Ökonomen sagen in ihrem Herbstgutachten Abschwung voraus. Wirtschaft in Hamburg blickt noch optimistisch nach vorn. Eine Branchenumfrage.

Hamburg. Nach zwei Jahren mit deutlichen Wachstumsraten muss sich die deutsche Wirtschaft 2012 mit einem mageren Plus von 0,8 Prozent begnügen. Die führenden deutschen Forschungsinstitute erwarten in ihrem Herbstgutachten einen Abschwung, der aber glücklicherweise nicht auf den Arbeitsmarkt durchschlagen wird. "Die Schulden- und Vertrauenskrise in Europa belastet zunehmend die deutsche Konjunktur", sagte der Experte des Essener RWI-Instituts, Roland Döhrn. "Anders als im übrigen Euro-Raum kommt es allerdings in Deutschland wohl nicht zu einer Rezession."

Trotz des mageren Wachstums können die Beschäftigten im kommenden Jahr auf kräftige Lohnerhöhungen hoffen. Die tariflichen Stundenlöhne dürften um 2,5 Prozent zulegen und damit stärker als in diesem Jahr mit 1,8 Prozent. "Die Lohn- und Gehaltsrunde 2011 ist weitgehend abgeschlossen, mit vielen Vereinbarungen, die auch das Jahr 2012 betreffen", schreiben die Forscher. "Dabei zeigt sich, dass angesichts der günstigeren gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich höhere Abschlüsse getätigt wurden als in den Vorjahren." Die Zahl der Arbeitslosen soll im kommenden Jahr um 153 000 auf 2,8 Millionen sinken, die Beschäftigung um fast 200 000 auf den Rekordwert von knapp 41,3 Millionen steigen. "Der Arbeitsmarkt dürfte von der kurzen Stagnation nicht zurückgeworfen werden", so die Forscher.

+++ Düstere Prognose: Der Wirtschaft droht eine Rezession +++

+++ Top-Ökonomen warnen: Bricht die deutsche Wirtschaft ein? +++

Auch Hamburg wird sich auf ein geringeres Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr einstellen müssen, ohne dabei einen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt zu erleben. "Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum in der Hansestadt in etwa auf Bundesniveau bewegen wird", sagte der Konjunkturexperte des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, Jörg Hinze.

"Mit einem Wachstum von bis zu 1,5 Prozent könnte sich Hamburg ein wenig besser als der Bund entwickeln", meint der Chefvolkswirt der Hamburger Handelskammer, Günther Klemm. "Unsere Unternehmen haben ihre Erwartungen für 2012 zwar zurückgeschraubt, wollen aber dennoch im kommenden Jahr weitere Mitarbeiter einstellen und auch mehr investieren." Eine Abendblatt-Umfrage unter Branchenverbänden zeigt eine teilweise noch bessere Einschätzung der Lage:

Hafenwirtschaft

Der Hafen will 2012 seinen Erholungskurs fortsetzen. "Wir haben bisher keine Signale dafür erhalten, dass wir für das kommenden Jahr nicht zuversichtlich sein sollten", sagte Bengt van Beuningen, der Sprecher des Hafen Hamburg Marketing. Entscheidend für die Entwicklung wird vor allem das Geschäft mit China, Russland aber auch Nord- und Südamerika sein. Die Konjunktur in Deutschland ist nur ein Faktor für den Umschlag in Hamburg. Bislang hält die Erholung im Hafen an. 2011 sollen neun Millionen Standardcontainer erreicht werden.

Schifffahrt- und Schiffbau

In der Schifffahrt stehen die Frachtraten, also die Einnahmen für den Containertransport, unter Druck. "Hintergrund dafür ist das steigende Angebot an Tonnage durch die zahlreichen Großfrachter, die derzeit ausgeliefert werden", sagt Burkhard Lemper, Direktor beim Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Im Schiffbau wartet Blohm + Voss auf einen Käufer, Sietas stellt seine Produktpalette auf Spezialschiffe um. "Das bietet Chancen", ist der Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, Werner Lundt, überzeugt. "Denn die Werften bieten mit Megayachtbau sowie Schiffen für die Offshore-Industrie auf künftig wachsenden Märkten an."

