Wer alljährlich wieder vom Weihnachtsfest überrascht wird und kurz vor den Feiertagen in hoffnungslos überfüllten Geschäften noch Geschenke einkaufen muss, käme nicht unbedingt darauf - und doch ist es eine Tatsache: Über weite Strecken des zurückliegenden Jahrzehnts sind die Reallöhne in Deutschland gesunken. Die Einkommenszuwächse lagen also unterhalb der Inflationsrate.

Für die Unternehmen hat sich die häufig beschworene Lohnzurückhaltung ausgezahlt, denn viele deutsche Firmen stehen so gut da wie seit langer Zeit nicht mehr. Ganz im Gegensatz zu ihren Konkurrenten in etlichen anderen europäischen Ländern, deren Wettbewerbsfähigkeit sich in den zurückliegenden zehn Jahren drastisch verschlechtert hat. Zwar leiden solche Staaten nun stark unter der Schuldenkrise, während die Bundesrepublik bisher vergleichsweise unbeschadet geblieben ist. Für die Arbeitnehmer in Deutschland dürfte das aber nur ein schwacher Trost sein.

Das gilt besonders für die sogenannte Mittelschicht: Bei zahlreichen Beschäftigten mit übertariflichen Gehältern ist das Bruttogehalt seit vielen Jahren überhaupt nicht mehr gestiegen. Tariferhöhungen wurden von der außertariflichen Zulage stets abgezogen - und das, obwohl die Leistungsbereitschaft, die man von diesen Mitarbeitern erwartete, eher zugenommen hat. Gleichzeitig haben die Einkommen aus Unternehmertätigkeit weit überproportional zugelegt.

Werden solche ungerechten Tendenzen nicht gestoppt, besteht die Gefahr, dass früher oder später die Motivation der Arbeitnehmer spürbar leidet - und das kann auch nicht im Interesse der Firmen sein.