Nach teils kräftigen Lohnsteigerungen erhöhen sich die Reallöhne der Vollzeitbeschäftigen durchschnittlich nur noch um rund 0,6 Prozent.

Wiesbaden. Die Krise kommt im Geldbeutel der Arbeitnehmer in Deutschland an: Nach zuletzt teils kräftigen Lohnsteigerungen erhöhten sich die Reallöhne der Vollzeitbeschäftigen im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum durchschnittlich nur noch um rund 0,6 Prozent. Dies sei der geringste Anstieg der preisbereinigten Bruttomonatsverdienste seit dem vierten Quartal 2009, erklärte das Statistische Bundesamt.

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Nominal füllte sich die Lohntüte zwar mit plus 3,0 Prozent. Allerdings kletterten im selben Zeitraum die Verbraucherpreise um 2,5 Prozent. Die Statistiker wiesen darauf hin, dass sich die Inflationsrate das achte Quartal in Folge erhöhte, während die Nominallöhne im Vergleich zu den beiden Vorquartalen deutlich schwächer anstiegen. Sollte sich die Entwicklung so fortsetzen, ist mit Reallohnverlusten zu rechnen.

Schon im dritten Quartal zehrte bei vielen Arbeitnehmern die Inflation die Steigerung der Einkommen mehr als auf: In der öffentlichen Verwaltung (plus 1,8 Prozent) und bei Lehrern (1,1) lag die Verdiensterhöhung deutlich unterhalb des Zuwachses der Verbraucherpreise. Auch Beschäftigte bei Banken und Versicherungen (2,0), im Gastgewerbe (2,2) und im Handel (2,4) mussten Reallohnverluste hinnehmen.

Das größte Plus gab es für Vollzeitbeschäftigte im verarbeitenden Gewerbe, die 4,3 Prozent mehr Geld bekamen als ein Jahr zuvor. Im Vorquartal lag dieser Wert aber noch bei 7,0 Prozent. Im Schnitt verdiente ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im dritten Quartal 2011 ohne Sonderzahlungen 3322 Euro brutto im Monat.

Hinter solchen Durchschnittswerten verbirgt sich dem Sachverständigenrat zufolge eine immer ausgeprägtere Spreizung der Lohnstruktur. "Der zunehmende Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Fachkräfte und die damit einhergehenden Lohnzuwächse erfassen gering qualifizierte Arbeitskräfte nicht", schrieben sie in ihrem aktuellen Gutachten.

Trotz der befürchteten Konjunkturflaute wird die Kaufkraft der Arbeitnehmer nach Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jedoch auch im kommenden Jahr zulegen. "Es bleibt ein reales Plus übrig", sagte Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. "Viele Tarifanhebungen wurden in einem extrem guten Konjunkturumfeld vereinbart, treten aber erst 2012 in Kraft."

Die Beschäftigten der Postbank, im Bauhauptgewerbe und in vielen anderen Branchen haben Lohnanhebungen von mehr als zwei Prozent vereinbart. "Die Inflationsrate wird relativ schnell unter diese Marke fallen", sagte Fichtner. Das Münchner Ifo-Institut etwa rechnet mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 1,8 Prozent - nach 2,3 Prozent in diesem Jahr.

Arbeitnehmer, die ihre Abschlüsse erst 2012 verhandeln, haben aber schlechtere Karten. "Die schwache Konjunktur begrenzt ihren Verhandlungsspielraum", so Fichtner. Lohnrunden stehen unter anderem in der Metall- und Elektroindustrie an.