Frohe Botschaft zu Weihnachten: Der Feierabend von der E-Mail wird eingeführt

Manchmal sind es die kleinen Nachrichten, die in Tagen wie diesen nachdenklich machen. Zum Beispiel jene aus dem Volkswagen-Konzern, der künftig nach Feierabend keine E-Mails mehr an Mitarbeiter verschickt, auch wenn die ein entsprechendes Gerät auf Firmenkosten haben. Der VW-Betriebsrat hat diese Regelung für 1100 Kollegen durchgesetzt, die im Besitz eines Dienst-Blackberrys und trotzdem künftig nicht mehr rund um die Uhr ansprechbar sind. Für sie wird es nicht nur am Heiligen Abend still - sondern künftig immer exakt 30 Minuten nach Dienstende.

Wenn das mal keine frohe Botschaft ist.

Wir haben uns daran gewöhnt, immer und überall telefonisch erreichbar zu sein, selbst im Urlaub. Und bei den meisten ist der Blick auf das Handy Routine: Kaum blinkt es, checkt man elektronische Briefe oder Kurzmitteilungen, als könnten weder die einen noch die anderen warten.

Das ist Normalität. Aber ist das wirklich noch normal?

Die Frage ist nicht nur zu Weihnachten, wenn neben der Geschäftstätigkeit auch Computer und technische Hilfsgeräte heruntergefahren werden, berechtigt. Sie stellt sich ebenso an jedem anderen Tag in einer Arbeitsgesellschaft, deren kleinster gemeinsamer Nenner das Burn-out zu werden droht.

Das Gefühl, ausgebrannt zu sein, kann vor allem dann entstehen, wenn es Auszeiten und Freiräume nicht mehr gibt, wenn die Arbeit einen in jeder Sekunde einholen kann, und sei es, weil das Handy blinkt (und der Chef selbst nach Mitternacht noch eine kurze Frage hat).

Der Mensch muss auch im digitalen 21. Jahrhundert abschalten können, allein, er tut es nicht. Ob nun aus Angst, eine wichtige Neuigkeit zu verpassen oder gegenüber anderen in Nachteil zu geraten, oder einfach nur aus Langeweile: Wenig fällt den Menschen schwerer, als auf ihr Handy zu verzichten. Die Redaktion einer großen deutschen Tageszeitung (nicht die des Hamburger Abendblatts) hat einmal versucht in ihren Reihen jemanden zu finden, der für eine Artikelserie zwei Wochen ohne mobile Endgeräte leben sollte. Nach einem Monat gab man auf. Zitat eines Kollegens: "Das kann nun wirklich niemand von uns verlangen."

Manchmal muss man die Menschen eben zu ihrem Glück zwingen, so wie es VW in der bisher konsequentesten Form tut. Andere Firmen gehen ähnliche Wege, und sie wissen warum: Denn was nutzen ihnen Mitarbeiter, die erst ständig und dann irgendwann gar nicht mehr erreichbar, weil ausgebrannt sind? Wenn VW seinen Mail-Verkehr jetzt reglementiert, dann geschieht das sowohl zum Wohl der Angestellten als auch zu jenem des Unternehmens.

Für alle anderen ist Weihnachten ein idealer Testfall: Schalten Sie ab, im wahrsten Sinne des Wortes! Nicht, weil es früher auch ohne Mobiltelefone und E-Mails ging, sondern weil das wichtigste in einer rastlosen Zeit wie der unsrigen eben ist, die Zeit auch einmal zu vergessen.

Wer das verlernt hat, muss sich am Heiligen Abend nur neben ein Kind setzen, das Geschenke auspackt und damit zu spielen anfängt, ganz gleich, was um es herum passiert. Oder man beobachtet einfach einen Säugling, der Stunden damit verbringen kann, den Kerzenschein am Tannenbaum zu verfolgen. Weihnachten lehrt uns auch, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen. Das heißt, im Moment zu leben, ohne mit den Gedanken schon wieder woanders oder mit den Augen auf dem Handy zu sein. Sich über Kleinigkeiten zu freuen, über Worte und Botschaften aus der analogen Welt.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten. Und wenn es an den Feiertagen doch einmal klingeln sollte, sind es hoffentlich der Weihnachtsmann, liebe Verwandte oder gute Freunde - an der Haustür ...

Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts