EU-Parlamentarier und Verbraucherschützer sprechen sich für Kennzeichnungspflicht von Klontiernachfahren aus. Deutschland ist dagegen.

Hamburg. In der Europäischen Union ist ein heftiger Streit über den Umgang mit Klonfleisch entbrannt. Während das EU-Parlament erreichen will, dass Fleisch, Milch und andere Produkte von Klontiernachkommen verboten oder zumindest gekennzeichnet werden, blockieren Deutschland und andere Mitgliedstaaten eine entsprechende Einigung. Eine Sitzung des Vermittlungsausschusses zwischen Parlament und EU-Kommission endete in dieser Woche mit einem Eklat und musste abgebrochen werden.

Derzeit werden in der EU geklonte Tiere selbst zwar nicht zu Lebensmitteln verarbeitet. Es kann aber sein, dass sich Fleisch und Milch von Klontiernachfahren, die mit Bullensperma aus den USA oder Lateinamerika gezeugt wurden, im Handel befinden.

Er sei "entsetzt über die Halsstarrigkeit" der Mitgliedstaaten, auch die Kommission habe "zu viel Appetit auf Klonfleisch", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese. Eine Lösung sei vor allem an der Berliner Blockadehaltung gescheitert, die den Verbraucherwillen missachte, schimpfte die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt. Aus deutschen Diplomatenkreisen wurde den Abgeordneten hingegen "ein billiger Versuch" unterstellt, Druck auszuüben. Es gebe andere Länder, die sich energischer gegen eine weitgehende Kennzeichnungspflicht wehrten. Die ungarische Ratspräsidentschaft und Kommission konstatieren, die Parlamentsforderungen machten "einen Stammbaum für jede Scheibe Käse oder Salami" notwendig, das sei "schlicht unmöglich".

Ungarn muss jetzt den Streit schlichten, eine vorerst letzte Verhandlungsrunde wurde auf den 28. März angesetzt. Scheitert auch diese, bleibt alles beim Alten. Das heißt: Steaks, Schnitzel und Käse von Klontiernachkommen landen auch weiterhin auf deutschen Tellern, ohne dass die Verbraucher davon erfahren. Denn zurzeit müssen nur Klontiere selbst zugelassen werden, nicht aber deren Nachfahren.

Die Praxis sieht nach Angaben von Gesundheitspolitiker Liese so aus: Deutsche Landwirte bestellen sich - aus dem Katalog - Samen von Zuchtbullen aus den USA. Mit dem Bullensperma werden Rinder gezüchtet und deren Fleisch oder deren Milch verkauft. Bei einigen dieser Zuchtbullen kann es sich um Klontiere handeln, genaue Zahlen gibt es wegen der fehlenden Kennzeichnungspflicht nicht. "Wir gehen davon aus, dass es bereits heute weltweit einige Hunderttausend Nachfahren von Klontieren gibt", sagte Liese dem Abendblatt. Aus Sicht des Gesundheitsexperten handelt es sich beim Klonen um Tierquälerei. Die große Mehrheit der geklonten Embryos entwickle sich nicht vollständig. "Viele, die geboren werden, sterben innerhalb weniger Tage an Herz-Kreislauf-Versagen, Atemproblemen, Immunschwäche oder anderen Krankheiten." Nur die wenigsten Tiere hätten am Ende die vom Züchter gewünschten Eigenschaften.

Nach Angaben der Parlamentarier wäre es eine Kleinigkeit, die Züchter zu einer Kennzeichnung von Klontieren zu verpflichten. Aus der EU-Kommission heißt es dagegen, der Eingriff könne gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen. Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat entsprechende Bedenken.

Bundesverbraucherministern Ilse Aigner (CSU) deutet jetzt immerhin eine begrenzte Kompromissbereitschaft an: Bei der ersten Generation von Klontiernachkommen sei eine Kennzeichnung möglich, sagte die Politikerin. "Bei den weiteren dürfte es praktikabel schwierig sein."

In Diplomatenkreisen hieß es, unter den Mitgliedstaaten sei am Ende wohl eine Mehrheit für ein begrenztes Label möglich. Damit würden die Verbraucher immerhin erfahren, ob sie das Filet eines direkten Klontiernachkommen verzehren. Die Klontier-"Enkel" würden weiterhin ungekennzeichnet bleiben. Ob sich das Parlament darauf einlassen wird, ist bislang noch offen.