Die Menschen in Griechenland trauen ihrer Regierung nur noch wenig zu. Ihre letzte Hoffnung sind zahlungskräftige Gäste aus dem Ausland.

Athen. Die moderne Athener Straßenbahn fährt die Küste südlich des Hafens von Piräus entlang. Ausweislich der Schilder an den Haltestellen wurde sie mit freundlicher Hilfe der Europäischen Union erbaut. Nach einigen Stationen schon ragen im Meer die Masten von Segelyachten empor und auch der eine oder andere Aufbau einer Motoryacht. Hier beginnt die Marina Alimos, mit 2500 Liegeplätzen wohl einer der imposantesten Sportboothäfen im Mittelmeer. Die meisten Plätze sind an diesem Tag mit schwimmendem Inventar gefüllt. Boote, wohin man schaut. Oder muss man Schiffe sagen?

Nicht weit davon entfernt in der Ausfallstraße Leoforos Eleftherias sitzt im 4. Stock eines schlichten Geschäftshauses das Unternehmen Cosmos Yachting. Jordanis Hatziveroglou, 48, empfängt bei Kaffee und Keksen in seinem Büro, ein freundlicher Mann mit feinen Umgangsformen und guten Deutschkenntnissen. Hatziveroglou ist weltweit tätig. Er verchartert Yachten in den meisten schönen Segelrevieren der Erde. Und für Griechenland ist er der Generalimporteur des international zweitgrößten Yachtherstellers Bavaria aus Deutschland.

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Yachten sind in Griechenland ein zweischneidiges Thema. Vielen, nicht nur im Land selbst, gelten sie als Symbol für die Bereicherung der griechischen Oberschicht, als elegant geformter Lohn für Steuerflucht, Korruption und Vetternwirtschaft. Allerdings liegen nicht nur Mietfahrzeuge im Hafen und Boote griechischer Eigner, sondern Kostbarkeiten aus ganz Europa. Hatziveroglou teilt die Kritik am hiesigen Yachtaufkommen naturgemäß nicht: "Der Segeltourismus, die Vercharterung von Booten, ist gemessen am gesamten Fremdenverkehr hier im Land nur eine Nische. Aber es ist eine hochwertige Dienstleistung, und unsere Möglichkeiten sind längst nicht ausgeschöpft." Insgesamt 54 Yachten betreibe er von den griechischen Häfen aus, sagt der Unternehmer: "Es ist Anfang November, und die Hälfte der Boote ist draußen."

Vor fast einem Vierteljahrhundert begann Hatziveroglou, eine familieneigene Yacht zu verchartern. Er baute daraus ein Unternehmen mit nunmehr 30 Mitarbeitern auf, das auch Büros in München und London unterhält, und mischt seither im internationalen Chartergeschäft mit. Der Vater zweier Kinder ist ein Selfmadeunternehmer. Er blickt seit jeher über die Grenzen seines Landes hinaus und verkörpert damit die moderne und weltoffene Seite der griechischen Wirtschaft. Denn die wichtigste Konfliktlinie verläuft weniger zwischen Griechenland und dessen Helfern und Gläubigern in der Europäischen Union.

Der Glaubensstreit basiert vor allem auf der Frage, ob die griechische Wirtschaft von einem starken Staat und den ihm verbundenen Firmen getragen werden soll wie in den vergangenen Jahrzehnten - oder von einem starken Unternehmertum, das nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage agiert. "Ich wünsche mir weniger Staat auf allen Ebenen, weniger ausufernde Sozialleistungen und weniger Bevormundung, dafür mehr unternehmerische Entscheidungsfreiheit", sagt Hatziveroglou. "Die Rentner werden am härtesten von den aktuellen Umbrüchen getroffen. Das ist eine schlimme Entwicklung, denn wir sollten besser mit den alten Menschen umgehen. Aber es ist die Folge einer jahrzehntelang verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik."

