war vom Sender, und die Zweitkarte nicht da. Also rief ich im Callcenter an, wo man mir sagte, dass die Vertragsverlängerung zu den mir zugesagten Konditionen nicht eingegeben wurde.

Man könne mir nur einen neuen Abschluss zu einer um 20 Euro pro Monat teureren Gebühr anbieten. Das wollte ich nicht akzeptieren und bat die Mitarbeiterin, mich zu einem Vorgesetzten durchzustellen. Daraufhin wurde ich ,aus Versehen' aus der Leitung geworfen. Also rief ich erneut an, hing wieder für teures Geld in der Warteschleife und konnte schließlich einer anderen Mitarbeiterin die ganze Geschichte noch einmal erzählen. Der Versuch mich durchzustellen klappte, und es wurde mir ein Rückruf des Leiters des Kundenservices avisiert, auf den ich dann allerdings zwei Tage vergeblich wartete. Ich hatte meine Mobilnummer angegeben. Also wieder die Hotline anrufen und nach dem Herrn fragen.

Da könne man mich nicht durchstellen, hieß es. Ich trug nun zum dritten Mal mein Anliegen vor und bat erneut um einen Rückruf. 'Auf dem Handy werden Sie grundsätzlich nicht zurückgerufen', war die patzige Antwort. Ich gab daher meine Büronummer an und wurde dann drei Tage später tatsächlich vom Abteilungsleiter zurückgerufen. Der gab sich auch sehr nett, aber entgegenkommen könne er mir nicht. Auch sei es nicht möglich, im Nachhinein herauszufinden, wer mir das Angebot gemacht habe. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit dem Anwalt zu drohen. Plötzlich wurde mir der zugesagte Preis gewährt. Als Entschädigung für 15 kostenpflichtigen Anrufe sowie für die Tatsache, dass ich einen halben Monat keine Leistung erhielt, wurde mir lediglich eine Fünf-Euro-Gutschrift für einen Film gewährt. Ich war so genervt, dass ich darauf nicht mehr weiter eingegangen bin und es leider akzeptiert habe."

Für den Sportchef Peter Wenig begann das Drama mit einem Anruf von Alice: "Ob ich nicht wechseln möchte. Im neuen Tarif werde das Internet noch schneller, eine zweite Rufnummer sei möglich, zudem seien 100 Freiminuten inklusive. Und das alles für nur fünf Euro mehr im Monat. Gutes Angebot, dachte ich, und schlug zu. Eine Woche später kam denn auch die Gratulations-SMS, mein Telefon daheim sei umgestellt, ich müsse nur noch die neue Hardware anschließen. Das Problem: Der versprochene Router war noch nicht geliefert worden. Wie ernsthaft dieses Problem war, erkannte ich noch am gleichen Abend. Nichts ging mehr: Weder Telefon, noch Internet. Dann folgte meine Hotline-Odyssee über mein Handy ...

Erster Anruf: Nach ungefähr sechs Minuten meldet sich eine freundliche Mitarbeiterin, hörte sich mein Anliegen an, stellte mich zur Technik durch, aber die Leitung brach zusammen.

Zweiter Anruf: Nach ungefähr fünf Minuten Wartezeit schilderte ich einer Mitarbeiterin das Problem - und diesmal klappte es auch mit der Weiterleitung in die Technik. Dort bedauerte man es sehr, dass der Router noch nicht abgeschickt worden war - ein 'interner Fehler'. Mein Vorschlag, einen Kurier zu schicken, wurde patzig abgelehnt, das sei nicht üblich, aber der Versand meines Routers werde nun "vorrangig" behandelt, so der Teamchef. Fünf Tage später ist der Router immer noch nicht da. Wieder in die Schleife der Hotline, die Wartezeit diesmal: sieben Minuten. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin stellt fest, dass der Router am nächsten Tag bei mir eintreffen soll. Alles hätte sich leider doch noch mal verzögert. Sie gibt mir zudem eine kostenfreie 0800er-Nummer, falls es bei der Installation Probleme geben sollte

Am nächsten Tag wird der Router tatsächlich geliefert. Ich installiere ihn, doch nichts funktioniert. Ich rufe daher die kostenfreie 0800er-Nummer an, taste mich durch ein telefonisches Frage-Antwort-Programm. Am Ende sagt mir eine automatische Stimme, der Service über diese Nummer sei nur am Tag der Installation möglich. Doch der sei verstrichen. Der Automat hat sogar recht, denn der geplante Umstellungstermin liegt ja schon über zwei Wochen zurück. Also rufe ich wieder die kostenpflichtige Hotline an, warte minutenlang und schildere das Problem zum vierten Mal. Der Mitarbeiter probiert mit mir verschiedene Einstellungen, ist am Ende aber auch ratlos. Er vermutet, schließlich, dass der Fehler in einem Schaltkasten der Telekom lauern könnte. Man werde sich zeitnah melden.

Zwei Tage später geschieht dann das Wunder. Ein Telekom-Mitarbeiter ruft an: 'Ich habe den Fehler behoben, Sie können wieder telefonieren.' Abends gibt es dann nur noch einmal einen kurzen Verzweiflungsschub, weil ich den Unterschied zwischen einem analogen und einem digitalen Anschluss noch lernen muss und das Telefon folgerichtig falsch am Router anschließe. Diesen Fehler behebe ich - inzwischen Telekommunikationsspezialist - selbst und kann dann meiner Frau ganz ohne Hotline verkünden: 'Schatz, wir können ab sofort wieder telefonieren!'"

Der Test: Wie lange hänge ich in der Warteschlange?

PS: Die Abendblatt-Redaktion hat in den vergangenen Tagen zu jeweils fünf verschiedenen Tageszeiten die Hotlines mehrerer bekannter Unternehmen und Institutionen angerufen, die Zeit in den Warteschleifen mitgestoppt und den jeweiligen Durchschnittswert errechnet: Spitzenreiter war 1 & 1 mit einer durchschnittlichen Wartezeit von 20 Minuten. Auf Platz zwei folgt Ebay mit sieben Minuten, und die Bronzemedaille geht an die Bundesagentur für Arbeit, bei der man fünf Minuten in der Warteschleife hängt. Bei Philips ist man mit vier Minuten dabei, bei der Telekom und bei amazon mit moderaten 90 Sekunden. Media-Markt, Saturn und der ADAC gingen nach wenigen Sekunden dran - ebenso vorbildlich wie die Telefonseelsorge: Allerdings wurde man dort durch eine Ansage darauf hingewiesen, dass "derzeit keine Leitung frei" sei. Man solle "zu einem späteren Zeitpunkt anrufen oder eine E-Mail senden". Blöd, wenn man ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt aus schwerwiegenden persönlichen Gründen auf der Köhlbrandbrücke steht - 56 Meter über der Elbe.