Der Deutsche Leitindex DAX stürzt ab und fällt auf ein Zweijahrestief. Der Goldpreis nährt sich derweil einer neuen Rekordmarke an.

Hamburg. Die Phase der Stabilisierung nach dem dramatischen Börsenabsturz Anfang August war nur von kurzer Dauer: Mit einem erneuten Verlust von fünf Prozent ist der Deutsche Aktienindex (DAX) auf ein Zweijahrestief gefallen. Auf der anderen Seite kletterte der Goldpreise wieder über die psychologisch wichtige Marke von 1900 Dollar je Feinunze (31 Gramm). Damit notierte das als "sicherer Hafen" geltende Edelmetall nur noch knapp unterhalb des Rekordhochs von 1911 Dollar.

"Die Angst nährt die Angst", sagte Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann dem Abendblatt. Zwei Faktoren sind es vor allem, die dafür sorgen, dass die Nerven der Anleger blankliegen: "Allmählich baut sich die Erwartung auf, dass die USA in die Rezession abrutschen", so Intelmann. Einem Arbeitsmarktbericht vom Freitag zufolge findet in Amerika derzeit kein Stellenaufbau mehr statt.

Hinzu kommt: "Die Lage in der Euro-Zone bleibt prekär", wie es die Kapitalmarktexperten von Delbrück Bethmann Maffei formulieren. Hier waren es nicht zuletzt die Meldungen über einen angeblichen Streit zwischen der Regierung in Griechenland und den Kontrolleuren des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU über die Sparziele Athens, die erneute Verunsicherung brachten. "Ob Griechenland im September die nächste Acht-Milliarden-Euro-Tranche der Finanzhilfen bekommt oder nicht, könnte in den nächsten Wochen ein marktrelevantes Thema werden", meint Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Hamburger Privatbankhauses Berenberg.

"Aber auch Italien und Spanien sind zuletzt wieder ins Gerede gekommen", erklärte Intelmann. So seien die Renditen der Staatsanleihen dieser Länder wieder gestiegen, obwohl die EZB ihre Stützungskäufe in der vergangenen Woche ausgeweitet hatte. Die Anleger befürchten offenbar, das von der italienischen Regierung angekündigte Sparpaket werde verwässert. Der Kurs des Euro schwächte sich deutlich auf 1,4126 (Freitag: 1,4255) Dollar ab. "Das Vertrauen in die Politik schwindet von Woche zu Woche", so Intelmann. Auch aus Berlin und Paris kämen keine beruhigenden Signale: "Man scheint keinen Kompass mehr zu haben. Es gibt keine klare Meinungsführerschaft, wie die Schuldenkrise bekämpft werden kann."

Selbst die Chefs internationaler Finanzinstitutionen schüren Ängste. Es bestehe das Risiko, "in diesem Herbst in eine neue Gefahrenzone" zu rutschen, sagte Weltbank-Präsident Robert Zoellick, und die IWF-Präsidentin Christine Lagarde warnte vor einem Rückfall in die Rezession. Wachstumsfördernde Maßnahmen müssten ergriffen werden, "um eine drohende Abwärtsspirale abzuwenden".

Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, fühlt sich angesichts der Finanzmarktturbulenzen an den Herbst 2008 erinnert, als die Weltwirtschaft nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers in eine tiefe Rezession stürzte. "Seit Jahresbeginn haben manche europäische Banken sogar ein Drittel und mehr ihrer Marktkapitalisierung eingebüßt", sagte Ackermann auf einer "Handelsblatt"-Tagung in Frankfurt. Mit einem Minus von 7,8 Prozent war die Aktie der Deutschen Bank gestern der größte Verlierer im DAX. Das Unternehmen muss sich für missglückte Hypothekengeschäfte in den USA zu Zeiten der Finanzkrise verantworten, einem Bericht zufolge erwägen aber auch britische Behörden eine Klage.

Es bestehe die Gefahr, dass aus der Angst vor einer Rezession eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werde, sagte Intelmann: "Unternehmen könnten wegen der immer negativeren Erwartungen ihre Investitionen aufschieben, die Verbraucher könnten sich beim Konsum immer stärker zurückhalten - und dann geht es der Wirtschaft wirklich schlechter." An den Finanzmärkten habe ein solcher sich selbst verstärkender Effekt bereits eingesetzt: "Man reagiert auf jede schlechte Nachricht, aber Fundamentaldaten werden überhaupt nicht mehr beachtet", so der Haspa-Finanzmarktexperte.

Gestern war vor diesem Hintergrund abermals eine Flucht in die als vergleichsweise sicher geltenden Bundesanleihen zu beobachten: Die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere brach auf 1,72 (Freitag: 1,86) Prozent ein. "Damit liegt die Rendite klar unterhalb der Inflationsrate", sagte Intelmann. "Es scheint nur noch darum zu gehen, das Geld sicher unterzubringen."