Der Netzbetreiber Tennet ist mit Anschlüssen von Offshore-Kraftwerken überfordert. Man habe zu wenig Zeit und zu wenig Kapital.

Hamburg. Der Aufbau von Offshore-Windkraftwerken besonders in der deutschen Nordsee droht ins Stocken zu geraten. Der Netzbetreiber Tennet hat in einem Brief an die Bundesregierung davor gewarnt, dass die aktuellen Pläne für den Anschluss neuer Windparks an das Landstromnetz womöglich nicht eingehalten werden können. Tennet betreibt seit der Übernahme im vergangenen Jahr unter anderem das frühere Höchstspannungsnetz von E.on in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das Unternehmen ist damit für den Anschluss der Windparks in der Nordsee verantwortlich.

+++ Zukunft: Windenergie +++
+++ Hafen: Mehr Investition in Windenergie +++

Es fehle an "finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen aller Beteiligten", schrieb Tennet-Geschäftsführer Martin Fuchs: "Die Rahmenbedingungen müssen substanziell nachgebessert und die Lasten künftig auf mehr Schultern verteilt werden."

Der Manager beklagte, dass es für den Aufbau der Netzanschlüsse sowohl an Zeit wie auch an Kapital mangele. Die vorgegebene Frist von derzeit 30 Monaten für den Anschluss eines Windparks auf See sei nicht einzuhalten - unter anderem wegen der schwierigen Wetterbedingungen auf See und Engpässen bei Zulieferern. Die Frist müsse auf 50 Monate erhöht werden, schrieb der Tennet-Chef. Zudem sei es vor dem Hintergrund der angespannten Finanzmärkte derzeit kaum möglich, das nötige Kapital für den Aufbau der neuen Infrastruktur zu beschaffen.

+++ Die versteckten Kosten der Energiewende +++

Mit dem politischen Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft in Deutschland bis zum Jahr 2022 steigt der Druck, schnell wachsende Strommengen mithilfe der erneuerbaren Energien erzeugen zu können, vor allem aus Windkraftwerken. Neben dem Ausbau der Windkraft an Land spielen Offshore-Windparks auf der Nord- und der Ostsee für die Bundesregierung strategisch eine Schlüsselrolle. Von einem derzeit noch minimalen Niveau aus soll die Nennleistung von Offshore-Windparks schon bis zum Jahr 2013 auf 2000 Megawatt und bis zum Jahr 2030 auf 25 000 Megawatt ausgebaut werden. Dafür werden mehrere Tausend Windturbinen sowie Umspannanlagen und Stromnetze im Meer und an Land gebraucht.

Schon jetzt ist absehbar, dass dies für die Stromverbraucher steigende Preise nach sich ziehen wird. Nach einer aktuellen Mitteilung der vier Übertragungsnetzbetreiber müssen sich die Stromkunden auf eine Erhöhung der Ökostromumlage im Jahr 2013 von derzeit 3,66 Cent auf voraussichtlich 4,74 Cent je Kilowattstunde einstellen. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch im Haushalt von 4000 Kilowattstunden steige der Beitrag für die Förderung der erneuerbaren Energien dadurch von 140 auf rund 190 Euro.

Ingrid Nestle, energiepolitische Sprecherin in der Bundestagsfraktion der Grünen, kritisierte die Bundesregierung für ihre Offshore-Pläne gestern scharf: "Die Bundesregierung hat bei ihrer Energiewende voll auf Offshore gesetzt und die Risiken total unterschätzt. Mit ihren übereilten Offshore-Plänen riskiert sie Milliarden-Mehrkosten für die Verbraucher." Mit Blick auf den nötigen Netzausbau sagte Nestle: "Wenn Tennet den Offshore-Ausbau nicht schultern kann, müssen andere ran. Netze sind Daseinsvorsorge. Die Bundesregierung muss die Konsequenzen ziehen und die Offshore-Anschlüsse ausschreiben. Der gesetzliche Rahmen macht das heute schon möglich."