Nicht überall, wo E10 draufsteht, ist der Kraftstoff auch drin. Das Hamburger Abendblatt machte den Test an vier Jet-Tankstellen der Hansestadt.

Hamburg. Die Einführung des neuen sogenannten Biosprits E10 nimmt in Hamburg immer groteskere Züge an. Bisher hörte man von den großen Mineralölkonzerne unisono, in der Stadt sei die neue Sorte mit einem zehnprozentigen Ethanolanteil noch nicht eingeführt worden. Deshalb suchten die Autofahrer das E10-Hinweisschild auch vergeblich. Doch nun erfuhr das Abendblatt, zumindest beim Tankstellenbetreiber Jet wird mit dem neuen Sprit offensiv an Zapfsäule und Preistafel geworben, doch aus der Zapfpistole kommt nicht selten weiterhin der etablierte E5-Sprit. Bei vier Stationen am Neuen Kamp, in der Amsinckstraße, der Wandsbeker Chaussee und Steilshooper Allee wurde nachgefragt. Bei den ersten beiden hieß es, man verfüge über die neue Sorte. Bei den beiden letzteren lautete die Antwort, der Begriff E10 sei nur vorsorglich angebracht worden, das neue Benzin sei aber gar nicht da.

Die Hamburger Jet-Zentrale bestätigte gestern dem Abendblatt, dass E10 nur an einigen Stationen "zumindest zeitweilig" vorhanden sei. Die flächendeckende Einführung in der Stadt sei bislang gescheitert, weil die norddeutschen Lieferstellen nicht genug von dem neuen Sprit beschaffen konnten.

Shell, Esso, Aral und auch der Betreiber HEM hingegen verzichten in Hamburg aus dem gleichem Grund bislang komplett auf die Einführung der neuen Sorte. Die norddeutschen Raffinerien in Hamburg und Heide produzieren noch das bisherige Superbenzin mit einem fünfprozentigen Ethanolanteil. Vor allem die ostdeutschen Anlagen Schwedt und Leuna haben bislang den neuen Sprit nach Süd-, West- und Norddeutschland geliefert. Aber weil die Kunden den Kraftstoff nicht wollen, rüsten beide Betriebe wieder auf die bisherige Supersorte E5 um. Das kostet Geld und Zeit. Auch die Mineralölkonzerne haben keine Freude an der von der Politik verordneten Biosorte. "Wir haben die Umstellung auf E10 im Norden bis auf Weiteres gestoppt", sagte Shell-Sprecherin Cornelia Wolber. Auch Esso wartet laut Sprecherin Gabriele Radke ab: "Es fehlt die Akzeptanz der Kunden für E10 als Hauptsorte." 70 bis 90 Prozent der Autofahrer lehnen die neue Kraftstoffsorte laut Umfrage ab, weil sie Angst um ihren Wagen haben. Aber tatsächlich vertragen nur zehn Prozent der Autos E10 nicht. Unter www.dat.de ist im Internet aufgeführt, für welche Modelle der Sprit zugelassen ist und für welche nicht.

Und die Probleme sind noch gravierender. Weil in der Hoffnung auf den großen Ansturm auf E10 in Ost- und Süddeutschland zu viel von dem neuen Sprit produziert wurde, kam die Herstellung des weit verbreiteten E5 zu kurz. Doch genau dieses Benzin wollen die Kunden im Tank - und zwar nicht nur in Hamburg, sondern überall in Deutschland. Während in der Hansestadt genug Superbenzin E5 vorhanden ist, muss zum Beispiel Esso inzwischen extra Tanklaster von Hamburg aus auf den Weg nach Berlin schicken, um die dortigen Stationen des Konzerns mit Super E5 zu beliefern. Denn trotz der laufenden Rückumrüstung von Schwedt und Leuna ist bislang noch nicht genug E5-Sprit vorhanden. Der Mitbewerber HEM lässt extra Tanklastwagen von Rostock nach Hamburg kommen, befüllt sie mit Super, um seine Stationen an der Ostsee zu versorgen.

Aral und andere Wettbewerber planen bereits an ihren wichtigsten Zapfsäulen, also jenen mit den größten Vorratstanks unter der Erde, wieder E5 anzubieten, und das von der Bundesregierung gewollte E10 an die Zapfpistole mit kleinerem Lagertank zu verbannen. Das kostet ebenso Geld wie die Umrüstung der Raffinerien und der Transport von Sprit per Lkw quer durch die Republik. Experten rechnen mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Erwartet wird, dass die Konzerne diese Ausgaben vom Autofahrer an der Tankstelle zurückfordern werden. Über höhere Spritpreise. Wer zu Ostern tanken musste, hat dies bereits zu spüren bekommen. In Hamburg kostete der Liter Super während der Feiertage den Rekordpreis von 1,619 Cent.