Alle Warenhäuser bleiben im Rahmen des Zukunftsplans “Karstadt 2015“ erhalten - auch die Filiale an der Mönckebergstraße bleibt bestehen.

Hamburg. Andrew Jennings ist ein ausgesprochen scheuer Mensch. Vielleicht liegt es an den fehlenden Deutschkenntnissen des Briten, dass sich die Warenhauskette seit seinem Amtsantritt im Januar so verschlossen zeigt wie eine Auster. Offiziell drang in den vergangenen sechs Monaten jedenfalls so gut wie nichts über die neue Strategie des Unternehmens oder die Geschäftsentwicklung nach außen.

Am Freitag brach der ehemalige Woolworth-Manager und Sanierungsexperte nun endlich sein Schweigen - ein bisschen zumindest. Rund 1000 Beschäftigte in der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen wurden über den Zukunftsplan "Karstadt 2015" informiert, der Rest der insgesamt 25 000 Mitarbeiter muss darauf noch bis Anfang kommender Woche warten. Dann will Jennings eine ausführliche Videobotschaft verschicken.

Klar ist bislang nur so viel: Beim Umbau des Unternehmens will Jennings alle bundesweit 115 Standorte erhalten. Dies bestätigte ein Sprecher des Unternehmens. Derzeit betreibt Karstadt 86 Warenhäuser, drei sogenannte Premiumhäuser (Alsterhaus, KaDeWe, Oberpollinger) sowie 26 Sporthäuser. In Hamburg gibt es insgesamt elf Karstadt-Standorte, an denen rund 1500 Beschäftigte arbeiten.

Nach Informationen der "Welt" kündigte Jennings an, dass etwa die Hälfte der Häuser bis 2015 modernisiert werden soll. Zudem soll sich Karstadt stärker auf den Kunden ausrichten, mehr Eigenmarken, aber auch attraktive Industriemarken anbieten, sowie online aktiver werden. Das Internet spielt im Unternehmen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die Mitarbeiter sollen besser geschult und motiviert werden, indem sie stärker an Umsatzzuwächsen etwa ihrer Abteilungen beteiligt werden. Dafür sollen sie aber auch einen flexibleren Arbeitseinsatz akzeptieren.

Bei der Modernisierung der Häuser dürfte es unter anderem um eine Stärkung der Modeabteilungen sowie um eine Verkleinerung des Angebots an Unterhaltungselektronik gehen. Eine solche Umstellung läuft bereits in diversen Karstadt-Häusern. Unter anderem wurde auch die Filiale in Hamburg-Wandsbek in dieser Richtung umgebaut. Die Veränderungen werden nach Abendblatt-Informationen gut von den Kunden angenommen.

Bei den Beschäftigten kam vor allem die Ankündigung Jennings gut an, keine Einschnitte beim Personal vornehmen zu wollen. "Es hat sehr viel Applaus gegeben", beschrieb der Betriebsratsvorsitzende der Karstadt-Hauptverwaltung, Arno Leder, nach der Mitarbeiterinformation die Reaktion. "Alles das, was wir gehört haben, halten wir für machbar", sagte er. "Jennings vermittelt die Philosophie eines Warenhauses", lobte auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Hellmut Patzelt. "Das macht uns richtig Mut", sagte er der "WAZ"-Gruppe. "Kunde, Kunde, Kunde" sei die zentrale Botschaft des Managers gewesen.

Einzelhandelsexperten zeigten sich hingegen wenig beeindruckt von den bisher bekannten Neuerungen: "Die neue Strategie scheint vor allem aus kosmetischen Veränderungen zu bestehen, ist aber kein großer Wurf", sagte Jörg Funder, Professor für Handelsmanagement an der Fachhochschule Worms, dem Abendblatt. Im Bereich Mode fehle es Karstadt nach wie vor an bekannten Nobelmarken, die dem Kunden echtes Shoppingerlebnis vermittelten. Zudem bestehe bei vielen Karstadt-Immobilien ein erheblicher Sanierungsbedarf.

Generell vermisst Funder bei der Warenhauskette eine klare Ausrichtung auf eine Zielgruppe. "Es ist nicht klar, wofür Karstadt eigentlich steht." Es sei zwar richtig, das Angebot an Mode weiter auszubauen. "Doch dies wird nicht konsequent genug vorangetrieben", bemängelt der Experte. In Großbritannien gebe es beispielsweise die Kette Debenhams, die sich mit großem Erfolg auf Mode, Accessoires, Parfüms und Heimtextilien spezialisiert habe und eine klar definierte, überwiegend weibliche Zielgruppe anspreche. "Dies wäre auch ein Modell für Karstadt."

Wie es wirtschaftlich um die traditionsreiche Warenhauskette steht, lässt sich derzeit nur schwer beurteilen. Noch im vergangenen Jahr steckte Karstadt in der Insolvenz und konnte nur durch das Engagement des smarten Investors und Milliardärs Nicolas Berggruen vor dem Untergang bewahrt werden. Es dauerte mehrere Monate, bis der Deutsch-Amerikaner und Sohn des bekannten Kunstsammlers Heinz Berggruen mit dem mächtigen Vermieterkonsortium Highstreet auskömmliche Mietverträge ausgehandelt hatte und das Geschäft perfekt war.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sollen die Umsätze von Karstadt laut mehrerer Medienberichte um rund vier Prozent zurückgegangen sein. Berggruen selbst sagte vor wenigen Wochen lediglich, das Unternehmen liege bei der Sanierung "im Plan" und solle in einem Jahr "profitabler" sein.

Doch gerade 2012 könnte für Karstadt zu einem Schicksalsjahr werden. Im August läuft nämlich der mit der Gewerkschaft Ver.di ausgehandelte Sanierungstarifvertrag aus, der die Gehälter der Beschäftigten deckelt. Dann muss Karstadt wieder den normalen Tariflohn zahlen, was die Personalkosten um 40 bis 50 Millionen Euro in die Höhe treiben dürfte. Bis dahin gilt auch die Beschäftigungs- und Standortgarantie, zu der Berggruen sich verpflichtet hat.

Es wäre also besser, wenn Karstadt-Chef Jennings das Unternehmen so bald wie möglich auf einen Wachstumspfad zurückführt. Sonst könnten alte Gräben zwischen Management und Beschäftigten wieder aufbrechen.