Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt spricht im Interview über sinkende Gewinne, Mitarbeiterboni, neue Großfrachter und die Sietas-Werft.

Hamburg. Die Container-Reederei Hapag-Lloyd hat im dritten Quartal wegen des Preisverfalls im Frachtgeschäft einen herben Gewinneinbruch verbucht. Nur wegen des eingeleiteten Sparprogramms stand unter dem Strich mit knapp 10 Millionen Euro überhaupt noch ein Gewinn, wie das Unternehmen am Montag berichtete. Ein Jahr zuvor hatte Hapag-Lloyd noch 218 Millionen Euro verdient. Den Verlust aus dem ersten Halbjahr konnte das etwas stärkere Sommerquartal nicht ausgleichen – hier steht nach neun Monaten immer noch ein Konzernfehlbetrag von 23 Millionen Euro zu Buche, nach einem Gewinn von 393 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

„Das dritte Quartal war damit das bisher beste des laufenden Geschäftsjahrs“, beschrieb Vorstandschef Michael Behrendt die Lage. Allerdings musste das Unternehmen mit einem deutlichen Rückgang der Frachtpreise zurechtkommen. Im Schnitt seien die Tarife im dritten Quartal um 8,5 Prozent gesunken, hieß es. Obwohl die Hamburger die Zahl der transportierten Container um fünf Prozent steigern konnten, ging der Quartalsumsatz um 13,7 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück. Im Neun-Monats-Zeitraum lag der Umsatz bei 4,5 Milliarden Euro (Vorjahr: 4,67 Mrd Euro). Hapag-Lloyd gehört zu 61,6 Prozent dem Hamburger Konsortium „Albert Ballin“, zu dem unter anderem der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne und die Stadt Hamburg gehören. Die restlichen Anteile von 38,4 Prozent gehören dem Reisekonzern Tui. Der Hannoveraner Touristikriese sucht seit langem nach einem Käufer für die verbliebenen Anteile an seiner früheren 100-Prozent-Tochter. Sollte er bis zum Jahreswechsel nicht fündig werden, kann er den Großteil seiner Beteiligung am 2. Januar 2012 dem Hamburger Konsortium andienen.

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Der Wettbewerb im internationalen Containertransport wird immer härter. Das bekommt auch die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd zu spüren. Umsatz und Gewinn sind rückläufig. Der Preiskampf der Marktführer Maersk und MSC sowie die gestiegenen Treibstoffpreise belasten die ganze Branche. Das Abendblatt sprach mit Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt über die Perspektiven der Reederei, neue Riesenfrachter und die Insolvenz der Sietas-Werft.

Hamburger Abendblatt: Viele Reedereien befürchten die nächste schwere Schifffahrtskrise. Hapag-Lloyd hat in den ersten neun Monaten 2011 einen Konzernverlust von 23,1 Millionen Euro ausgewiesen - nach einem Gewinn von 392,6 Millionen Euro im gleichen Vorjahreszeitraum. Wie ernst ist die Lage?

Michael Behrendt: Tatsächlich liegen wir nach Abzug der Steuern im Minus. Das gilt aber nicht für das operative Ergebnis. Im Vergleich zum Vorjahr ist es im dritten Quartal zwar von 251,2 auf 36,7 Millionen Euro gesunken. Zufriedenstellend ist das nicht. Aber wir haben immer noch Geld verdient und liegen im dritten Quartal sogar nach Steuern im Plus. Ich kenne derzeit keine andere Reederei, die das geschafft hat.

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Was sind die Gründe für den Rückgang des operativen Gewinns?

Behrendt: Es liegt keinesfalls an der Ladungsmenge. So haben wir in neun Monaten mit 3,874 Millionen Standardcontainern (TEU) 3,9 Prozent mehr als im Vorjahr transportiert. Unsere Schiffe waren bis zu 95 Prozent gefüllt. Teilweise mussten wir sogar Container stehen lassen. Das Problem ist vielmehr, dass es in der Branche ruinöse Preiskämpfe gibt, die nicht rational sind.

Und in Folge sind die Preise für den Containertransport gesunken?

Behrendt: Das durchschnittliche Ratenniveau bei Hapag-Lloyd entspricht zwar noch dem von 2010. Aber gleichzeitig kostet der Treibstoff für unsere Schiffe 644 statt 445 Dollar pro Tonne. Das bedeutet alleine für Hapag-Lloyd zusätzliche Belastungen von 550 Millionen Dollar im Jahr.

Wie sind die Aussichten für das gesamte Jahr 2011?

Behrendt: Das vierte Quartal ist auch in guten Jahren aus saisonalen Gründen eher schwach. Operativ haben wir bis Ende September 78,8 Millionen Euro verdient. Ich bin optimistisch, dass es 2011 bei schwarzen Zahlen bleibt. Dazu trägt auch unser 2009 gestartetes Sparprogramm bei. Um 1,1 Milliarden Dollar haben wir bereits die Kosten reduziert. Und in diesem Jahr werden wir darüber hinaus 100 Millionen Dollar einsparen.

