Forscher wollen Speisen von der Herstellung bis zum Verbraucher untersuchen

Hamburg. Steckt in der Verpackung wirklich das, was draufsteht? Schaden bestimmte Stoffe in Lebensmitteln womöglich der Gesundheit? Diesen Fragen soll die Hamburg School of Food Science (HSFS) nachgehen, die heute an der Universität Hamburg gegründet wird. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit der Lebensmittelwirtschaft geplant.

Bisher beschränkte sich die Ausbildung und Forschung in den Lebensmittelwissenschaften an der Universität auf das Institut für Lebensmittelchemie. Dort geht es darum, die Zusammensetzung von Lebensmitteln zu analysieren. Die HSFS soll früher ansetzen und schon die Herstellung des Essens unter die Lupe nehmen: "Es geht uns um die Sicherheit von Lebensmitteln und um Verbrauchertäuschung. Dazu müssen wir Lebensmittel entlang der gesamten Produktions- und Vertriebskette betrachten", sagt der Gründer, Prof. Markus Fischer, Direktor des Instituts für Lebensmittelchemie.

Fischer glaubt nicht, dass die Lebensmittelwirtschaft insgesamt ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Allerdings gebe es "einige schwarze Schafe" unter den Unternehmen, die bei den Zutaten schummelten, um Geld zu sparen. Die Mehrheit wolle hochwertige, sichere Produkte herstellen. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen fehle aber teilweise das Know-how, um sicherzustellen, dass Zutaten exakt in den Mengen verarbeitet würden, wie vorgesehen. Deshalb werde die Schule neue Methoden entwickeln, die sowohl bei der Herstellung als auch bei fertigen Produkten die Zutaten äußerst genau bestimmten könnten - um den Ehrlichen zu helfen und die Unehrlichen zu überführen.

Bei der Analyse von Speisen will Fischer es aber nicht belassen; Lebensmittelchemiker, Ernährungswissenschaftler und andere Forscher sollen interdisziplinär auch den Zusammenhang zwischen Essen und Gesundheit erforschen. Als Beispiele nennt Fischer die Entwicklung eines Früherkennungstests für Diabetes mit dem UKE und die Frage, welche Rolle bestimmte Nährstoffe für die Krankheit spielen.

Bisher gab es einen Studien- und Forschungsschwerpunkt zu Ernährungswissenschaften in Hamburg nur an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Er sehe die HSFS nicht als Konkurrenz, sagt Prof. Jan Fritsche, Leiter des Departments Ökotrophologie an der HAW: "Wir können gut zusammenarbeiten." Dennoch legt Fritsche Wert darauf zu betonen, "dass wir Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften schon seit 2005 als Bachelor-Studiengänge anbieten und in diesen Fächern bereits umfangreiche Forschungen durchgeführt haben".

Als Berater der Schule fungieren der Vizepräsident des Bundesinstituts für Risikoforschung, Prof. Reiner Wittkowski, hochrangige Wissenschaftler wie der Chemienobelpreisträger Prof. Robert Huber und die ehemalige UKE-Direktorin Prof. Ulrike Beisiegel sowie Vertreter der Lebensmittelwirtschaft wie Prof. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Der BLL ist ein Lobbyverband, er hat sich oft ganz oder teilweise gegen Vorhaben gestemmt, die mehr Transparenz bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln versprechen, etwa gegen die Lebensmittel-Ampel und das Internet-Portal "Klarheit und Wahrheit".

Im April hatte BLL-Präsident Werner Wolf in einer Rede das schlechte Image der Lebensmittelwirtschaft unter anderem mit einem nicht ausreichenden "Wissen um Lebensmittel" in der Bevölkerung begründet und angekündigt, das Image durch eine "mediengerechte Kommunikation" ändern zu wollen. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisierte die Rede in einem offenen Brief.

Markus Fischer sieht keinen Widerspruch zwischen dem Engagement des Lobbyverbands und dem Anliegen der Hamburg School of Food Science. "Für unser Projekt ist es wichtig, alle Positionen zu hören, und dazu gehört eben auch die Wirtschaft." Zwar sei die Einrichtung von der Ausbildung her wirtschaftsnah. "Unsere Absolventen sollen später ja auch Jobs in der Wirtschaft finden." Das Engagement aller Mitglieder des "Strategy Board" getauften Gremiums beschränke sich aber eindeutig auf die Beratung, sagt Fischer. "Wir sind von dem Gremium unabhängig. Was aus Ratschlägen folgt, entscheide ich als Angestellter der Universität." Die Finanzierung der Schule übernehme die Universität. Sponsoren schließt Fischer nicht aus - allerdings nicht von Seiten des Gremiums. Fischer: "Wir sind nicht käuflich."