Kaufen, verkaufen, probierenn: Zu Besuch beim größten Kaffeehändler der Welt. 300.000 Tonnen Rohkaffee handelt Rothfos im Jahr.

Hamburg. Jens-Peter Lichtenberg greift zu einer Tasse Kaffee, schlürft laut und spuckt die braune Flüssigkeit aus. Danach wiederholt er die Prozedur mit dem nächsten Becher. "Unter 200 Proben am Tag gehe ich nicht nach Hause", sagt Lichtenberg, der die Qualitätsprüfung beim Kaffeehändler Rothfos leitet. Das Unternehmen gehört zur Hamburger Neumann Gruppe, die sich mit weltweit fast 2000 Mitarbeitern als weltgrößter Rohkaffeedienstleister bezeichnet.

Rund 160 Beschäftigte arbeiten bei Rothfos in Hamburg. Im Handelsraum der Unternehmenszentrale in der HafenCity schaut Ruben Scholz konzentriert auf seinen Bildschirm. Seine Geschäfte macht er online. Scholz ist für den Einkauf der Bohnen aus Zentralamerika zuständig. Zu seinen Abnehmern gehören unter anderen Tchibo und Nestlé. Sein Kollege Michael Wenzel bearbeitet hingegen Ostafrika und Südostasien. Es ist relativ ruhig in dem Großraum, in dem etwa 30 Mitarbeiter sitzen, die entweder Kaffee kaufen und verkaufen oder für den Transport der Bohnen vom Lieferland in alle Welt verantwortlich sind. Rund 300 000 Tonnen Rohkaffee handelt Rothfos jedes Jahr. Gut 120 000 davon werden nach Hamburg ins Lager Hohe Schaar zur Versorgung des europäischen Marktes gebracht. Tausende von Farmern aus den Ländern rund um den Äquator verkaufen ihre Ernte an die Hamburger.

Der Umsatz der gesamten Gruppe liegt bei etwa 2,5 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 1,85 Milliarden Euro. Doch diese nackte Zahl sagt wenig aus, denn der Preis für Rohkaffee verändert sich täglich. "Manchmal sogar dramatisch", sagt Jens Janecki, der zusammen mit Bernard Cremieux Geschäftsführer bei Rothfos ist. Beide kommen aus Kaffeefamilien. Janeckis Eltern etwa arbeiteten für die Kaffee- und Süßwarenkette Arko, Cremieux stammt aus einer französischen Kaffeedynastie.

"In einer Woche sank der Preis um zehn Prozent, dann ist er auf einen Schlag wieder um fünf Prozent gestiegen - obwohl es keine Ernteausfälle gab", sagt Janecki. Begründet wird dies mit dem Treiben von Spekulanten, die an einem Tag ihr Geld in den Kauf von Gold oder Rohöl investieren und am nächsten Tag in Nahrungsmittel wie Kaffee oder Weizen. Das Nachsehen haben Händler wie Neumann, die nicht an Spekulationsgewinnen interessiert sind, sondern einfach ihre Kunden günstig und gut beliefern wollen. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Preis für die noch nicht gerösteten Bohnen nahezu verdoppelt auf 2,50 Dollar (1,85 Euro) je Handelseinheit (454 Gramm). Inzwischen sind die Preise wieder auf rund 2,35 Dollar gesunken.

Das Geschäft birgt einige Herausforderungen. "Kaffee ist nicht mit Stahlrohren oder anderen standardisierten Produkten vergleichbar. Jedes Jahr fällt die Ernte infolge von unterschiedlichen Witterungsbedingungen anders aus. Zudem besteht in manchen Regionen die Gefahr politischer Unruhen", sagt Cremieux. Er und Janecki sind seit Jahren bei Rothfos und haben schon viele Umwälzungen auf dem Kaffeemarkt erlebt. So sei zum Beispiel Angola vor 30 Jahren eines der wichtigsten Anbauländer gewesen. "Nach kriegerischen Auseinandersetzungen spielt das Land aber heute praktisch keine Rolle mehr", so Janecki. Dafür sei Vietnam nun ein wichtiger Spieler geworden und auch Algerien sowie Marokko würden zu interessanten Käufern.

Die Neumann Gruppe profitiert davon, dass der weltweite Kaffeeverbrauch um jeweils zwei Prozent im Jahr steigt. Deshalb muss der Händler immer mehr Ware ordern und verkaufen, aber auch prüfen. Denn selbst wenn die Ernte schlecht ausgefallen ist, erwarten die Kunden wie Melitta, Tchibo, Darboven, Starbucks oder Nestlé von ihrem Lieferanten die gleiche Qualität wie im Vorjahr. So testen Lichtenberg und seine vier Mitarbeiter jeden Tag zusammen mit einem Experten aus dem Handelsraum Hunderte Kaffeeangebote, die von den Lieferanten eingegangen sind. Zwar muss das Unternehmen keine Chargen wegen mangelnder Qualität ablehnen, aber oft muss die Rohware nochmals verfeinert werden. Der Sorte Robusta wird dann zum Beispiel ein wenig mehr der etwas teureren Sorte Arabica beigemischt.

Vor allem in China, Indien, aber auch in der arabischen Welt steigt der Kaffeeverbrauch stark an. Da die Einkommen der Menschen dort vergleichsweise niedrig sind, muss auch der Kaffee günstiger sein - selbst wenn die Rohkaffeepreise anziehen. "Die Einstiegssorte in diesen Ländern ist meist Instantkaffee", sagt Cremieux. Erst später setzt sich in solchen Regionen Filterkaffee der preiswerteren Sorte Robusta durch. "Aber günstig muss nicht schlecht sein", so Cremieux. "Jede Region hat einen anderen Kaffeegeschmack. In Frankreich zum Beispiel mögen die Menschen schwarz gerösteten Kaffee mit einem höheren Robusta-Anteil, in Italien wird Espresso bevorzugt, in Palästina wird Kardamom beigemischt, und in Deutschland ist die teurere Sorte Arabica stark nachgefragt." Hierzulande kauft jeder Deutsche laut Branchenverband im Schnitt 6,5 Kilo Kaffee im Jahr. Doch die treuesten Kunden der Händler leben in den skandinavischen Ländern. So trinken die Finnen etwa 11,5 Kilo pro Kopf, das sind mehr als 1300 Tassen im Jahr.