Der Hamburger Laserspezialist will in Zukunft Operationen für Fehlsichtige im Reich der Mitte anbieten. Der Markt in der Volksrepublik boomt.

Hamburg. Im Schaufenster von EuroEyes steht eine gläserne Vase mit Tausenden gebrauchter Brillen. Die Botschaft des transparenten Mülleimers: Wer sich hier behandeln lässt, kann seine Sehhilfe danach wegwerfen.

Jørn Slot Jørgensen ist Augenarzt, Chef von EuroEyes und Däne, ein groß gewachsener Mann. Er trägt zum weißen Arztkittel einen blauen Designerschal. Das ungewöhnliche Accessoire ist seiner Erkältung geschuldet, ein übler Schnupfen, den sich der Mediziner von einer Reise nach Shanghai mitgebracht hat. Er macht ihm das Sprechen schwer, doch einen Satz wird der 56-Jährige beim Interview in einem seiner Behandlungsräume noch mehrmals sagen: "Wenn Sie Ihre Brille lieben, dann...", ein Satz, der zum Widerspruch herausfordert, ein geschickt verpackter Werbeslogan, er verrät den Arzt Jørgensen als Profi in Sachen Marketing.

Jørgensen hat sein Talent geschickt genutzt: Er machte Augenoperationen zum Geschäft. Viele schlecht sehende Patienten geben ihre Ersparnisse bei ihm für die medizinisch nicht notwendige Korrektur per Laser (Lasik) aus. EuroEyes mit Hauptsitz in Hamburg wuchs damit innerhalb weniger Jahre zur größten Klinikgruppe für Laseroperationen in Deutschland.

Die Kette beschäftigt bundesweit 160 Mitarbeiter, 15 davon arbeiten in der Zentrale in Hamburg. Seit 1993 haben die bei Jørgensen angestellten Chirurgen an den bundesweit 16 EuroEyes-Standorten mehr als 300 000 Augenpatienten behandelt, und zwar Selbstzahler, denn bei der Lasik handelt es sich um eine privatärztliche Leistung, die von den Kassen in der Regel nicht erstattet wird.

Die Laserbehandlungen am Auge sind in den Industriestaaten, wo sich die Menschen die teure Korrektur leisten können, zum Massenphänomen geworden. Und Experten prognostizieren einen weiteren Anstieg. Weltweit rechnen sie bis 2016 mit einer Zunahme von derzeit 3,5 Millionen Lasik-Operationen auf fünf Millionen im Jahr. In Deutschland werden derzeit jährlich mehr als 100 000 Augenlaseroperationen durchgeführt - auch hier ist die Tendenz steigend: Der Verband der Spezialkliniken Deutschlands für Augenlaser und Refraktive Chirurgie (VSDAR) rechnet mit durchschnittlichen Wachstumsraten von bis zu sieben Prozent in den nächsten Jahren.

Rund 52 Millionen Deutsche benötigen Sehhilfen, um Kurz-, Weit- oder Stabsichtigkeit auszugleichen, angesichts dieser großen Zielgruppe bieten auch immer mehr niedergelassene Ärzte die Laser-OP an. Wachstumspotenzial sieht Jørgensen insbesondere bei jüngeren Patienten. "Früher haben die Leute viel Geld für ein Auto ausgegeben, jetzt investieren sie mehr in sich selber", ist der Vater eines Sohnes überzeugt, der ebenfalls Medizin studiert. Zudem trieben immer mehr Menschen Sport, da störe eine Brille häufig. Andere wollen ohne Brille einfach besser aussehen. "Und Eitelkeit ist ja legitim, die Zahnärzte haben auch mehr zu tun", sagt Jørgensen mit Blick auf andere Investitionen ins eigene Aussehen wie Bleaching-Angebote. Nicht zuletzt sind die Risiken des Eingriffs inzwischen überschaubar, nachdem sich die Technik in den vergangenen Jahren stark verbessert hat. In den USA dürfen sich heute selbst Kampfpiloten und Astronauten die Augen lasern lassen.

