Streit um Mischbenzin E10 wird komplizierter. Hersteller und Branchenverband VDA halten neuen Sprit für tauglich

Hamburg. Kritiker und Befürworter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden haben am Wochenende weiter über Sinn und Unsinn des neuen Mischbenzins E10 gestritten, das einen Anteil von zehn Prozent des Alkohols Ethanol enthält. Gegner des Kraftstoffs - darunter Automobilexperten, aber auch Umweltverbände wie Greenpeace - argumentieren, dass Ethanol Aluminium- und Kunststoff-Komponenten in Motoren und Kraftstoffleitungen von Autos angreifen könne. Zudem diene E10 angesichts einer schlechten Ökobilanz nicht dem Umweltschutz.

Der BMW-Konzern widersprach gestern einem E10-Kritiker aus den eigenen Reihen. In einer Erklärung des Unternehmens hieß es: "In allen BMW-Pkw-Modellen sämtlicher Baujahre ist der unbedenkliche Einsatz von E10-Kraftstoffen möglich. Für BMW-Kunden ergeben sich mit der Einführung der neuen E10-Kraftstoffe keine Veränderungen." Technologiemanager Thomas Brüner hingegen, Leiter der Mechanikentwicklung bei BMW, hatte in der "Welt am Sonntag" vor dem Einsatz von E10 gewarnt. Durch den hohen Ethanolanteil könnte die Wassermenge im Motor zunehmen. Dies könne unter anderem zu einer vorzeitigen Alterung des Motoröls führen und häufigere Ölwechsel nötig machen. "Diese Aussage deckt sich nicht mit der Haltung des Unternehmens", sagte ein BMW-Sprecher dem Abendblatt.

Auch Daimler erklärte am Wochenende, der neue Kraftstoff sei unbedenklich. 95 Prozent aller Daimler-Autos, die jünger als 25 Jahre seien, kämen "locker" mit dem neuen Benzin klar, sagte ein Daimler-Sprecher.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßte den Plan, morgen auf Einladung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einen "Benzingipfel" abzuhalten, um die Diskussion über die bislang misslungene Einführung von E10 zu beruhigen. "Beim Benzinpreis und bei der Qualität von Kraftstoffen sind die Autofahrer in Deutschland sehr sensibel", sagte VDA-Sprecher Eckehart Rotter dem Abendblatt. "Für viele ist das Auto nach ihrer Immobilie die zweitwichtigste Investition und hat hohe Bedeutung."

Der Verbandssprecher verwies allerdings auch noch einmal auf die Erhebungen des VDA bei seinen Mitgliedsunternehmen aus den vergangenen Monaten. "Die Debatte um E10 muss versachlicht werden", sagte Rotter. "93 Prozent aller Autos in Deutschland vertragen E10, bei den deutschen Herstellern sind es 99 Prozent." Die Informationslisten darüber, welche Modelle tauglich für E10 seien und welche nicht, "sind seit Monaten verfügbar". Erarbeitet unter anderem vom VDA, vom Automobilklub ADAC und von der Deutschen Automobil-Treuhand, seien diese Daten im Internet zugänglich. An den Tankstellen lägen Broschüren aus. Über Telefon-Hotlines informierten die Hersteller über ihre Modelle.

Seit Jahresbeginn führt die Mineralölwirtschaft das neue Mischbenzin ein. Die Bundesregierung hatte die Branche auf einen bestimmten Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffabsatz verpflichtet. Das soll dazu beitragen, die Klimaschutzziele zu erreichen, die von den Mitgliedstaaten der EU vereinbart worden waren.

Beim Diesel wird sowohl eine Mischung aus konventionellem Kraftstoff mit sieben Prozent Biodiesel vermarktet wie auch - vor allem in der Landwirtschaft - reiner Biodiesel. Beim Benzin wird die Beimischung von Ethanol von bislang fünf auf zehn Prozent erhöht. Bislang gibt es E10 nach Brancheninformationen an rund 7000 der insgesamt 15 000 deutschen Tankstellen. Mangels Nachfrage wird die weitere Einführung nun vorerst gestoppt. In Hamburg sollte E10 ursprünglich von März an verkauft werden.

Professor Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte an der Universität Duisburg-Essen, verwies darauf, dass andere Länder seit Jahren gute Erfahrungen mit der Einführung von Mischbenzinen mit Ethanol machten. Er kritisierte die Bundesregierung, aber auch den ADAC dafür, die Einführung von E10 durch eine schlechte Informationspolitik unnötig zu erschweren: "Die Bundesregierung hat kein Kraftstoffkonzept und das rächt sich auch an E10", sagte Dudenhöffer. "Darin unterscheidet sich Deutschland wesentlich von Ländern wie Brasilien, Italien, Schweden, den USA, China oder Japan. Deutschland fährt bei umweltfreundlichen Kraftstoffen und Antrieben fast hoffnungslos hinterher."