Luftfahrtbranche

Airbus hat volle Auftragsbücher für sechs bis acht Jahre und will die Produktion der kleinen Airbus-Jets in Hamburg bis Ende 2012 ausweiten. Die positive Einschätzung gilt auch für die Zulieferer, die sich in Hamburg zum Unternehmensverband Hanse Aerospace zusammengeschlossen haben. "Wir profitieren von Airbus. Der Flugzeugbauer ist für viele unserer 160 Firmen mit 14 000 Beschäftigten der Kunde Nummer eins", sagt Uwe Gröning, der Verbandsvorsitzende. Der Verband schaue optimistisch auf 2012. "Wir betreuen die neuesten Flugzeugmodelle von Boeing und Airbus und haben daher eine gute Position im Märkt", sagt Lufthansa-Technik-Sprecher Bernd Habbel. Für 2012 wird ein leichtes Plus beim Umsatz von zuletzt vier Milliarden Euro in der Gruppe erwartet.

Einzelhandel

"Wir halten nach 1,5 Prozent in diesem Jahr ein Umsatzplus von zwei bis 2,5 Prozent in 2012 für möglich", sagt Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbands. "In Hamburg ist die Kaufkraft traditionell höher als in Bundesdurchschnitt", begründet er den Optimismus der Branche. Zudem sei die Hansestadt ein starker Magnet für Touristen, die gern in der Stadt einkauften. Weiter im Trend werde im kommenden Jahr die Outdoor-Bekleidung liegen, während das Geschäft im Textilhandel insgesamt stark von der Witterung beeinflusst sei. Eine positive Entwicklung erwartet Linnekogel auch in der Unterhaltungselektronik.

Groß- und Außenhandel

"Wir können derzeit noch keine Eintrübung der Geschäftslage erkennen", sagt der Sprecher des AGA Unternehmensverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung, Holger Eisold. "Zumindest bis zum Frühjahr 2012 gehen unsere Mitgliedsfirmen von einer weiterhin stabilen Entwicklung aus."

Medien und IT-Wirtschaft

Die Medien- und IT-Unternehmen der Hansestadt gehen optimistisch in das nächste Jahr. Sie schätzen ihre Lage nach dem aktuellen Konjunkturbericht der Handelskammer auch besser ein als die übrige Wirtschaft. Ein Fünftel der IT- Unternehmen wollen ihre Investitionen 2012 ausweiten. 67,7 Prozent planen, eben soviel zu investieren wie im Vorjahr. Auch mehr Personal wollen die Firmen einstellen: Ein Viertel plant, die Zahl der Mitarbeiter 2012 zu erhöhen. Gut 60 Prozent gehen davon aus, das sich die Beschäftigtenzahl zumindest stabil halten lässt.

Maschinenbau

"Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Doch an das Rekordjahr 2008 konnten die Hamburger Maschinen- und Anlagenbauer noch nicht anknüpfen", sagt Jörg Mutschler Geschäftsführer vom Landesverband Nord der Maschinenbauer. Für 2012 erwartet Mutschler für die 150 Mitgliedsfirmen rosige Aussichten. "Wir werden beim Wachstum um vier Prozent zulegen." Einen Dämpfer gibt es allerdings bei den Herstellern von Windrädern. "Die Branche leidet unter derzeit einem Preiskampf."

Handwerk

Das Hamburger Handwerk ist trotz eines erfolgreichen Sommers vorsichtig in der Prognose für 2012. 20 Prozent der Betriebe erwarten laut Handwerkskammer eine gute, 68 Prozent eine unveränderte und zwölf Prozent eine schlechte Geschäftslage. "Es ist ein Merkmal des Handwerks, in realistischen Größen zu planen und lieber vorsichtig zu agieren als zu risikofreudig", erklärte Kammerpräsident Josef Katzer die Zurückhaltung der Firmen.