Volkswagen-Konzern geht in die Offensive und hält von 18.15 bis 7 Uhr betriebliche Mails zurück. Hamburgs DGB-Chef spricht von einem “wichtigen Signal“.

Hamburg. Von 18.15 Uhr bis 7 Uhr morgens ist künftig Sendepause: Als erstes großes deutsches Unternehmen macht der Volkswagen-Konzern jetzt Schluss mit der ständigen Erreichbarkeit seiner Mitarbeiter und schickt nach Dienstschluss keine betriebliche E-Mails mehr. Wie ein VW-Sprecher am Freitag bestätigte, ist die von Arbeitnehmervertretung und Vorstand geschlossene Betriebsvereinbarung bereits in Kraft. Sie gilt für mehr als 1100 Beschäftigte, die ein Firmen-Smartphone besitzen und in einem der sechs deutschen VW-Werke arbeiten.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Hamburg, Uwe Grund, sprach von einem "wichtigen Signal", das nachdenkenswert auch für andere Firmen sei. Ständige Handy-Bereitschaft trage zur "Entgrenzung" der Arbeitszeiten bei und führe zu Stress, sagte er dem Abendblatt. Auch der Hamburger Burn-out-Experte und Leiter des Psychosomatischen Fachzentrums Falkenried, Professor Stephan Ahrens, sieht im E-Mail-Stopp bei VW einen "ersten richtigen Schritt, um den Gefahren eines Burn-outs" bei Arbeitnehmern vorzubeugen.

In eine ähnliche Richtung wie VW gehen offenbar auch die Telekom und der Waschmittel-Konzern Henkel. So hat die Telekom ihre Mitarbeiter Medienberichten zufolge angewiesen, dienstliche Korrespondenz in der Freizeit möglichst zu vermeiden. Henkel hat die Tage zwischen den Jahren zur "Mail-freien Zeit" ausgerufen.

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Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte erst vor wenigen Tagen deutlich gemacht, dass sie den Kampf gegen das Burn-out als eines der großen Ziele im Arbeitsschutz ansieht. Arbeitnehmer müssten besser vor psychischen Belastungen geschützt werden, die sich aus der Veränderung der Arbeitswelt ergäben, sagte sie der "Berliner Morgenpost". Stete Erreichbarkeit über Handy oder E-Mail gehörten dazu. "Wir müssen die Techniken erlernen, richtig damit umzugehen", sagte von der Leyen.

Tatsächlich vermischen sich die Grenzen zwischen Job und Privatleben immer mehr: Nach einer Untersuchung des Hightech-Verbandes Bitkom sind bereits 88 Prozent der Berufstätigen in Deutschland für Kunden, Kollegen oder Chefs auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten erreichbar. 29 Millionen Deutsche haben mindestens zwei Geräte in Gebrauch, 7 Millionen nutzen gar drei oder mehr Handys parallel, heißt es in der Studie. Insgesamt werden jeden Tag in Deutschland rund 1,2 Milliarden E-Mails empfangen - rund um die Uhr.

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Eine Dauerbereitschaft am Handy berge aber hohe Risiken, warnt Experte Stephan Ahrens. So sei beim Burn-out-Syndrom eine eindeutig zunehmende Tendenz festzustellen. Dazu trage auch die ständige Erreichbarkeit durch Telefon und E-Mail bei. Ahrens: "Gefährlich wird es immer dann, wenn es an beiden Seiten der Hütte brennt", wenn zum Stress im Job auch noch ein fehlender Rückzugsraum im Privaten fehle.

Für sich selbst hat der Chef des Psychosomatischen Fachzentrums Falkenried daher ähnliche Konsequenzen gezogen wie der VW-Konzern: "Nach17 Uhr ist bei mir Schluss - dann gehe ich auch nicht mehr ans Handy."