Die Zunahme der Operationen ist aber auch Folge der teilweise angespannten Finanzsituation im Gesundheitswesen. Immer mehr Ärzte und Kliniken versuchen, mit medizinisch nicht notwendigen Eingriffen Geld zu verdienen. "Selbst Unikliniken können sich dem Wettbewerb nicht verschließen", sagt Thomas Kohnen. Der Vorsitzende der Kommission Refraktive Chirurgie muss es wissen, er ist stellvertretender Direktor der Klinik für Augenheilkunde an der Universität Frankfurt. Der Augenprofessor führt selber 2500 Operationen im Jahr durch und ist überzeugt: "Die Medizin wird kommerzieller."

EuroEyes-Gründer Jørgensen gibt offen zu, dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen, dass er sich als Unternehmer und Mediziner sieht, immerhin entstammt er einer Familie, die in der Schifffahrt ihr Geld gemacht hat. "Etwas bewegen", sagt er zur Triebfeder seines Handelns, und tatsächlich steht jetzt ein nächster großer Schritt für das Hamburger Unternehmen an: Jørgensen will mit EuroEyes den Riesenmarkt China erobern. "Anfang 2012 starten wir in der Volksrepublik", sagt Jørgensen. Sein Besuch in Shanghai war kein Zufall. In der kaufkräftigen Finanzmetropole dürfte die erste EuroEyes-Klinik der Volksrepublik entstehen. Dem Wettbewerb mit preisgünstigeren lokalen Anbietern will sich Jørgensen dabei nicht aussetzen: "Wir gehen mit dem Qualitätssiegel made in Germany in den Markt und werden die gleichen Preise haben wie in Deutschland". Gut 2000 Euro müssen die Patienten dann in China genau wie bei EuroEyes in Deutschland pro Auge zahlen, die neuesten Laser kosten hier wie dort immerhin eine halbe Million Euro und müssen refinanziert werden.

Zu den Billigheimern hat EuroEyes nie gehört. Hier werben andere Ketten um die Kunden, Anbieter wie Care Vision, die mit dem Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf kooperieren, Optical Express oder Lasik Germany. Care Vision etwa schreibt auf seiner Homepage, die Augenlaserkorrekturen kosteten bei der Kette "maximal 1150 Euro pro Auge". Der Eingriff könnte in Zusammenarbeit mit der Banco Santander auch günstig finanziert werden - hinter der Kette steht ein spanisches Unternehmen. Optical Express aus München ist eine Aktiengesellschaft und bietet sogar Firmenpauschalen an. Unternehmen könnten ihre Mitarbeiter zu günstigen Gruppentarifen lasern lassen.

Dabei ist trotz der gestiegenen Zuverlässigkeit der OP-Methode Vorsicht geboten: Die nur wirtschaftlich ausgerichteten Anbieter behandeln nach Angaben von Augenprofessor Kohnen vielfach auch Fehlsichtige, die er nach einer Risikoabschätzung ablehnen würde. Die zunehmende Kommerzialisierung banalisiere die Augenmedizin. Die Laser-OPs seien sehr lukrativ und könnten dazu führen, dass die Ärzte immer mehr Patienten behandeln wollten. So könne es problematisch werden, Patienten mit einer dünnen Hornhaut zu lasern oder Jugendliche zu behandeln. Der Augenphysiologe Andreas Berke warnt zudem davor, dass viele Operierte nach einer Lasik-OP unter trockenen Augen leiden, einige davon sogar dauerhaft. Zudem werde die im Alter häufig nötige Operation am grauen Star erschwert, wenn die Hornhaut schon vorher einmal gelasert wurde.

Als "absoluten Wahnsinn", bezeichnet Kohnen den Trend, sich im Ausland lasern zu lassen. Bei Komplikationen fehle allein schon jegliche Rechtssicherheit, sagte der Chirurg mit Blick auf beliebte Medizinreiseziele wie die Türkei. Auch Jørgensen möchte die deutschen Brillenträger lieber von seinen EuroEyes-Chirurgen operieren lassen: "Früher haben die Leute für osteuropäische Länder eine Rückholversicherung im Krankheitsfall abgeschlossen, heute fahren sie nach Polen oder Litauen, um sich dort operieren zu lassen."