Das Hamburger Unternehmen Kampffmeyer Food Innovation entwickelt neue Zusätze und Rezepturen für die Lebensmittelindustrie.

Hamburg. Die Suppe verhält sich beim Aufwärmen tadellos. Sie klumpt nicht, sie hat keine Haut gebildet, so soll es sein. Zufrieden taucht Olga Schweigert einen Löffel in die weißliche Flüssigkeit und kostet. Sie steht am Herd einer modernen Einbauküche, auf dessen Ceranfeld die Champignonsuppe köchelt. Fehlt nur der Ruf ins Wohnzimmer: "Schatz, das Essen ist fertig!" Von solchen Konventionen ist Olga Schweigert aber weit entfernt. Die 28-Jährige ist nicht in ihrer heimischen Küche, sondern an ihrem Arbeitsplatz. Statt einer Schürze trägt sie einen weißen Laborkittel. Ihr Auftrag: die Zukunft des Kochens zu erfinden. Und damit Geld zu verdienen.

Olga Schweigert ist Lebensmitteltechnologin bei der Firma Kampffmeyer Food Innovation in Wilhelmsburg. Sie vermarktet Bindemittel für Fertigsuppen und -soßen, die keine künstlichen Zusatzstoffe enthalten - ein globaler Trend, den Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Nestlé, aber auch deutsche Hersteller wie Frosta längst als Verkaufsargument nutzen. "Das Misstrauen der Verbraucher vor unbekannten chemischen Zusätzen in Nahrungsmitteln wächst", sagt Schweigert, eine zierliche Frau mit blondem Pferdeschwanz. "Die Hersteller machen immer mehr Umsatz mit Produkten, die mit Attributen wie ,hausgemacht' oder ,natürliche Zutaten' werben."

Das Problem: In einer Dosensuppe oder einem Tiefkühlprodukt übersteht normales Weizenmehl industrielle Prozesse nicht unbeschadet. Nach dem Einfrieren setzen sich unappetitliche Klumpen ab. Deshalb werden viele Suppen und Soßen mit chemisch modifizierter Stärke gebunden. Das von Kampffmeyer Food Innovation entwickelte Bindemittel in der Champignonsuppe enthält hingegen ein speziell bearbeitetes Weizenmehl, das dieselben Eigenschaften mitbringt wie künstliche Stärke. Das Resultat: keine Klumpen in der Suppe, keine Haut, auch nach dem Auftauen eine cremige Substanz. Und in der Zutatenliste steht statt einer E-Nummer für künstliche Zusätze einfach "Weizenmehl" - wenn auch mit spezieller Mühlentechnologie, Hitze und Wasser auf Hochleistung getrimmt. Getreide so zu verarbeiten, dass es verschiedenste Funktionen erfüllt, das ist die Paradedisziplin von Kampffmeyer Food Innovation. Die Wilhelmsburger gehören mit ihren 110 Mitarbeitern zu den sogenannten Hidden Champions in Norddeutschland - also Firmen mit dem Rang von Weltmarktführern, die aber jenseits ihrer Branche kaum bekannt sind. Dabei ist Kampffmeyer Food Innovation dank ihrer Basisforschung rund ums Korn längst die weltweite Nummer 1 bei technologisch-funktionalisierter Getreideproduktion.

Man versteht sich als eine Art Hightech-Müller oder auch als die Apotheke der Konzernmutter VK Mühlen, für die als Europas größter Mühlengruppe reines Mehl im Vordergrund steht. "Wir arbeiten für Unternehmen, die mit innovativen Trendprodukten neue Märkte erschließen wollen", sagt Michael Gusko, Geschäftsführer von Kampffmeyer Food Innovation. Mit maßgeschneiderten Getreideprodukten für Großkunden wie Nestlé oder auch den Bäcker um die Ecke setzt seine Firma 35 Millionen Euro um und macht Gewinn. "In den vergangenen Jahren sind wir immer zweistellig gewachsen", sagt Gusko. Gut für Hamburg: 2010 schaffte die Firma 20 Arbeitsplätze und investierte 2,5 Millionen Euro in ein neues Versuchslabor samt Backstube.

Dort stehen übermannshohe Backöfen neben der Küchenzeile, wo Olga Schweigert ihre Champignonsuppe probiert. Holzschieber hängen an der Wand, Knetmaschinen, Mischanlagen und stählerne Laborgeräte stehen für Tests bereit. Der Raum ist weiß gekachelt, Sonnenschein fällt durch das Oberlicht. Hier sind in monatelangen Experimenten viele Produkte entstanden, die ihren Weg bereits in Supermärkte und Bäckereien gefunden haben. Omega-3-Brot zum Beispiel, dessen Fettsäuren aus Lachsöl gut für Gehirn und Kreislauf sein sollen. Oder der vegetarische Bäckerburger, der aus einer saftig-herzhaften Weizenfrikadelle im Brötchen besteht und sich im zunehmenden Außer-Haus-Konsum als Alternative zu umstrittenem Fleisch etablieren soll. Im Kommen ist auch weißes Vollkornmehl, das wegen seiner hellen Farbe vor allem von Kindern lieber gegessen wird als dunkles Brot und als besonders gesund gilt.

Am Anfang jeder neuen Erfindung steht die Marktforschung. "Wir orientieren uns an der Marktentwicklung in den USA", sagt Gusko. Die Amerikaner sind Europa etwa zehn Jahre voraus, was neue Trends anbelangt. Sobald sich herauskristallisiert, welche Zutaten gefragt sind, legen die Produktentwickler los. Sie lassen bei Züchtern leistungsfähige Getreidesorten anbauen, die hitzeresistent sind, einen bestimmten Geschmack oder die gewünschte Farbe haben. Im Labor isolieren Forscher dann die verschiedenen Schichten des Korns, um begehrte Wirkstoffe herauszufiltern. Allein in Deutschland beschäftigt Kampffmeyer Food Innovation 40 Vertriebsleute, um Kunden für Neuheiten zu begeistern.

In vielen Fällen melden auch die Lebensmittelproduzenten Wünsche an. So ist der Verkaufsschlager Ping-Pong entstanden, ein Trennmehl für Großbackstuben. Selbst bei hoher Luftfeuchtigkeit kleben Brötchen auf dem Laufband zum Ofen nicht fest. Zudem staubt Ping-Pong kaum und dämmt so die Berufskrankheit Bäckerasthma ein. "Mit unseren Spezialmehlen und Rezepturen sind wir bei fast jedem zweiten der 15 000 deutschen Bäcker präsent", sagt Gusko. Andere Mehle sind keimfrei, schimmeln nicht oder kleben Kürbiskerne auf natürliche Art auf dem Brötchen fest - der Fantasie der Entwickler sind kaum Grenzen gesetzt.

Das war auch der Grund für Olga Schweigert, nach ihrem Studium der Lebensmitteltechnologie in Bremerhaven den Job im Hamburger Süden anzunehmen. "Es ist faszinierend, wie einfach sich künstliche Zutaten aus unseren Lebensmitteln verbannen und durch hochveredeltes Getreide ersetzen lassen", sagt die junge Frau. "So können wir die traditionellen Kochrezepte unserer Großmütter mit einem modernen Lebensstil verbinden."