In einigen Jahren könnte es keine Länder mit Bestnote für ihre Bonität mehr geben, sagen Experten. Sogar den USA droht eine Herabstufung.

Hamburg. Es ist ein exklusiver Klub: Nur 20 Länder, darunter Deutschland, Frankreich, die Schweiz, die Niederlande, Australien, Neuseeland und Kanada führen die Bestnote "AAA" der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) für die Bonität der Staatsschulden. Doch ausgerechnet die führende Volkswirtschaft der Welt läuft nun Gefahr, aus diesem Klub ausgeschlossen zu werden.

Denn S&P hat den Ausblick für die Ratingnote der USA von "Stabil" auf "Negativ" heruntergestuft. Das ist keine leere Drohung: Mehr als die Hälfte der Länder, die von der Agentur so "verwarnt" wurden, erhielten später tatsächlich eine schlechtere Note.

"Die Entscheidung von S&P verdient großen Respekt, und sie ist folgerichtig", sagt Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt bei UniCredit. Letztlich komme sie sogar einem "Tabubruch" gleich. Denn: "Den Ratingagenturen wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, die USA in ihrer Beurteilung zu schonen" - während gleichzeitig die Bewertungen für die europäischen Krisenländer kräftig nach unten genommen wurden.

"Dieser Warnschuss für die USA war seit mindestens eineinhalb Jahren überfällig", sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann dem Abendblatt. "Man hatte den Eindruck, dass die Regierung in Washington Druck ausübt, um ihn abzuwenden." Tatsächlich seien die USA stärker verschuldet als die meisten europäischen Länder. So liegt die Schuldenstandsquote in diesem Jahr nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei knapp 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ungefähr gleichauf mit Portugal. Und das amerikanische Haushaltsdefizit wird vom IWF auf 10,8 Prozent des BIP veranschlagt. Damit stehen die USA weit schlechter da als Griechenland, dort sind es 7,4 Prozent.

Nicht zuletzt der anhaltende Streit zwischen den beiden politischen Lagern in den USA über den Haushalt hatte die Ratingagentur schließlich doch zum Handeln veranlasst. "An dem Schuldenproblem wird sich kurzfristig nichts ändern, solange die Republikaner Steuererhöhungen blockieren und die Demokraten Ausgabenkürzungen verhindern", sagt Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Universität Hannover, dem Abendblatt. "Und im nächsten Jahr ist in Amerika Wahlkampf - keine gute Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung."

Aus diesem Grund hält es Homburg für wahrscheinlich, dass die USA ihre AAA-Note in einem bis zwei Jahren verlieren. Für die weltweiten Finanzmärkte hätte dies gravierende Folgen. "Das wäre der Anfang vom Ende der Leitwährung Dollar", sagt Hansmann. Umwälzungen auf den internationalen Finanzmärkten wären unausweichlich, schon weil große Fonds durch ihre Anlagerichtlinien gehalten sind, einen erheblichen Teil ihres Kapitals in Papieren mit AAA-Einstufung zu halten. "Die amerikanische Staatsanleihe hätte ihre Rolle als sicherer Hafen verloren", so Rees. "Gewinner dürften wohl vor allem Bundesanleihen sein."

Schon durch die jüngste S&P-Entscheidung könne sich der Trend festigen, dass Deutschland besonders bei Anleihen mit längerer Laufzeit weniger Zinsen zahlen müsse als die USA, hieß es gestern laut der Nachrichtenagentur Reuters in Regierungskreisen in Berlin. Langfristig gesehen könnten sich die Perspektiven nach Einschätzung von Experten allerdings auch für Deutschland mit seinem Schuldenberg von 2000 Milliarden Euro eintrüben. "Es kann gut sein, dass wir in zehn bis 20 Jahren gar keine Länder mit AAA-Rating mehr haben", sagt Hansmann.

Stefan Homburg geht sogar noch weiter: "Staatsanleihen sind zu einer eher riskanten Anlage geworden. Ich kenne fortschrittliche Vermögensverwalter, die schon vor zwei Jahren aus US-Staatspapieren ausgestiegen sind." Im März zogen auch die Manager des weltweit größten Rentenfonds die Reißleine, was erhebliches Aufsehen erregte: Der Pimco Total Return Fund einer amerikanischen Tochter des Münchner Allianz-Konzerns hat alle US-Staatsanleihen verkauft. Noch im Januar hatte ihr Bestand immerhin 28,6 Milliarden Dollar (20 Milliarden Euro) betragen. Derartige Entwicklungen sind auch für deutsche Privatanleger bedeutsam, weil die Kundengelder von Riester-Renten und Lebensversicherungen zu einem nicht geringen Teil in Staatsanleihen investiert sind.

Dabei sieht Homburg die europäische Gemeinschaftswährung als Risiko für die Bewertung dieser Papiere: "Norwegen wird wohl keine Schwierigkeiten haben, aber Deutschland und Frankreich schon. Denn ihre Bonität wird durch die Euro-Rettungspakete immer weiter ausgehöhlt." Und ebenso wie in den USA werde das Schuldenproblem nicht wirklich entschlossen bekämpft: "In Europa hat man überhaupt keine Strategie. Das zeigt sich schon darin, dass jetzt sogar der Internationale Währungsfonds eine Umschuldung Griechenlands anregt."