Einige Banken rechnen mit Kursanstieg des DAX auf 7000 Punkte und mehr - aber nur, wenn die Europäer die Schuldenkrise in den Griff bekommen.

Hamburg. Nachdem das Aktienjahr 2011 wohl mit Verlusten im zweistelligen Prozentbereich enden dürfte, erwarten die meisten Experten für 2012 wieder Kursgewinne. Doch gilt das immer nur unter der Voraussetzung, dass die Politiker die Euro-Krise in den Griff bekommen - und dahinter steht ein dickes Fragezeichen.

"Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn noch keine so große Ungewissheit erlebt", sagte Bernd Schimmer, Leiter der Wertpapieranalyse bei der Hamburger Sparkasse (Haspa). "Konjunkturkrisen sind für uns relativ gut einschätzbar. Aber sollte der Euro auseinanderbrechen, wäre das so etwas wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung." Dann käme es zu einer schweren Rezession in Europa und zu einer Bankenkrise. Zwar erwarten die Haspa-Analysten nicht, dass die Währungsunion zerfällt. "Aber die Eintrittswahrscheinlichkeit für ein solches Szenario liegt nicht bei null", so Schimmer.

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Für die Unternehmen sei die tatsächliche Lage aber immer noch besser als die Stimmung. So verfügten die im Deutschen Aktienindex (DAX) enthaltenen Konzerne aktuell über eine Eigenkapitalrendite von 36 Prozent - besser als im Jahr 2007, vor Beginn der Finanzkrise. Die Haspa rechnet mit einem Anstieg des DAX auf 6000 bis 6500 Punkte zum Jahresende 2012, allerdings unter heftigen Schwankungen zwischendurch. Bis auf 4600 Zähler könne das Börsenbarometer in der ersten Jahreshälfte absacken.

Starke Abweichungen von der Prognose seien auch nach oben möglich: "Wenn die Europäische Zentralbank beschließen sollte, zur Eindämmung der Schuldenkrise in praktisch unbegrenztem Umfang Staatsanleihen aufzukaufen, würde dies den DAX wohl auf weit mehr als 6500 Punkte treiben, weil dann die Finanzmärkte mit Liquidität geflutet würden."

Eine erhebliche Schwankungsbreite erwartet auch Frank Schriever, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Hamburg. Dennoch rechnet er mit einem DAX-Jahresendstand von 6500 Punkten. "Angesichts der anhaltenden Unsicherheit an den europäischen Anleihemärkten bleiben Aktien global tätiger Unternehmen die im Vergleich attraktivste Anlageklasse", sagte Schriever dem Abendblatt. Dabei rät er zu Titeln mit einem "etablierten Geschäftsmodell" und einer stetig hohen Dividendenrendite. Empfehlenswert seien unter anderem die eher konjunkturunabhängigen Aktien von Nahrungsmittel- und Verbraucherprodukteherstellern, denn das weltweite Wachstum werde sich leicht abkühlen. Eine Rezession in Deutschland kann nach Einschätzung von Schriever aber vermieden werden.

Für Anleger sei eine breite Streuung ihrer Investments wegen der großen Unsicherheit wichtiger denn je. Dabei könnten relativ sichere, fest verzinsliche Papiere aber nur zur Absicherung dienen: "Selbst Unternehmensanleihen bringen bei erstklassiger Bonität nur eine Rendite von zwei bis drei Prozent, nach Abzug der Inflation und der Kosten bleibt keine positive Verzinsung."

Die Spanne der Prognosen ist groß: Während die HSH Nordbank dem DAX zum Ende nächsten Jahres 7400 Punkte zutraut, rechnet die US-Bank Morgan Stanley mit einem Rückgang auf 5400 Zähler. Peter Reichel, Leiter Anlagestrategie Private Vermögensverwaltung bei der Berenberg Bank, zählt mit einer Prognose von 7000 Punkten zu den Optimisten: "Im derzeitigen Umfeld negativer Grundstimmung dürften unerwartet positive Nachrichten auf fruchtbaren Boden stoßen und die Aktienmärkte nach oben treiben."