Marktführer Aral plant die flächendeckende Einführung. Eine Furcht vor Kundenreaktion macht sich bemerkbar. Ende August geht es los.

Hamburg. Im Süden und Osten der Republik gibt es den umstrittenen Ökosprit E10 schon länger, im Norden lässt er bisher noch auf sich warten. Doch nun soll die Benzinsorte mit zehn Prozent Ethanol-Anteil in wenigen Monaten auch in Hamburg und Umgebung flächendeckend verfügbar sein. Der Marktführer Aral prescht vor. "Wir werden mit der Einführung von E10 Ende August oder im September in der Region beginnen", sagt Aral-Sprecher Detlef Brandenburg dem Abendblatt.

Damit kommt der neue Sprit allerdings deutlich später als politisch gewollt. Denn nach dem Willen des Bundesumweltministeriums hätte er bereits im ersten Quartal in ganz Deutschland angeboten werden sollen. Dazu kam es nicht, weil die Kunden Angst hatten, E10 schade ihrem Motor. So griffen sie lieber weiter zum Superbenzin mit fünf Prozent Ethanol (E5), und die Mineralölkonzerne, die zu Jahresbeginn die Tankstellen in Süd- und Ostdeutschland auf die neue Sorte umgerüstet hatten, blieben auf E10 sitzen.

Tatsächlich vertragen nur rund zehn Prozent aller in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge den höheren Ethanol-Anteil nicht. Die restlichen 90 Prozent haben keine Probleme. Dennoch ist den Tankstellenbetreibern, die bereits einen zweistelligen Millionenbetrag investiert haben, der Spaß am neuen Sprit vergangen. Weil sich zu wenige Abnehmer fanden, haben sie ihr ambitioniertes Programm zur Umrüstung auf E10 vorübergehend gestoppt.

Eigentlich könnten die Konzerne E10 auch im Norden sofort anbieten, nachdem die Raffinerie Heide in Dithmarschen auf die neue Sorte umgestellt wurde. Aber die Branche zögert weiter und nimmt nur vereinzelt den Sprit ins Sortiment. Unter anderem bieten Jet und einige konzernunabhängige Stationen das umstrittene Benzin schon an. Die anderen warten ab. "Wir beobachten den Markt", sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber dem Abendblatt. Ähnliche Reaktionen gibt es von anderen Tankstellenbetreibern.

Keiner der großen Marktteilnehmer wollte bisher der erste Anbieter im Norden sein und riskieren, dass die Kunden dann zur Konkurrenz fahren. Denn noch immer steht laut Karin Retzlaf vom Mineralölwirtschaftsverband nur jeder vierte Autofahrer, der Benzin tankt, E10 offen gegenüber. Der Rest tankt weiter E5, obwohl diese Sorte rund drei Cent pro Liter teurer ist. Die Branche wartet nun auf Marktführer Aral, doch der hat vor der Umrüstung seiner Stationen im Norden zunächst andere Probleme zu lösen. Das Unternehmen baut gerade im Süden und Osten die zuvor auf E10 umgeflaggten 1200 der insgesamt 2500 Stationen um. Der neue Sprit bleibt zwar im Angebot, bekommt aber wegen der geringen Nachfrage einen kleineren Tank zugewiesen als Super E5. Und diese Umrüstung dauert laut Brandenburg noch rund drei Monate.

"Der Markt ist völlig durcheinander", sagt Rainer Wiek, Chefredakteur vom Branchenblatt "Energie Informationsdienst". Dennoch geht er davon aus, dass es zügig zur flächendeckenden Einführung kommt. Die Branche ist dazu gezwungen. Laut Gesetz muss sie eine Biospritquote von 6,25 Prozent erfüllen. Erreicht sie diese nicht, kommt auf die Firmen eine saftige Strafzahlung zu. Würde ab sofort kein Kunde bundesweit mehr E10 tanken, wären rund 300 Millionen Euro Strafe bis April 2012 fällig. Dann wird mit dem Umweltministerium abgerechnet. Die Konzerne machen inzwischen keinen Hehl mehr daraus, dass sie mit einem Bußgeld rechnen. "Wir hätten E10 als Hauptsorte verkaufen müssen, um die Biospritquote zu erfüllen. Das lässt sich in diesem Jahr nicht mehr schaffen. So müssen wir eine zusätzliche Abgabe für die Umwelt an den Staat leisten - ähnlich wie die sogenannte Ökosteuer", sagt Esso-Sprecherin Gabriele Radke. Die Zeche zahlt am Ende der Kunde. Denn die Verteuerung des bisherigen Super E5 um rund drei Cent pro Liter spült das nötige Geld für die Strafzahlung in die Kasse der Konzerne. Eigentlich war die Preiserhöhung politisch gewollt und sollte dazu dienen, die Autofahrer für die billigere Sorte E10 zu begeistern. Doch das ist bisher nicht gelungen.