Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer über Herausforderungen für die Wirtschaft, den Senat und das eigene Anlageverhalten.

Hamburg. Draußen an den Wänden im Vorraum hängen seine Vorgänger, in Öl verewigt. Drinnen im Präseszimmer sitzt er, Fritz Horst Melsheimer. Auf einem schwarzen Ledersessel hat er Platz genommen. Mit seinem freundlichen Blick fixiert er durch die Brillengläser seine Gegenüber. Die Antworten kommen nahezu druckreif aus seinem Mund. Der 60 Jahre alte Chef des Versicherers HanseMerkur gibt sein erstes Interview als neu gewählter Präses der Hamburger Handelskammer. Professionell, aber nicht aufgesetzt allwissend. Melsheimer ist kein Dampfplauderer. Er sieht sich bei der Kammer als Mannschaftsspieler, der neugierig ist, sich in für ihn noch fremde Themen einarbeiten will.

Hamburger Abendblatt: Herr Melsheimer, Sie stammen aus einer Winzerfamilie von der Mosel, besitzen selbst einen Weinberg. Welchen edlen Tropfen trinken Sie am Wochenende mit Ihrer Frau auf das neue Präsesamt?

Fritz Horst Melsheimer: Wir werden uns einen guten Riesling von meinem Weingut gönnen. Jahrgang 2008, halbtrocken.

Haben Sie schon länger den Wunsch gehabt, Hamburgs wichtigstes Ehrenamt in der Wirtschaft zu bekleiden?

Melsheimer: Nein. Ich bin gefragt worden und habe dann nach reiflicher Überlegung zugesagt. Zunächst musste ich darüber nachdenken, wie ich das Amt mit meiner Tätigkeit als Vorstandschef der HanseMerkur in Einklang bringe. Auch ich habe nur begrenzte Zeit und Ressourcen. Nun freue ich mich auf die Aufgaben als Präses. Denn ich bin von Natur aus ein neugieriger, offener Mensch, der sich gerne neuen Herausforderungen stellt.

Wie wollen Sie beide Funktionen als Präses und HanseMerkur-Chef unter einen Hut bringen?

Melsheimer: Wir werden im Vorstand der HanseMerkur die Aufgaben so verteilen, dass ich entlastet werde. Über die Details gibt es noch Gespräche.

Sind Sie eher ein Stratege oder ein Repräsentant?

Melsheimer: Ich sehe mich eher als Stratege, auch im Präsesamt. Mein Bedürfnis, in der Öffentlichkeit zu stehen, ist nicht besonders stark ausgeprägt. Deshalb werde ich sicherlich auch nicht so viele Termine wie mein Vorgänger wahrnehmen. Mir geht es vor allem darum, die Geschicke der Hamburger Wirtschaft mitzubestimmen und deren Entwicklung positiv zu beeinflussen. Meine zentrale Botschaft lautet: Die Hamburger Unternehmen müssen sich stärker für das Allgemeinwohl engagieren, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Der ständige Ruf nach dem Staat muss aufhören.

Wenn Sie auf die nächsten drei Jahre schauen. Welche sind die drei wichtigsten Herausforderungen, vor denen die Hamburger Wirtschaft steht?

Melsheimer: An erster Stelle stehen für mich die öffentlichen Finanzen. Die Schulden müssen endlich zurückgeführt werden. Denn wir leben auf Kosten der nächsten Generationen. Das Ziel muss ein ausgeglichener Haushalt sein - ohne Wenn und Aber. Dafür müssen die konsumtiven Ausgaben zurückgefahren werden.

In welchen Bereichen sollte Hamburg konkret sparen?

Melsheimer: Das muss im Detail die Politik entscheiden. Wichtig ist, dass sich alle regierungsfähigen Parteien auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts einigen und dieses nicht für kurzfristige, teure Wahlversprechen opfern. Als wichtige Aufgabe sehe ich eine bessere Bildung und Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen. Wir haben in Hamburg noch immer zu viele Jugendliche ohne oder mit zu geringem Schulabschluss. Deshalb mache ich mich für die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen stark, damit die Kinder auch nachmittags betreut werden.

