Zahl der Privatinsolvenzen um 3,7 Prozent auf 3703 gestiegen. Junge Menschen besonders betroffen

Hamburg. Sie hatte immer Geld. Nicht viel, aber es reichte. Bis ihre Tochter geboren wurde und sie ihre Arbeit aufgeben musste. Gegenüber Freunden hat die alleinerziehende Mutter ihre Lage verschleiert, auch dann noch, als sie die vielen Mahnungen - Strom, Gas, Raten für das Kinderbett - nicht mehr geöffnet, sondern beharrlich ignoriert hat. Jetzt steht Susan M. vor einem Neuanfang. Lange wartete die 23-Jährige auf einen Termin bei der Schuldnerberatung. Danach kam das Insolvenzverfahren. Nun hofft sie, dass die gesetzlich festgelegten sechs Jahre, in denen sie nur Anspruch auf das Existenzminimum hat, schnell vorübergehen, die Sache vorbei ist und sie bald einen neuen Job findet.

Fälle, wie den von Susan M. gibt es viele in Deutschland. Immer mehr junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren mussten 2010 Privatinsolvenz anmelden. Laut der Wirtschaftsauskunftei Bürgel nahm die Zahl der Fälle aus dieser Altersgruppe in Hamburg um 25,8 Prozent auf 229 Personen zu. Bundesweit betrug der Anstieg sogar 27 Prozent. Viele Überschuldete sind alleinerziehende Frauen.

"Junge Bundesbürger verfügen in der Regel nicht über die nötigen finanziellen Rücklagen, um Krisensituationen auszugleichen", begründet Bürgel-Geschäftsführer Norbert Sellin den sprunghaften Anstieg in dieser Altersgruppe. Die Schuldensumme liege bei den 18- bis 25-Jährigen zwar unter dem Bundesdurchschnitt von knapp 33 000 Euro, dafür sei bei ihnen die Zahl der verschiedenen Gläubiger höher. "Ursachen für die Überschuldung, gerade bei den jungen Menschen, sind eine unwirtschaftliche Haushaltsführung, gepaart mit wenig Erfahrung im Umgang mit Geld", sagt Sellin. Im Klartext: Die jungen Erwachsenen stecken deutlich mehr Geld in den Kauf von Handys, Kleidung und anderen Dingen, als sie zur Verfügung haben. Bei älteren Bürgern dagegen nimmt die Zahl der Anträge auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ab. "In dieser Altersgruppe sind die Kredite abbezahlt, die Kinder sind aus dem Haus, und man hat Rücklagen gebildet", sagt der Bürgel-Chef.

Insgesamt mussten im vergangenen Jahr exakt 3703 Hamburger (plus 3,7 Prozent) eine Privatinsolvenz anmelden. In jedem Bezirk der Hansestadt stieg die Zahl der Fälle. Den Rekord hält Hamburg-Mitte mit 856 Anträgen und einem Plus von 4,8 Prozent. In Eimsbüttel waren es 236 Verbraucherinsolvenzen (plus 4,4 Prozent), in Altona 539 (plus 0,6), in Nord 552 (plus 2,4), in Wandsbek 833 (plus 3,1), in Bergedorf 289 (plus 8,6) und in Harburg 398 Privatinsolvenzen, was einer Zunahme von 4,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2009 entspricht. Die Zahlen der oben stehenden Grafik beziehen sich auf die Insolvenzfälle je hunderttausend Einwohner.

Die Stadt hat damit nach Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und dem Saarland die fünfthöchste Pleitezahl je hunderttausend Einwohner. Auch bundesweit ist die Zahl der Verbraucherpleiten gestiegen, von 130 698 Fällen 2009 auf 139 110 im vergangenen Jahr. Die wenigsten Pleiten von Privatpersonen im Vergleich zur Einwohnerzahl gab es in Bayern mit 125 und Baden-Württemberg mit 136 Fällen.

Meist führen laut Bürgel Arbeitslosigkeit, ein zu niedriges Einkommen, eine gescheiterte Selbstständigkeit, Trennung oder Scheidung sowie eine gescheiterte Immobilienfinanzierung in die Überschuldung. Dann werden zunächst die Konten überzogen, die über den Versandhandel bestellten Waren nicht bezahlt, die Raten für den Autokauf ausgesetzt, Konsumentenkredite nicht länger bedient, Mietschulden fallen an, die Telefonrechnung bleibt liegen, und die Schulden bei den Energieversorgern steigen an.

Auch für dieses Jahr rechnet die Hamburger Wirtschaftsauskunftei nicht mit einer Entspannung der Lage. "Insgesamt werden wieder knapp 140 000 Privatinsolvenzen bundesweit erwartet" sagt Sellin. "In Hamburg werden 3600 bis 3700 Verfahren eröffnet werden", so Sellin.