Mit Warnstreiks protestierten Beschäftigte gegen die geplante Effektivitätssteigerung. Gewerkschaft stellt sich auf Arbeitskampf ein.

Hamburg. Carola Schmidt hält ihr großes rotes Schild hoch über die Köpfe ihrer Kollegen. "Wir Airbus-Mitarbeiter sind sauer" steht dort in großen Buchstaben geschrieben. Gemeint ist damit nicht nur die angespannte Stimmung unter den Airbus-Mitarbeitern, die an diesem Morgen mit Trillerpfeifen und großen Plakaten vor das Werkstor des Airbus-Werks auf Finkenwerder gekommen sind. Der Satz beinhaltet auch einen Seitenhieb gegen Joachim Sauer, Personalchef von Airbus Deutschland, gegen den sich derzeit die Wut der Mitarbeiter entlädt.

Seit Monaten spürt Carola Schmidt als Arbeitszeitbeauftragte den Unmut ihrer Kollegen am eigenen Leib. "Ausgelaugt, enttäuscht und ärgerlich - so erlebe ich sie täglich", sagt die 47-Jährige. Sie koordiniert und erfasst die Mehrarbeit und Überstunden der Mitarbeiter. "Wir sind schon lange am Ende der Fahnenstange angelangt - mehr können die Kollegen nicht leisten", sagt die Hamburgerin. "Noch mehr zu verlangen, ist unmöglich." Die Bürokauffrau ist nur eine von Tausenden Airbus-Mitarbeitern, die gestern nach dem Aufruf der IG Metall mit Warnstreiks für einen Zukunftstarifvertrag demonstriert haben. In Bremen, Buxtehude, Stade und Hamburg protestierten laut Gewerkschaft 11 000 Teilnehmern, davon allein rund 8000 in Hamburg. Dagegen schätzt die Polizei die Zahl der Teilnehmer an der knapp einstündigen Kundgebung auf gut 4000. Die meisten von ihnen nahmen ihre Arbeit danach nicht wieder auf. "Die Verantwortung für die Warnstreiks trägt die Geschäftsleitung", sagte der Verhandlungsführer der IG Metall, Daniel Friedrich.

Die Arbeitnehmer kritisieren vor allem die von Airbus für die Beschäftigungssicherung geforderte Produktivitätssteigerung, die nach ihren Berechnungen bei acht Prozent jährlich liegt. Auch bei VW seien bei einer Fertigung am Fließband kaum mehr als drei Prozent pro Jahr möglich, hieß es. Zudem habe das Airbus-Management teilweise "Fertigungsprozesse nicht im Griff", sagte Friedrich. "Nach unseren Berechnungen ergeben sich 70 bis 90 Prozent der Störungen durch instabile Zulieferer. Auch das liegt an Vorgaben von Airbus", so der Hamburger Betriebsratsvorsitzende, Jan-Marcus Hinz.

+++ Keine Einigung - Morgen beginnen Airbus-Warnstreiks +++

+++ Tausende Airbus-Mitarbeiter treten heute in Warnstreiks +++

+++ Warnstreiks: Tausende Airbus-Mitarbeiter im Ausstand +++

Die Beschäftigten sollten dies nun durch Überstunden aufholen. "Wenn aber Wochenendarbeit Teil der Planung ist, läuft im Unternehmen einiges schief." Vor allem die von der Geschäftsführung in die Diskussion gebrachte Möglichkeit, Produktion von Hamburg aus zu verlagern, hat die Beschäftigten verärgert. "Es ist wohl zum ersten Mal passiert, dass ein deutscher Manager offen damit gedroht hat, Fertigung nach Frankreich zu bringen", sagte IG-Verhandlungsführer Friedrich. "Schämen Sie sich."

Die Geschäftsführung müsse aufhören, gegen die Beschäftigten zu arbeiten, forderte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, in Bremen. "Nur mit einer motivierten Belegschaft lässt sich der Auftragsrekord abarbeiten", sagte er. Derzeit reichen die Ablieferungen von Jets bei Airbus bis ins Jahr 2019 hinein.

Die Gewerkschaft stellt sich auf einen Arbeitskampf ein. An den vier Standorten werden Mitarbeiter ausgesucht, die sich um mögliche Aktionen kümmern sollen. Bis Ende Oktober will die Gewerkschaft die für diesen Fall notwendigen Schulungen abschließen. "Wir wollen aber weiterhin eine Lösung am Verhandlungstisch", versicherte Friedrich. Diese strebt auch das Airbus-Management so rasch wie möglich an (sieht Interview). Am Freitag appellierte Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) an die beiden Tarifparteien, die Verhandlungen "baldmöglichst mit einem für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu beenden".

Wann die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, ist offen. Doch selbst wenn es jetzt rasch vereinbart wird: Das 25-jährige Betriebsjubiläum von Flugzeugbauer Jörg Schäfer ist für ihn verdorben. "Solch ein Hin und Her habe ich in der ganzen Zeit noch nie erlebt", sagt der 41-Jährige. "Ich bin von meinem Arbeitgeber enttäuscht."