Konnten dennoch die in Aussicht gestellten Gewinnbeteiligungen für das Geschäftsjahr 2010 an die Beschäftigten gezahlt werden?

Behrendt: Ja, die Zahlungen haben wir für 2010 überwiesen.

Und wie sieht es mit einer Gewinnbeteiligung für 2011 aus?

Behrendt: Da bin ich weniger optimistisch.

Hapag-Lloyd erhält 2012 die ersten drei von zehn Großfrachtern mit 13 200 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU). Ist das nicht zu spät, um mit großen Konkurrenten mithalten zu können?

Behrendt: Das sehe ich nicht so. Unsere aktuell größten Schiffe für 8750 Container waren zuletzt auf der Strecke zwischen Asien und Europa voll beladen. Andere Reedereien hatten dagegen Probleme, ihre Riesenfrachter auszulasten. Sicherlich geht der Trend im Asienverkehr zu noch größeren Containerschiffen. Deshalb werden auch wir sie bald einsetzen. Aber noch einmal: Das Hauptproblem für die Branche ist der irrationale Preiskampf, den Branchenvertreter derzeit austragen, um Marktanteile zu gewinnen. Unter diesen Bedingungen lassen sich auch Großschiffe nicht profitabel fahren.

Brauchen Sie für Ihre Neubauten eine tiefere Elbe?

Behrendt: Auf jeden Fall, wenn wir sie effektiv einsetzen wollen. Schon Schiffe mit 5500 TEU können Hamburg tideunabhängig nicht voll beladen erreichen. Die neuen Schiffe könnten derzeit selbst mithilfe der Flutwelle maximal 60 Prozent ihrer Kapazität nutzen. Schon heute müssen wir permanent rechnen, was geht und was nicht. Und manchmal müssen wir eben gegen jede Vernunft Boxen schon in den Niederlanden oder Belgien abladen.

Halten Sie den Beginn des Ausbaus der Elbe 2012 für realistisch?

Behrendt: Der Zeitplan ist schwer vorauszusagen. Das liegt nicht an der Stadt Hamburg, die die Schifffahrt in Brüssel und Berlin bestens unterstützt. Aber es tauchen ständig neue Probleme auf. Die Reedereien erkennen dabei die Belange des Umweltschutzes an. Aber es darf auch nicht der Hafen als Motor Hamburgs aufs Spiel gesetzt werden.

Der Börsengang von Hapag-Lloyd ist im ersten Halbjahr 2011 gescheitert. Ist dieses Szenario für Sie in den nächste Monaten noch realistisch?

Behrendt: Der Börsengang war nicht beschlossen worden, weil das Umfeld dafür zu schlecht war. Wir schließen ihn aber für die Zukunft nicht aus.

Ein Investor, der den Hapag-Lloyd-Anteil der TUI abkauft, ist nicht in Sicht. Also muss wohl das Konsortium Albert Ballin um Klaus-Michael Kühne und die Stadt die Beteiligung aufstocken?

Behrendt: Zu Themen, die die Gesellschafter berühren, äußere ich mich grundsätzlich nicht. Das muss unter den Gesellschaftern geregelt werden.

Wie wichtig ist Hapag-Lloyd für die Stadt Hamburg?

Behrendt: Hapag-Lloyd und die Partner in der Grand Alliance stehen für 47 Prozent des Containerumschlags in Hamburg. Somit haben wir eine Schlüsselfunktion für die Wirtschaft der Stadt.

Wie sind die Aussichten für 2012?

Behrendt: Ich bin zuversichtlich, was das Volumen angeht, und habe keine Hinweise auf einen konjunkturellen Einbruch. Voraussetzung für ein gutes Jahr der Reedereien ist allerdings, dass der ruinöse Wettbewerb mit extrem niedrigen Frachtraten nicht fortgesetzt wird. Die Transportmengen insgesamt könnten laut Branchenprognosen 2012 um sechs bis sieben Prozent steigen. Das ist auch für Hapag-Lloyd möglich.

Mit der Sietas-Werft hat eine der letzten Schiffbauer in der Stadt einen Insolvenzantrag gestellt. Berührt Sie das?

Behrendt: Ja, es ist tragisch, was da passiert. Dieses alteingesessene Familienunternehmen steht wie kaum ein anderes für Hamburger Tradition. Und die Familie sowie die neue Geschäftsführung haben sich immer stark für ihre Mitarbeiter eingesetzt. Ich hoffe, dass Sietas mit der Ausrichtung auf Spezialschiffe doch noch eine Zukunft hat.

2012 werden Sie Präsident des Übersee-Clubs. Warum das neue Ehrenamt?

Behrendt: Man hat mich angesprochen und ich habe mich sehr geehrt gefühlt. Im Übersee-Club kann ich das umsetzen, was ich auch bei Hapag-Lloyd praktiziere: Internationalität. Zudem habe ich in dem Ehrenamt mit Wilhelm Cuno, dem früheren Generaldirektor von Hapag-Lloyd, einen Vorgänger aus unserem Hause. Er wurde 1922 der erste Vorsitzender des Übersee-Clubs.