Aufs Lagern spezialisiert: Der Verein der Hamburger Quartiersleute feiert sein 125. Jubiläum im Hafenhaus – zwischen Tradition und Moderne.

Kleiner Grasbrook. Wenn Michael Bruhns die Worte Container und Hafen hört, zuckt er schon einmal zusammen. Immer nur Container, Container - als ob der Hafen nicht auch etwas anderes zu bieten hätte. Was sei denn schon dabei, die Stahlboxen von einem großen Schiff aus Asien auf ein kleines Schiff nach Polen zu verladen?, fragt er. "Wir", sagt der Mann mit dem fast kahl geschorenen Schädel und der markanten dunklen Brille, "wir schaffen doch viel mehr Wertschöpfung."

Bruhns grient. Natürlich klingt das provokativ, was er sagt. Doch heute, bei der Präsentation einer neuen Jubiläumsbroschüre der Hamburger Quartiersleute im Hafenhaus an der Mattentwiete in Sichtweite der Speicherstadt, kann er so etwas sagen. 125 Jahre alt ist der Verband dieser traditionellen Hafenbranche gerade geworden. Ihre große Fahne zeigt einen Windjammer und die Silhouette der Stadt.

"Es blühe der Handel, die Schifffahrt, Gewerbe", steht in verschnörkelter Schrift darauf. Vor Michael Bruhns am Rednerpult ist ein großer Kaffeesack aufgestellt, auf den Tisch drapierte der Verein kleine Säckchen mit Pfefferkörnern, Nüssen und Kakaobohnen: Kaffee, Kakao, Tee, Bananen, Gewürze, Trockenfrüchte, Nüsse, Kautschuk - das wird zu Tausenden Tonnen in den Speichern der Quartiersleute gelagert - jener Betriebe, die solche Naturprodukte traditionell für ihre Kunden bewerten, aufbewahren und manchmal auch verarbeiten.

16 Betriebe mit zusammen mehr als 500 Mitarbeiten haben sich darauf spezialisiert. 500 - im Vergleich zu den 5500 Beschäftigten auf den reinen Containerterminals - entspreche immerhin einem Anteil von fast zehn Prozent im Hafengeschäft, heißt es bei den Quartiersleuten. Und bei all ihren Produkten nehme der Hamburger Hafen weltweit eine Führungsrolle ein. Nur an wenigen anderen Plätzen der Welt wird ähnlich viel gelagert oder umgeschlagen.

Ein Geschäft zwischen Tradition und Moderne: Früher noch verzeichneten die Quartiersleute die Wareneingänge in dicken Büchern, heute arbeiten sie online. Doch vieles vom alten Handwerk ist immer noch aktuell, sagt Bruhns. Was ist eine gute Kaffeebohne? Wann ist die Qualität von Reis ausgezeichnet? Wurde Kaffee richtig gelagert im Schiff? Sind die Rosinen schimmelfrei? Das zu bewerten, schafft kein Computer, dazu muss der Fachmann selbst gucken, riechen, schmecken, fühlen. "Warenkunde ist immer noch ein wichtiger Teil unseres Berufes", sagt Bruhns. Und noch immer führen die Firmen meist den Zusatz "& Consorten" im Namenszug, das erinnert an die Zeit, in der vier Mann für den klassischen Hafenbetrieb - Aufnehmen, Absetzen und Aufstapeln - notwendig waren. Einer stand an der Winde an der Kaikante, einer an der Schiffsluke und zwei weitere stapelten die Waren im Speicher.

Die Kaufleute früher hatten aber nicht immer solche Leute, die diese Jobs machen konnten. Als selbstständige Dienstleister übernahmen ehemalige Speicherarbeiter dann diese Aufgaben. Sie nahmen die Waren vom Schiff entgegen, kümmerten sich um den Papierkram, prüften kommissarisch die Qualität der Produkte und sorgten für eine ordnungsgemäße Lagerung. Oft waren sie in Vierergruppen zusammengeschlossen, die sich gemeinsam einen Raum, ihr "Quartier", mieteten, um dort Geräte unterzustellen. Jedes dieser Quartiere erhielt den Namen eines der Teilhaber und den Zusatz "& Consorten" für die anderen.

Heute sind daraus moderne Logistikbetriebe geworden, die mehrere Berufsausbildungen bieten. Doch trotz aller Moderne, trotz Hochregal und Computer - wer etwa den Vorsitzenden der Hamburger Quartiersleute in seinem Lager auf dem Kleinen Grasbrook besucht, spürt noch den alten Atem des Hafens: Viele Meter hoch lagen dort die braunen Säcke, eine würzig-süßliche Geruchsmischung liegt in der Luft. Michael Bruhns hat sich vor allem auf die Lagerung von Gewürzen spezialisiert. Deutschland ist nach den USA immerhin das zweitgrößte Importland dafür, sagt er. 90 000 Tonnen gelangen jährlich ins Land, 90 Prozent davon über den Hamburger Hafen: Pfeffer, Nelken, Kümmel, Muskatnüsse - wer gut riechen kann, würde vielleicht die Einzelgerüche hinter den braunen Säcken herausfinden. Viel Chili hatte Bruhns in den vergangenen Jahren gelagert, ein Modegewürz lange Zeit, wie er sagt. Inzwischen werde Chili von Ingwer abgelöst, das offenbar immer mehr Abnehmer findet.

Gelegentlich wird bei ihm die gesamte Jahresproduktion eines Importeurs gelagert - beispielsweise Hibiskusblüten, für die es langfristige Lieferverträge mit Handelsketten gibt, aber immer auch die Unsicherheit, ob in einzelnen Ländern die Ernte ausreicht.

Aber nicht nur bei Gewürzen, auch bei anderen Lebensmitteln nimmt der Hamburger Hafen eine führende Rolle ein, heißt es bei den Quartiersleuten.

Die Firma Cotterell etwa, ein Familienunternehmen mit britischen Wurzeln, lagert Kakao. Deutschland ist drittgrößtes Importland für dieses Produkt aus Übersee, die Bohnen gelangen über Hamburg ins Land. Ebenso Rohkaffee aus Südamerika, aus Afrika und immer häufiger aus Vietnam. Gut 100 000 Tonnen Kaffee werden im Hafen gelagert, dort gemischt und abgepackt. Ähnlich sieht es für Tee und sogenannte Teedrogen aus - Tees aus Pfefferminze oder Hibiskus. Auch Reis wird über den Hafen eingeführt, meist aus Spanien, aber auch aus Portugal. Den besten, aber extrem seltenen Reis aber soll der aus dem Irak sein, sagen die Quartiersleute - auch wenn sie so etwas eigentlich nicht sagen wollen. "Wir fühlen uns da unseren Kunden verpflichtet als neutrale Lagerhalter", sagt Bruhns.

Und das eben schon seit 125 Jahren.