Seit langer Zeit versucht Hatziveroglou, auch ins Geschäft mit dem Betrieb von Sportboothäfen einzusteigen. Bei drei griechischen Marinas hat Cosmos Yachting nach Ausschreibungsverfahren bereits den Zuschlag für eine Beteiligung erhalten, aber die Verträge sind noch nicht endgültig unter Dach und Fach. "Bei der Privatisierung eines einzelnen Sportboothafens müssen sich in Griechenland sechs bis acht staatliche Stellen verständigen", sagt er. "Wir sind sehr abhängig von denen, die offizielle Stempel unter Dokumente setzen. Dabei hat Griechenland für den Aufbau moderner Bootshäfen ein enormes Potenzial. Stilvolle Marinas wiederum ziehen auch Touristen an, die selbst kein Segel- oder Motorboot fahren."

Der Tourismus gilt als eine der Bastionen der griechischen Wirtschaft, auch in diesen Zeiten der schweren Krise. Gesegnet mit der Geschichte und den Spuren einer antiken Großmacht, mit einem sonnigen Klima und ungezählten großen und kleinen Inseln im Mittelmeer, ist Griechenland prädestiniert für alle Spielarten des hochwertigen Reisens. Urlaub in Bettenburgen und auf Massenstränden hat sich hier nie etabliert. Kreuzfahrten mit Schiffen wie der "Star Princess" oder der "Aidablu", die dieser Tage im Hafen von Piräus festgemacht haben, liegen da schon eher im Trend.

Viele Experten stimmen überein, dass Griechenland im Urlaubsgeschäft noch weit mehr tun könnte. Immerhin: Das zurückliegende Jahr habe der Tourismusbranche ein relativ gutes Geschäft gebracht, heißt es bei der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer. Frühzeitig reduzierte Preise angesichts der Wirtschaftskrise, aber auch die Aufstände in nordafrikanischen Urlaubsländern wie Tunesien halfen den hellenischen Anbietern durch die Saison.

Dennoch zieht die Krise offenbar auch im Tourismus ihre Spuren, gerade in den großen Städten wie Athen. "Es war ein schlimmes Jahr", sagt Michael Papageorgiou, 39, Rezeptionist im Hotel Odeon in der Straße Pireos im Zentrum der Hauptstadt. "Einige Hotels mussten aus Mangel an Gästen in den vergangenen Monaten zeitweise schließen, weil zugleich die staatlichen Abgaben gestiegen waren. Auf den Inseln lief der Tourismus ganz gut. Aber viele Gäste ließen ihre Stippvisiten nach Athen dann ausfallen, weil sie Angst vor Streiks oder Unruhen hatten."

Das Odeon sei im Oktober gerade mal zu 35 Prozent ausgelastet gewesen. "In den meisten Jahren bis zur Krise waren es um die 70 Prozent während dieser Jahreszeit", erzählt Papageorgiou. "Früher waren wir zu Beginn der Schuljahre meist gut gebucht mit Klassenreisen aus vielen europäischen Ländern. Jetzt ist keine einzige Gruppe im Haus." Der Frühstücksraum am Morgen und die gepflegte Lobby am Abend stehen leer.

Seit 17 Jahren arbeitet Papageorgiou in Hotels in der Innenstadt von Athen. Nach seinem Gefühl sei hier derzeit bestenfalls die Hälfte an Touristen unterwegs, die er aus vergangenen Jahren erinnere. Wenn er könne, würde er am liebsten nach New York auswandern und dort im Hotelfach arbeiten, erzählt er in lebhaftem Englisch. Viele junge Griechen verlassen heute ihre Heimat, um in anderen Ländern ihr Glück zu suchen. Dabei bräuchte man sie gerade jetzt und hier. Papageorgiou ist das völlig bewusst. Doch was soll man machen, fragt er, und blickt schließlich auf seinen Empfangstresen. "Die Politik in diesem Land ist nicht die Lösung, sondern das Problem. In den nächsten zehn Jahren werden wir hier keine Besserung sehen."