Das deutsche Aktiengesetz erlaubt nur “einen“ Vorsitzenden. Ist die geplante Doppelspitze der Deutschen Bank somit rechtswidrig?

Frankfurt. Die neue Doppelspitze der Deutschen Bank steht. Oder etwa doch nicht? Einem Medienbericht zufolge könnte die geplante Doppelspitze der Deutschen Bank möglicherweise rechtswidrig sein. Nach Informationen von „Zeit Online“ könnte das Aktienrecht es verbieten, dass Anshu Jain und Jürgen Fitschen gemeinsam die Nachfolge Josef Ackermanns antreten. Im Paragraf 84 Absatz 2 des Aktiengesetzes ist dem Bericht zufolge festgelegt, dass der Aufsichtsrat „ein Mitglied“ des Vorstands zum Vorsitzenden wählt. Abweichungen seien nur in gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen erlaubt.

Die Deutsche Bank gibt an, dass rechtswissenschaftliche Werke ihre Doppelspitze-Lösung stützten. Nach Einschätzung Gerald Spindlers, Wirtschaftsrechtprofessor an der Universität Göttingen, widerspricht diese dem Wortlaut und der Zielsetzung des Gesetzes. „Schließlich soll der Vorstand mit dem Vorsitzenden einen eindeutigen Ansprechpartner und Koordinator haben“, sagte Spindler „Zeit Online“.

Investmentbanker mit Handicap

Anshu Jain rückt an die Spitze der Deutschen Bank. Seine Deutschkenntnisse sind allerdings mäßig.

Die Entscheidung über die Nachfolge von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ist gefallen. Der Leiter des Deutschland-Geschäfts, Jürgen Fitschen, und der Vorstand des Investmentbankings, Anshu Jain, werden das Frankfurter Geldinstitut von Mai 2012 an gleichberechtigt führen. Der Inder galt schon seit Längerem als Kronprinz von Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann. Für ihn sprach unter anderem, dass das von ihm geleitete Investmentbanking zuletzt 2010 gut 86 Prozent des Gewinns des Geldinstituts einfuhr.

Sein Handicap: Er ist bislang nicht für gute Deutschkenntnisse bekannt - doch die werden unerlässlich sein für die nötigen engen Kontakte mit Politik und Wirtschaft in Deutschland. Der 48-jährige Jain gilt als genialer Analytiker und brillanter Redner, hochintelligent, instinktsicher. Seine fachliche Qualifikation für die Leitung von Deutschlands größtem Kreditinstitut hat Jain in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Jain wurde 1963 in der nordindischen Stadt Jaipur geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Neu-Delhi. Jain studierte Volkswirtschaft, erst in Indien, später in den USA. Er arbeitete als Managing Director für Merrill Lynch in New York, bevor er 1995 zur Deutschen Bank nach London wechselte. Ackermann machte Jain zum Chef der Kapitalmarktsparte. Dazu gehört der Handel mit Devisen, Rohstoffen und Aktien. Nachdem Jain knapp sechs Jahre lang die Macht über den wichtigsten Geschäftsbereich der Bank hatte teilen müssen, stieg er 2010 mit dem Weggang von Michael Cohrs zum alleinigen Chef des gesamten Corporate- und Investmentbankings auf.

Bereits 2009 war er im Zuge der Verdoppelung des Vorstands auf acht Mitglieder in die Führungsetage der Bank berufen worden. Als mögliche Hindernisse auf dem Weg an die Spitze des Geldhauses machten Beobachter bislang Jains noch geringen Draht zur Politik geltend. Ein Mann, der einen Großteil seines Berufslebens in Londoner Handelssälen verbracht habe, sei im politischen Berlin nur schwer vorstellbar, so die Bedenken einiger Entscheidungsträger.

Was Jain auch lieber meidet, sind ausschweifende Champagnerpartys. "Die Exzesse, für die seine Branche berüchtigt ist, liegen ihm fern", charakterisierte ihn das "Handelsblatt". Jain, der mit seiner Frau und zwei Kindern in London lebt, gilt vielmehr als leidenschaftlicher Kricketspieler und begeisterter Tierfotograf.

Das ist Jürgen Fitschen

Bisher war seine Herkunft kaum von Bedeutung. Jürgen Fitschen , der neue Mann an der Spitze der Deutschen Bank, kommt aus dem Dorf Hollenbeck, das zu Harsefeld im Landkreis Stade gehört. Doch nun könnte der Geburtsort wichtig werden: Jürgen Fitschen, ein Niedersachse. Das klingt bodenständig und solide. Und genau solche Vokabeln machen sich gut als Kontrast, wenn gleichzeitig ein Investmentbanker, der Inder Anshu Jain, mit an die Doppelspitze von Deutschlands größter Bank rückt. Selbstverständlich verfügt Fitschen wie Jain auch über internationale Erfahrung. Es ist eine Mischung aus Weltläufigkeit und Heimatverbundenheit, die der 62-Jährige schon immer gelebt hat. Noch heute ist das 630-Seelen-Dorf Hollenbeck sein Rückzugsort.

Von hier brach er auf, studierte Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und kam 1987 zur Deutschen Bank, für die er vor allem in Asien arbeitete. Seine Frau, die vor Jahren tödlich verunglückte, lernte er in Thailand kennen. Später holte ihn die Zentrale zurück in die Heimat - als Problemlöser. Viele Mittelständler fühlten sich bei der global agierenden Bank nicht mehr gut aufgehoben. Fitschen rettete den Ruf des Instituts, indem er das direkte Gespräch mit den Firmenchefs suchte.

Sein Haus in Hollenbeck wird Fitschen auch künftig als Rückzugsort brauchen. Hier ist er nicht der Manager, sondern der Jürgen. Die meisten Nachbarn sprechen Platt mit ihm.(stp/cg)