Sollen die Ganztagsschulen verpflichtend sein?

Melsheimer: Eher nein. Von Zwang halte ich wenig. Es sollte ein attraktives Angebot sein. Das dritte zentrale Thema ist der vernünftige Ausbau der Infrastruktur in der Metropolregion. Dabei steht die zügige Umsetzung der geplanten Elbvertiefung ganz oben auf der Agenda.

Werfen Sie dem Senat in diesem Punkt Versäumnisse in der Vergangenheit vor?

Melsheimer: Ich würde nicht von Versäumnissen sprechen. Allerdings sollte der Senat bei der Elbvertiefung noch mehr Druck auf die Entscheidungsträger in Berlin machen.

In ihrem jüngst veröffentlichten Zukunftspapier "Hamburg 2030" macht sich die Handelskammer für eine erneute Olympia-Bewerbung Hamburgs stark. Mehr als eine Träumerei?

Melsheimer: Ich denke, dass Olympische Sommerspiele Hamburg einen kräftigen Schub geben würden, nicht nur ökonomisch. Allerdings sprechen wir in unserem Konzept von einer Bewerbung in der dritten Dekade. Jetzt sollten wir in Deutschland zunächst mit aller Kraft die Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2018 unterstützen. Danach sehen wir weiter.

Die Kammer hat mit dem neuen Senat ja quasi ein Heimspiel. Schließlich wird Ihr Vorgänger im Präsesamt, Frank Horch, der kommende Wirtschaftssenator. Also freie Fahrt für die Wirtschaft?

Melsheimer: Auf jeden Fall hat die Wirtschaft mit Frank Horch als Senator eine historisch einmalige Chance. Allerdings wird Frank Horch nicht alleine in der Regierung agieren.

Begrüßen Sie es, dass Hamburg in den kommenden Jahren von einer einzigen Partei und nicht von einer Koalition regiert wird?

Melsheimer: ,Es kann durchaus von Vorteil sein, dass es eindeutige politische Verhältnisse gibt. Olaf Scholz hat sich ja im Wahlkampf als ein Bürgermeisterkandidat präsentiert, dem das Wohl der Wirtschaft sehr am Herzen liegt. Bei den Themen Staatsfinanzen, Bildung und Elbvertiefung teilen wir die Positionen von Herrn Scholz größtenteils. Nun geht es an die Umsetzung.

Sie gelten bei der HanseMerkur als Stratege für Kapitalanlagen. Sind Sie privat eher ein konservativer Anleger oder zocken Sie auch mal am Aktienmarkt?

Melsheimer: Mein privates Anlageverhalten ist durchaus risikofreudig. So besitze ich auch Aktien.

Das heißt: Sie sind nicht ohne persönliche finanzielle Blessuren durch die Finanzkrise gekommen?

Melsheimer: Das kann man so sagen.

Ist der Finanzmarkt aus Ihrer Sicht bereits gebändigt oder steht die nächste welt- oder europaweite Finanzkrise - wie von einigen Experten behauptet - schon vor der Tür?

Melsheimer: Ich sehe noch erhebliche Risiken - vor allem mit Blick auf die hohen Staatsschulden. Auf diesem Feld steckt erhebliche Sprengkraft für die Euro-Zone. Deutschland und Frankreich müssen sehr viel stärker die aktive Gestaltung der Schuldenpolitik in der Euro-Zone in die Hand nehmen. Die früheren Maastricht-Kriterien zur Verschuldung müssen endlich wieder kompromisslos gelten.

Wird es den Euro Ihrer Meinung nach in zehn Jahren noch geben?

Melsheimer: Ich hoffe schon.