Empfehlungen zur Schuldenkrise dürften die Erwartungen aber verfehlen, sagen Experten

Hamburg/Brüssel. Die Regierungschefs der 17 Euro-Länder haben sich am Freitagabend auf einen "Pakt für den Euro" verständigt. Demnach werden sich die Staaten künftig bei der Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik enger abstimmen. Sie wollen so versuchen, die Turbulenzen an den Finanzmärkten zu beenden. Hohe EU-Kreise äußerten allerdings im Vorfeld die Befürchtung, dass die neue Vereinbarung allein nicht ausreichen dürfte. "In der kommenden Woche könnten die Risikoaufschläge für Wackelkandidaten weiter steigen", sagte ein EU-Spitzendiplomat der Zeitung "Die Welt". "Dieser neue Pakt ist eine leere Hülle", hieß es weiter.

Der "Pakt für den Euro" sieht eng miteinander abgestimmte Reformen in allen Mitgliedsländern vor. Die Regierungschefs der Euro-Zone vereinbarten bei ihrem Sondertreffen in Brüssel, künftig alles zu tun, um in ihren Ländern die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung zu fördern, die Finanzstabilität zu stärken und die öffentlichen Haushalte "tragfähig" zu machen. "Die Wahl der konkreten politischen Maßnahmen, die für die Erreichung der gemeinsamen Ziele zu treffen sind, verbleibt in der Verantwortung jedes einzelnen Landes", heißt es im Entwurf der Gipfelerklärung. Sie hat den Charakter einer Selbstverpflichtung.

Was passiert, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden, lässt die Erklärung jedoch offen. Von Sanktionen ist darin nicht die Rede. Der Pakt zur stärkeren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in Europa bleibt damit voraussichtlich hinter den ursprünglichen Forderungen der Bundesregierung zurück.

Auf dem Sondergipfel der 17 Euro-Staaten wurden erste Absprachen getroffen, bevor im Kreis aller 27 EU-Länder am 24. und 25. März Beschlüsse zu weiteren Maßnahmen gegen die Schuldenkrise gefasst werden. Es geht dabei vor allem um drei Themenkomplexe. Diese sind eine Anpassung des bis zum Jahr 2013 befristeten aktuellen Euro-Rettungsschirms, die Ausgestaltung des künftigen permanenten Hilfsfonds sowie ein Pakt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, damit die wirtschaftlich schwächeren Staaten näher zu den stärkeren aufschließen können.

Alle drei Themen sind unter den Euro-Ländern umstritten. Eine größere Zahl von ihnen befürwortet eine Aufstockung des derzeitigen Rettungsfonds, sodass er effektiv Hilfskredite von 440 Milliarden Euro vergeben könnte - bisher sind dies nur 250 Milliarden Euro. Bislang hat nur Irland diesen Fonds in Anspruch genommen, für Griechenland war zuvor ein separates Paket geschnürt worden.

Etliche Experten gehen jedoch davon aus, dass auch Portugal unter den Schirm schlüpfen muss. Beobachtern zufolge ist Kanzlerin Merkel zwar gegen eine vorsorgliche Ausweitung des Rettungsfonds. Es gilt aber als nicht unwahrscheinlich, dass sie dennoch zustimmt. Außerdem fordern Griechenland und Irland niedrigere Zinsen auf die Hilfskredite und längere Laufzeiten dieser Darlehen.

Im Gegensatz zu den bisherigen Hilfspaketen soll die für das Jahr 2013 angekündigte Nachfolgelösung, deren Umfang noch nicht feststeht, auch eine Risikobeteiligung der privaten Anleiheinvestoren enthalten. Im Klartext: Diese Gläubiger sollen auf einen Teil ihres Geldes verzichten müssen, wenn ein Euro-Land insolvent würde. "Ich kann mir vorstellen, dass man sich darauf einigt, wie hoch der Verzicht der privaten Gläubiger für diesen Fall sein wird", sagte der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann dem Abendblatt. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte einen Abschlag von 30 Prozent ins Gespräch gebracht. Zwar sei mit einer frühen Festlegung das Risiko verbunden, dass die Renditen der Staatsanleihen weiter steigen, gibt Hansmann zu bedenken. "Aber am Markt hat man längst eingesehen, dass es wohl nicht ohne solche Einbußen geht, und möchte endlich Klarheit."

Der dritte Komplex, über den auf dem Vorgipfel gesprochen wurde, war der heikelste: der "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit", auf den Deutschland besonders hohen Wert legt. So wollte Merkel etwa das Renteneintrittsalter in der Euro-Zone stärker vereinheitlichen - möglichst auf die in Deutschland geltenden 67 Jahre. Doch das war nicht durchsetzbar. Nun heißt es, die Euro-Länder sollen das Rentenalter an die demografische Entwicklung anpassen.

Auch der Wunsch der Deutschen, wie in der Bundesrepublik auch in anderen Ländern Schuldenbremsen in der Verfassung festzuschreiben, wurde nicht realisiert. Eher allgemein heißt es im Beschluss, alle Euro-Länder verpflichteten sich zum Sparen. "Es wäre schon viel gewonnen, wenn sich wenigstens alle an die Maastricht-Kriterien hielten", sagte Hansmann. Nur wenige Euro-Staaten erfüllen diese Bedingungen, wonach das Haushaltsdefizit höchstens drei Prozent und der Schuldenstand höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. 2011 werden wohl nur Deutschland, Finnland und Luxemburg das Neuverschuldungskriterium einhalten.

Hansmann sah im Vorfeld allerdings auch ein grundlegendes Problem der Diskussionen in Brüssel: "Ich fürchte, dass die frühere deutsch-französische Einigkeit in Finanzfragen nicht mehr gegeben ist." Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wolle gern etwas durchsetzen, was man später allein ihm zuschreiben könne.

Die Ratingagentur Moody's jedenfalls ist offenbar nicht optimistisch: In den Tagen vor dem Gipfel hat sie die Bonitätsnoten Griechenlands und Spaniens heruntergestuft.