Zigarettenhersteller Reemtsma durchbricht Milliardengrenze beim Umsatz und droht Brüssel mit Klage wegen weiterer Werbeauflagen.

Hamburg. Seine Frau ist Russin, die kleine Tochter wurde in Moskau geboren und den Familienhund hat er in der Ukraine erworben: Der neue Reemtsma-Chef Marcus T. R. Schmidt, 44, war in den vergangenen sechseinhalb Jahren für den Zigarettenkonzern an verschiedenen Standorten in Osteuropa als Manager unterwegs. Jetzt freut er sich, wieder in Hamburg zu sein. "Die Stadt fühlt sich klasse an", so Schmidt, der seit August die Geschäfte des Zigarettenherstellers in Deutschland und in der Schweiz leitet.

Weniger erbauend ist für ihn jedoch der Blick nach Brüssel. Was sich dort zusammenbraut, bezeichnet Schmidt als "einen Frontalangriff auf die Grundlagen unseres Geschäfts". Konkret geht es um die neue EU-Richtlinie für Tabakprodukte, die in der ersten Hälfte 2012 verabschiedet werden soll. Sie sieht vor, dass sich die Päckchen aller Hersteller künftig gleichen und nur noch den Namen der Marke auf standardisiertem schwarz-weißem Untergrund tragen. Zudem sollen auf den Schachteln großflächige Fotos kranker Lungen und anderer Organe gezeigt werden. Auch dürfen die Glimmstängel in Lottoläden oder Tankstellen nicht mehr sichtbar präsentiert werden.

Wenn die EU-Richtlinie so kommt, will Reemtsma eine Klage einreichen. "Wir verkaufen Marken, die wir mit hohen Investitionen aufgebaut haben, nicht nur eine Packung mit 20 Sticks", sagte Schmidt. "Selten zuvor hat Brüssel so massiv in den Wettbewerb in Europa und in die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten eingegriffen."

Trotz der jetzt schon existierenden Warnhinweise auf den Packungen und der Verbote in Gaststätten rauchen die Deutschen derzeit erstmals seit Jahren wieder mehr. Von Oktober 2010 bis Ende September 2011 ist der gesamte Zigarettenabsatz von 119,4 auf 122,3 Milliarden Stück gestiegen. Reemtsma profitierte davon. So hat der Umsatz der Tochter des britischen Konzerns Imperial Tobacco mit einem Plus von 3,5 Prozent erstmals die Milliardengrenze überschritten.

Auch der Gewinn vor Steuern erreichte im Geschäftsjahr 2010/11 (endete am 30. September) mit 532 Millionen Euro eine Rekordmarke, nach 498 Millionen im Vorjahr. Nur der Marktanteil ging leicht von 24,9 auf 24,4 Prozent zurück. Schmidt begründete dies mit Preiserhöhungen des Unternehmens im Zusammenhang mit der Anhebung der Tabaksteuer. Die Konkurrenz habe die Packungen erst mit zeitlicher Verzögerung verteuert.

Laut dem Reemstma-Chef werden Zigaretten Anfang 2012 vermutlich nochmals teurer, weil die Tabaksteuer erhöht wird. Je nach Sorte bedeutet dies Mehrkosten von vier bis sieben Cent pro Päckchen. Wie und wann Reemtsma diese an die Kunden weitergebe, konnte Schmidt noch nicht sagen. Schon in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass nach Erhöhungen der Tabaksteuer die Anzahl der illegal in Deutschland eingeführten Zigaretten gestiegen ist. Mit einem Anteil von 22,1 Prozent wird derzeit mehr als jede fünfte Zigarette an der Steuer vorbeigeraucht. Vor Jahresfrist waren es 21,5 Prozent.

Erfolgreich ist Reemtsma vor allem mit der preisgünstigen Marke John Player Special (JPS), die ihren Marktanteil auf 9,9 Prozent steigern konnte und seit sieben Jahren kontinuierlich zulegt. Der größte und für die Hersteller wichtigste Bereich ist jedoch weiterhin das sogenannte Premium Segment mit höheren Preisen. In diesem Bereich konnte Reemtsma mit den Marken Gauloises (Marktanteil 5,5 Prozent) und Davidoff (0,9 Prozent) seine Position halten. Die Konzernzentrale in Hamburg, wo rund 800 der 2000 Reemtsma-Mitarbeiter beschäftigt sind, profitiert von dem Wachstum. Da in der Hansestadt inzwischen auch Bereiche des Mutterkonzerns Imperial Tobacco angesiedelt sind, schafft Reemtsma in der Zentrale rund hundert Stellen, die aus anderen Ländern nach Deutschland verlagert werden.