Charterreedereien spüren den härteren Wettbewerb um Marktanteile. Das Abendblatt sprach mit dem Hamburger Reeder Claus-Peter Offen.

Hamburg. Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 kämpft die Containerschifffahrt wieder mit sinkenden Frachtraten. Hintergrund dafür sind die noch im Boom bestellten Neubauten, die jetzt eingesetzt werden. Die Tonnage wächst damit schneller als die Ladungsmengen. Das Abendblatt sprach mit Claus-Peter Offen, dem weltgrößten Containercharterreeder, über Wege aus der neuen Krise, immer größere Schiffe und die Zukunft der Seefahrt unter deutscher Flagge.

Hamburger Abendblatt:

Die Schifffahrt rutscht in eine neue Krise. Trotz des Zuwachses von jährlich um die neun Prozent im Seetransport sind die Frachtraten seit Jahresbeginn um bis zu 40 Prozent gesunken, weil zu viel neue Tonnage auf den Markt kommt. Kommen diese Signale vom Markt auch bei den Charterreedereien an, von denen die Linienreeder Frachter mieten?

Claus-Peter Offen:

Tatsächlich sind in den vergangenen zwei bis drei Monaten die Preise für Charterschiffe leicht gesunken. Das hat wohl vor allem mit dem härteren Wettbewerb zwischen den großen Linienreedereien zu tun. Dieser verstärkte Wettbewerb findet erstaunlicherweise statt, obwohl die Schiffe nach unseren Beobachtungen zu mehr als 90 Prozent gefüllt sind.

Kann es sein, dass Großreedereien wie MSC und Maersk mit ihren Schiffsriesen auch bei niedrigeren Preisen für die Fracht ausreichend Geld verdienen?

Offen:

Das liegt nahe. Denn Schiffe mit mehr als 10 000 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU) sind besonders wettbewerbfähig, weil sie im Vergleich zu kleineren Frachtern beispielsweise weniger Treibstoff pro Container verbrauchen. Das haben jetzt offensichtlich auch andere Reedereien erkannt und ebenfalls Riesen mit 12 000 oder 13 000 Stellplätzen bestellt. Absehbar ist, dass künftig in jedem Fahrtgebiet die größten dort einsetzbaren Schiffe die Preise für den Transport von Containern bestimmen.

Wird das Verhältnis zwischen Tonnage und Transportmenge künftig aber nicht noch stärker aus dem Ruder laufen, wenn alle auf große Schiffe setzen?

Offen:

Das hängt davon ab, wie sich das weltweite Wachstum entwickelt. Wächst die Transportmenge in den kommenden drei Jahren weiterhin zweistellig, gibt es kein Problem. Wenn es anders kommt, werden kleinere Schiffe von den Asienrouten in andere Regionen umgeleitet. Das könnte dort zu sinkenden Frachtraten führen, und die würden auch wir Charterreeder dann spüren.

Wie ist die Lage bei den deutschen Charterreedereien, die weltweit die meisten Containerfrachter einsetzen?

Offen:

Nach der Krise von 2009 insgesamt erholt. Die Charterraten sind seit 2009 teilweise um 300 bis 400 Prozent gestiegen. Das war bei kleineren Frachtern mit weniger als 3000 Stellplätzen aber auch nötig. Ihre Raten sind immer noch nicht kostendeckend. Dagegen fahren die größeren Schiffe inzwischen wieder leichte Gewinne ein.

Ihre Reederei schreibt schwarze Zahlen?

Offen:

Ja. Während der Finanzkrise mussten wir bis zum Frühjahr 2010 bis zu 18 Schiffe stilllegen. Sie fahren heute alle wieder. Mit 93 Containerschiffen mit 550 000 Stellplätzen sind wir unter den Charterreedereien wohl die weltweit größte. Bis Ende 2011 kommen noch zwölf Neubauten, davon vier mit 14 000 Containerstellplätzen. Sie sind langfristig an MSC verchartert. Das Investitionsvolumen ist komplett durchfinanziert. Weitere Neubauten sind derzeit jedoch noch nicht geplant.

Themawechsel. Die Bundesregierung will die Zuschüsse für die Lohnnebenkosten für Schiffe unter deutscher Flagge um die Hälfte kürzen. Steht die Branche deshalb vor einer Ausflaggungswelle?

Offen:

Dafür besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit. Einfach weil wir den Anlegern nicht zumuten können, noch weitere 100 000 Euro pro Jahr und Schiff zusätzlich zu zahlen. Bisher wurden die Mehrkosten von 250 000 Euro für ein Schiff auf fünf Schiffe verteilt, das haben die Anleger akzeptiert. Wenn aber die Bundesrepublik kein Interesse mehr an der deutschen Flagge hat, werden auch Anleger und Reeder nicht mehr bereit sein, ihren Beitrag zu leisten. Es geht aber um mehr. Ohne Schiffe unter deutscher Flagge brauchen wir keine deutschen Seeleute mehr auszubilden. Damit kämen auch diese Aktivitäten zum Erliegen. Für mich handelt die Regierung leichtfertig.

Sie gelten als Verfechter der deutschen Flagge ...

Offen:

... von unseren derzeit 93 Containerfrachtern laufen 22 unter deutscher Flagge. Die geforderte Quote von etwa 20 Prozent wird mehr als erfüllt. Die Reederei bildet derzeit mehr als 50 junge Menschen aus, zwei unserer Containerriesen wurden als Ausbildungsschiffe ausgerüstet. Das nun alles infrage zu stellen ärgert mich. Schon weil ich glaube, dass wir als bedeutende Exportnation eine Flotte unter deutscher Flagge haben sollten.

Dennoch stehen auch Schiffe der Reederei Offen vor dem Ausflaggen?

Offen:

Noch sind Gespräche mit Verkehrsminister Peter Ramsauer geplant. Die müssen wir abwarten. Wenn es bei der Entscheidung der Regierung bleibt, werden wir uns ernsthaft mit dem Ausflaggen befassen müssen.