Thomas Effenberger will nicht nur das Backhandwerk revolutionieren. Der umtriebige Hamburger Unternehmer träumt vom Einstieg ins Baugeschäft.

Hamburg. Thomas Effenberger hätte wahrscheinlich auch als Politiker oder Pfarrer Karriere machen können, auf den Mund gefallen ist der Hamburger jedenfalls nicht. Der Bäcker pariert Fragen nach dem Preis seiner Produkte mit dem Spruch "das ist gar kein Brot, sondern ein Unikat, ein Kunstwerk, das wir nur zum Brotpreis abgeben", und wird an diesem Morgen beim Rundgang durch seine Backstube am Grindel noch häufiger solche forschen Formulierungen finden. Seine wichtigste Botschaft dabei ist: In 20 Jahren werden Lebensmittel ausschließlich ökologisch produziert, davon ist er fest überzeugt.

"Wir vernichten mit den synthetischen Spritzmitteln auf den Äckern Jahr für Jahr Flächen, die wir dringend für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung brauchen", argumentiert der 55-Jährige, der in zünftigem Outfit mit weißem Bäckerhemd und schwarzen Hosen vor seinen glänzenden Metallöfen steht. Zudem beschleunige die industrielle Produktion von Lebensmitteln den Klimawandel, und auch dieser schleichenden Gefahr könne sich die Menschheit nicht länger aussetzen. "Die heutige Landwirtschaft ist eine Fehllenkung, biologische Erzeugung dagegen wird der Mainstream von morgen", sagt Effenberger.

Immer mehr Kunden sind offenbar seiner Meinung: Die Vollkornbäckerei mit 20 Mitarbeitern, die seit Jahrzehnten ausschließlich biologisch produziert, kommt in der Woche inzwischen auf 10.000 verkaufte Brote. Vertrieben werden sie in sechs eigenen Filialen, in Reformhäusern, auf Märkten und in den Kantinen der Haspa und von Gruner+Jahr. Effenberger profitiert von dem Bewusstsein für gesunde Ernährung und auch von der Sorge der Verbraucher, dass industrielle Lebensmittelproduktion zu Auswüchsen wie Dioxin-verseuchten Eiern führen kann.

+++ Ohne Chemie und mit vielen Vitaminen +++

Für die Lieferung der Backwaren setzt der Betrieb neuerdings auf Transporter mit Elektromotor. Die weißen Fahrzeuge stehen im Hof der Bäckerei, ein langes Kabel führt ins Haus, zur Steckdose. "Ich komme mit der Reichweite der Motoren ohne Probleme zu allen unseren Vertriebsstellen, und die Autos produzieren kein CO2", ist der Unternehmer mit der Anschaffung zufrieden. Auch privat gönnt sich Effenberger jetzt ein besonderes Mobil: Er hat den Elektrosportwagen Tesla bestellt, neben der Umweltverträglichkeit bietet dieses Auto auch noch eine Menge Spaß - immerhin beschleunigt es in unter vier Sekunden auf 100 Kilometer in der Stunde. Ein ähnliches Prinzip von Umweltbewusstsein, ohne auf Leistung verzichten zu müssen, verfolgt der Inhaber in seiner Backstube: Die Öfen erhitzen nicht nur die Brotlaibe, sondern erwärmen auch das gesamte Mehrfamilienhaus. "Energie ist derzeit fast noch zu billig, wird aber immer teurer - wir sollten sie vernünftig nutzen", sagt der kreative Kaufmann.

Effenberger fragt nicht nur nach der Energieeffizienz, sondern hat sich als Biobäcker schon immer intensiv mit der Herkunft seiner Rohstoffe auseinandergesetzt. Der gebürtige Bremer besucht die Landwirte rund um Hamburg, um über den Anbau der Pflanzen von ihnen zu lernen, aber auch, um die Getreidesorten zu finden, die sich am besten dazu eignen, später mit Wasser, Salz und Backferment im Ofen zu knusprigen Broten, Brötchen oder Kuchen zu werden.

Jetzt will er sich auch selber als Landwirt engagieren: Effenberger hat 340 Hektar Land in Mecklenburg gekauft und experimentiert dort mit dem Anbau von Soja. Doch diese Arbeit ist längst nicht das einzige neue Betätigungsfeld des Familienvaters, der sich mit seiner Partnerin und Betriebsleiterin Anne Südekum noch um acht Kinder kümmert: Auch der Wald hat es dem Unternehmer angetan, er besitzt 300 Hektar "im Wert einer Eigentumswohnung in Eimsbüttel", scherzt er. Um seinem neuen Besitz gerecht zu werden, hat er nun auch noch eine Lehre als Zimmerer begonnen. "Es entsteht gerade ein Markt für ökologisches Holz", ist Effenberger überzeugt. Er will seinen Wald entsprechend nutzen und womöglich selber biologische Häuser anbieten. "Brote und Häuser zu gestalten, das ist mein Traum", sagt er lächelnd. Bis er die Abschlussprüfung für seinen neuen Zweitberuf bestanden haben wird, dürften noch etliche Monate vergehen. Und bis dahin widmet sich der Tüftler neuen Brotsorten, der Vielfalt, für die Bäcker aus Deutschland seit jeher in aller Welt bewundert werden.

+++ Der ganz normale Back-Wahn in Hamburg +++

In den kommenden Monaten will Effenberger zunächst eine Bäckerei für glutenfreie Brote eröffnen. Inzwischen leiden zwei Prozent der Europäer an einer Unverträglichkeit von Gluten, das Bestandteil aller gängigen Getreidearten und damit in vielen Grundnahrungsmitteln wie Back- und Teigwaren enthalten ist. Die Kunst ist es, die Produkte im Geschmack, der Textur und dem Mundgefühl an die Erwartungen der Konsumenten anzupassen.

Der Ideenreichtum des Bäckers hört damit aber noch immer nicht auf: Der geplante Sojaanbau auf seinem eigenen Land hat ebenfalls einen Hintergedanken. Effenberger will ein Brot mit Biosoja entwickeln. Die sogenannten Low-Carb-Brote mit Soja und wenig Kohlenhydraten liegen bei Leuten im Trend, die abnehmen und sich dennoch satt essen wollen.

Importiertem Soja traut Effenberger allerdings nicht so recht, aus der uralten Kulturpflanze der Asiaten ist heute eine genmanipulierte Massenware geworden. Daher plant Effenberger, selber als Sojabauer aktiv zu werden, für die Erzeugung von Rohstoffen für seine Backstube, aber auch für Bauern, die unbedenkliches Soja an ihre Tiere verfüttern wollen. Zudem geht der Hamburger damit als Vorbild voran. Auf dem Weg zu seiner Vision, dass in Zukunft Landwirtschaft in Deutschland ausschließlich "bio" sein soll.