Nach der Katastrophe von Fukushima decken sich Teetrinker mit der alten Ernte aus 2010 ein. Diskussion um Grenzwerte bei Lebensmitteln.

Hamburg. Vorsichtig schwenkt Thomas Grömer den kleinen Bambusbesen in der Teeschale. Mit geübten Schlägen schäumt der Europachef des japanischen Teeproduzenten Aiya das Pulver auf, bis sich eine tiefgrüne, leicht bitter schmeckende Masse ergibt. Matcha nennt sich die Grüntee-Spezialität, der jede Menge gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden. Blutdrucksenkend soll das Getränk sein, entschlackend und vitaminreich.

Doch von diesen positiven Eigenschaften will im Augenblick kaum jemand etwas wissen. Stattdessen sorgen sich passionierte Teetrinker nach dem Reaktorunglück von Fukushima um eine mögliche radioaktive Belastung ihres Lieblingsgetränks. "Wir spüren derzeit eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Tee aus der Ernte vor der Katastrophe, die auf jeden Fall unbelastet ist", sagt Grömer. Einzelne norddeutsche Geschäfte, die der Marktführer bei grünem Tee beliefert, berichten gar von Hamsterkäufen. "Die Kunden sind verunsichert", sagt der Aiya-Chef.

Noch bis zum Frühsommer wird nach Grömers Einschätzung ausschließlich grüner Tee aus der Ernte des vergangenen Jahres in Deutschland erhältlich sein. "Die Ernte des neuen Tees beginnt im Mai, danach dauert es einige Wochen, bis die Ware hier verfügbar ist." Derzeit sprießen in Japan gerade die ersten grünen Spitzen aus der Erde. "Wir haben jetzt Proben genommen und lassen sie in einem Hamburger Labor auf mögliche radioaktive Belastung prüfen", erklärt der Chef. Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch angesichts der Lage der Teefelder hält Grömer eine Kontamination für unwahrscheinlich. "Unser Tee wird auf der Insel Kyushu angebaut, etwa 1500 Kilometer südlich von Fukushima." Sollte sich aber dennoch eine Belastung zeigen, werde man die Ware selbstverständlich nicht verkaufen. Dies allerdings wäre ein harter Schlag für das Unternehmen, das jährlich bis zu 2000 Tonnen feinsten Grüntee produziert und in die ganze Welt exportiert.

So wie die Teefirma Aiya sehen sich derzeit zahlreiche japanische Nahrungsmittelhersteller mit den Sorgen ihrer Kunden konfrontiert. Fische, Meeresfrüchte, grüner Meerrettich, Nudelgerichte oder Sojasaucen aus dem asiatischen Land stehen unter Generalverdacht. Bislang geben Verbraucherschützer aber Entwarnung. "Aktuelle Proben vom Frankfurter Flughafen weisen keine erhöhte Belastung mit Radioaktivität auf", sagt Silke Schwartau, Ernährungsexpertin der Hamburger Verbraucherzentrale. Schiffe mit japanischen Lebensmitteln, die nach der Katastrophe geerntet wurden, seien aufgrund des langen Transportwegs erst in den kommenden Wochen zu erwarten. Insgesamt würden nur sehr wenige Lebensmittel aus Japan nach Deutschland importiert. Europaweit liege der Anteil gerade bei 0,1 Prozent.

Künftig will Schwartau eine Belastung von Fischen aus dem Nordwestpazifik, der an Japan grenzt, aber nicht ausschließen. Neben Scholle, Kabeljau und Dorsch wird hier auch der beliebteste deutsche Speisefisch, der Alaska-Seelachs, gefangen.

Auf heftige Kritik stößt bei Verbraucher- und Umweltschützern die Tatsache, dass die EU am vergangenen Wochenende eine Notfallverordnung in Kraft setzte, durch die in Deutschland jetzt höhere Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln als zuvor gelten. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace stufte die Verordnung am Freitag gar als "rechtswidrig" ein. Bei japanischem Importfisch hätten sich die erlaubten Cäsium-Werte von 600 Becquerel pro Kilo auf 1250 Becquerel mehr als verdoppelt, sagte Greenpeace-Chemiker Manfred Santen. Bei Milcherzeugnissen sei der Grenzwert von 370 auf 1000 Becquerel gestiegen. Eine Änderung bestehender Grenzwerte ist nach Auffassung von Greenpeace jedoch nur rechtens, wenn sie eine Verbesserung des Verbraucherschutzes bedeutet. Das sei bei der Entscheidung der EU aber nicht der Fall.

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