Weil Zigaretten bald nur noch in Einheitspackungen verkauft werden sollen, sieht der Hamburger Hersteller 20.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Hamburg. Der Hamburger Zigarettenhersteller Reemtsma hat im vergangenen Geschäftsjahr (zum 30. September) hervorragend verdient. Bei einem Umsatz von 983 Millionen Euro weist das Unternehmen einen operativen Gewinn von 498 Millionen Euro aus. Vor allem die Marke JPS macht Reemtsma Freude. Im Oktober kletterte sie erstmals seit der Einführung 2004 auf zehn Prozent Marktanteil. Reemtsma ist führend im deutschen Tabakmarkt und nach Philip Morris mit 24,9 Prozent Anteil die Nummer zwei bei Zigaretten. JPS ist zudem nach Marlboro die zweitstärkste deutsche Marke.

Sorgen bereitet dem Hamburger Konzern allerdings die europäische Tabakproduktrichtlinie, die von der EU-Kommission vorbereitet wird. Demnach dürfen Zigaretten bald nur noch unter dem Ladentisch aufbewahrt werden, Automaten gibt es dann nicht mehr. Ab 2012 will EU-Gesundheitskommissar John Dalli Rauchwaren in den ersten Ländern aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen. Sie sollen nicht mehr sichtbar präsentiert, sondern hinter Rollläden, in Schränken oder unter Tischen versteckt werden.

Große Warnbilder und weiße Verpackung für alle Marken

Zudem sind laut den Plänen, die 2014 auch in Deutschland umgesetzt werden sollen, sämtliche Zigarettenschachteln weiß. Sie unterscheiden sich dann nur noch durch großflächig auf beiden Seiten aufgedruckte abschreckende Fotos. Diese zeigen Organe wie etwa Lungen, die infolge des Rauchens erkrankt sind. Nur noch der Markenname, also zum Beispiel Marlboro oder West, dürfen auf der Zigarettenschachtel stehen - bei jeder Marke in gleicher Schrift. "Die EU versucht, unsere Marken zu enteignen. Das ist ein schwerer Eingriff in unsere Produktgestaltung. Der Konsument wird weiter stigmatisiert und diskriminiert und der Wettbewerb zementiert", sagte Titus Wouda Kuipers, Deutschland-Chef von Reemtsma. Zudem würden diese Maßnahmen den Schmuggel begünstigen. "Die Markenfälscher hätten es mit Einheitsverpackungen leichter." Schon heute beträgt der Anteil geschmuggelter Zigaretten in Deutschland 20 Prozent. Wouda Kuipers kündigte an, dass Reemtsma gegen die neuen Vorschriften wegen der Verletzung von Markenrechten klagen werde.

"In Deutschland gibt es rund 100 000 auf Tabakwaren spezialisierte Geschäfte. Wir schätzen, dass etwa 7500 wegen der neuen Richtlinie aufgeben müssen. Somit wären 20 000 Arbeitsplätze zerstört", sagte Rainer Bötticher, Präsident vom Bundesverband Tabakwaren-Einzelhandel, dem Abendblatt. Ulf Kalkmann, Sprecher des Hamburger Einzelhandelsverbands, rechnet mit dem Verlust von 150 bis 200 Jobs in Hamburger Tabakgeschäften in den kommenden fünf Jahren. "Obwohl viele der 430 Läden in der Stadt inzwischen ihr Sortiment um Lebensmittel oder Telefonkarten erweitert haben, werden einige Geschäfte die Folgen der geplanten Richtlinie nicht überleben", sagte Kalkmann voraus. "Die EU geht mit ihren Vorschlägen mindestens drei Schritte zu weit."

Den Werbeagenturen würde zwar laut Volker Nickel, Sprecher vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, durch das Vorhaben kein Schaden entstehen, da Tabakwerbung längst nahezu verboten ist. "Aber die Kinobranche, die derzeit Werbeeinbußen im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen muss, würde empfindlich getroffen, wäre die Tabakwerbung komplett verboten", so Nickel. Er fürchtet, dass künftig auch Alkohol und Lebensmittel EU-Verbote auferlegt bekommen.

60 neue Arbeitsplätze in der Hamburger Unternehmenszentrale

Wenig begeistert, aber ohne Sorgen ist Reemtsma dagegen wegen der geplanten Erhöhung der Tabaksteuer. "Nach dem, was ich bisher lese und höre, können wir damit leben", sagte Wouda Kuipers gestern. Die noch nicht beschlossene Erhöhung der Tabaksteuer würde ein Päckchen Zigaretten rechnerisch um ungefähr zehn Cent pro Jahr über einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren verteuern. Ob und in welchem Maß die Industrie die Preise erhöht, ist laut Wouda Kuipers nicht absehbar. "Das entscheidet sich im Wettbewerb, wenn die endgültigen Informationen vorliegen."

Im vergangenen Geschäftsjahr hat Reemtsma den Umsatz um vier Prozent erhöht und den Gewinn um acht Prozent. Geholfen habe auch, dass im warmen Sommer mehr geraucht wurde. So sei der Gesamtmarkt (Zigaretten und Tabak) leicht um eine Milliarde auf 123 Milliarden Stück gestiegen. Reemtsma beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter, davon 760 in Hamburg. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Hansestadt 60 Mitarbeiter eingestellt.