Mit einem Markt für Endverbraucher und einem Kochstudio will Torsten Berens mehr Besucher anlocken. Erstmals siedelt sich eine chinesische Firma an

Hamburg. Dem Mann fällt es schwer, still zu sitzen. Mit schnellen Schritten steuert Torsten Berens, drahtiger Geschäftsführer des Hamburger Großmarkts, durch die denkmalgeschützte Halle im Stadtteil Hammerbrook. Sein Weg führt vorbei an Händlern wie Kartoffel Willi, Don Limon oder Usia, die gleich palettenweise frische Mandarinen, Zitrusfrüchte oder Erdäpfel aus der Lüneburger Heide anbieten.

Zielstrebig hält Berens auf die nordöstliche Ecke der Halle zu, in der schmutzige Plastikplanen einige verwaiste Stände bedecken. "Hier wollen wir im kommenden Jahr einen Markt für Endverbraucher einrichten", sagt Berens. "Jeder Hamburger soll auf dieser Teilfläche täglich zwischen 11 und 19 Uhr einkaufen können." Wenn es gut läuft, könne das Projekt schon im Sommer zum 50-jährigen Bestehen des Großmarkts an den Start gehen.

Es ist eine kleine Revolution, die Berens da für die traditionsreichen Halle mit ihrem charakteristischen, wellenförmigen Dach ankündigt. Feilschten dort bislang fast ausschließlich Geschäftsleute um die besten Preise für Tomaten, Ananas oder Äpfel, so öffnen sich die Pforten jetzt regelmäßig für die Besucher und Touristen.

Zwölf bis 15 Stände soll es zum Start des neuen Marktes geben, die neben Obst und Gemüse auch Schinken-, Wurst oder Käsespezialitäten, sowie edle Weine anbieten könnten. "Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit einem Interessenten, der den Betrieb des neuen Markts übernehmen möchte", sagt Berens. "Wir sind aber auch noch offen für weitere Bewerber." Geplant sei zudem ein gastronomisches Angebot mit kleineren Gerichten und einem Mittagstisch. Büroangestellte aus der nahen City Süd sollen sich davon angesprochen fühlen, aber auch Pendler, die auf ihrem Weg zu den Elbbrücken noch mal kurz an der Amsinckstraße (siehe nebenstehende Grafik) abbiegen und in die Halle mit den frischen Produkten hineinschauen könnten.

Der Markt für Endverbraucher ist Teil einer umfassenden Neuausrichtung des Hamburger Großmarkts, mit der der Geschäftsführer auf den Strukturwandel im deutschen Lebensmittelhandel reagiert. "Derzeit sind unsere Hallen mit 90 Prozent noch sehr gut ausgelastet", sagt Berens. 1,5 Millionen Tonnen an Obst und Gemüse werden jährlich auf Deutschlands bedeutendstem Großmarkt umgeschlagen. Bis nach Skandinavien und Polen reicht das Einzugsgebiet.

Doch für die traditionellen Großhändler wird das Geschäft immer schwieriger. "Es gibt immer weniger selbstständige Einzelhändler, die sich bei uns mit frischer Ware eindecken", sagt Berens. Stattdessen ließen sich Discounter und Supermarktketten direkt von großen Logistikfirmen beliefern. Diese sind zum Teil zwar ebenfalls auf dem fast 30 Hektar umfassenden Großmarktgelände angesiedelt. "Wir müssen aber schauen, dass wir auch noch weitere Nutzungsmöglichkeiten für unsere Flächen finden", betont der Geschäftsführer. Daher veranstaltet der Großmarkt schon heute einmal pro Jahr einen Food Market, der sich an die normalen Konsumenten richtet. "Der große Erfolg mit bis zu 30 000 Besuchern hat uns dazu ermutigt, das Angebot jetzt deutlich auszuweiten."

Zudem können Jugendliche in einem Schülerlabor auf dem Gelände die Zusammensetzung von Lebensmitteln erforschen. Ein sogenanntes Zusatzstoffmuseum informiert darüber, welche künstlichen Aromen in Joghurts, Tiefkühlpizzen oder anderen Fertigprodukten stecken. Um einen Besuch für Otto Normalverbraucher noch attraktiver zu gestalten, kann sich Berens auch die Einrichtung eines Kochstudios auf dem Gelände vorstellen. "Dort könnten dann Gruppen mit frischen Zutaten kochen, die direkt vom Großmarkt stammen", sagt er. Auch für dieses Projekt sei man in ersten Gesprächen mit mehreren Interessenten.

Das Treiben auf dem "echten" Großmarkt werden die neuen Besucher allerdings nur eingeschränkt miterleben können. Zum einen wird der Endverbrauchermarkt mit Trennwänden von den übrigen Ständen in der Halle abgeschirmt. Zum anderen arbeiten die Großhändler von der Nacht bis in die frühen Morgenstunden und dürften in der Regel verwunden sein, wenn die Verbraucher zum Shoppen anrücken.

Auch preislich soll sich der neue Markt eher am normalen Lebensmittelladen oder an den Wochenmärkten orientieren. "Obst und Gemüse zu Großhandelspreisen wird es bei uns für die Verbraucher nicht geben", sagt Berens. Man wolle sich eher durch Qualität und Atmosphäre, denn über den Preis von anderen Anbietern absetzen.

Neben der Öffnung des Geländes für den Endverbraucher versucht Geschäftsführer Berens auch weiterhin, klassische Handelsfirmen auf den Großmarkt zu locken. So wird sich Ende dieses Jahres erstmals eine chinesische Großhandelsfirma in den Markthallen niederlassen. Die YAY Fruits Hamburg GmbH hat sich auf den Import von verschiedenen Früchten aus dem Reich der Mitte spezialisiert und will nun verstärkt mit dem Einzelhandel in Norddeutschland ins Geschäft kommen. Aus diesem Grund verlagere die Firma ihren europäischen Hauptsitz aus dem niederländischen Rotterdam nach Hamburg, berichtet Berens.

Hart getroffen hat die Obst- und Gemüsehändler in diesem Jahr die Krise um den gefährlichen Darmkeim EHEC. "Die Umsätze mit Salat, Gurken und Tomaten haben noch immer nicht wieder vollständig das Niveau wie vor der Krise erreicht", sagt Berens. Ganz zu schweigen von Sprossen, die er schon lange nicht mehr auf dem Großmarkt gesehen habe.

Während der Krise seien die Umsätze bei einigen Gemüsearten um bis zu 90 Prozent eingebrochen", so der Geschäftsführer. Entschädigungen habe es für die Händler im Gegensatz zu den Bauern aber nicht gegeben, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt eine Schuld an der Verbreitung des gefährlichen Darmkeims getroffen habe. "Zum Glück hat keiner der 400 Betriebe, die auf dem Großmarkt aktiv sind, aufgrund von EHEC aufgeben müssen", sagt Berens.