Gewerkschaftskasse der GDL ist gut gefüllt. Hamburger S-Bahn, Deutsche Bahn, Metronom und Nord-Ostsee-Bahn drohen Warnstreiks.

Hamburg. Der letzte große Streik der kleinen, aber mächtigen Gewerkschaft ist vielen in Erinnerung. Über Monate wirbelte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vor gut drei Jahren den Fahrplan der Deutschen Bahn durch Arbeitsniederlegungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr für einen eigenständigen Tarifvertrag durcheinander, sorgte für Zugausfälle und verärgerte Fahrgäste. Eine ähnliche Situation droht den Bahnfahrern erneut - von nächster Woche an.

Betroffen sind diesmal nicht nur die Fahrgäste des Staatskonzerns, sondern auch die Kunden der sechs großen Privatunternehmen im Schienenverkehr, Abellio, Arriva, Benex, HLB, Keolis und Veolia. Im Großraum Hamburg stehen neben der S-Bahn und den Regionalstrecken der Deutschen Bahn (DB) die Nord-Ostsee-Bahn (NOB) und der Metronom als potenzielle Streikopfer im Visier der GDL. Sie befördern zusammen täglich rund 800 000 Pendler.

Und die Lokführer meinen ihre Drohung ernst. "Wir wollen einen Flächentarifvertrag, der für alle Lokführer im Regional-, Fern- und Güterverkehr gilt", unterstreicht der Vizechef der GDL, Norbert Quitter. Konkret zählen dazu eine einheitliche Bezahlung, gleiche Zulagen für Sonntage, Feiertage und die Nacht sowie einen besseren Schutz der Lokführer - und zwar bei der DB und bei den Privatbahnen. So sollen Lokführer, die unverschuldet durch Suizidunfälle arbeitsunfähig werden, eine Weiterbeschäftigungsgarantie erhalten. Nur ein solcher Tarifvertrag könne Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen auf der Schiene verhindern.

Doch die Tarifverhandlungen darüber sind vor einer Woche sowohl mit der DB als auch mit den Privatbahnen gescheitert. Diese hatten sich zuvor bereits mit der größten Deutschen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in einem Schlichtungsverfahren durch den ehemaligen Bundesverteidigungsminister Peter Struck geeinigt - und den bundesweit ersten Branchentarifvertrag für alle Eisenbahner unterschrieben, der als "Meilenstein" gefeiert wurde. Dieses Tarifwerk will die GDL aber auf keinen Fall für ihre Klientel übernehmen, sondern besteht auf einem eigenständigen Abschluss für alle rund 26 000 Lokführer. Die Tarifparteien stehen sich damit unversöhnlich gegenüber. Es hagelt gegenseitig Vorwürfe ohne Aussicht auf Annäherung. Obwohl die Lokführer nicht müde werden zu sagen, dass sie "die Republik nicht mit langen Streiks lahmlegen wollen, sondern nur einen Tarifvertrag anstreben", steht fest, dass sie finanziell für lange Streiks gerüstet sind. "Eine Gewerkschaft, die 144 Jahre alt ist und immer maßvoll mit ihrem Geld umgegangen ist, braucht sich über ihre Streikkasse keine Gedanken zu machen", sagte Quitter dem Abendblatt. Mit den ersten Warnstreiks werde es deshalb auch eine Urabstimmung über Streiks geben. Mit einem Ergebnis ist Anfang März zu rechnen. Und der Vizechef ist sich einer Mehrheit sicher. Noch räumen die Gewerkschafter den Arbeitgebern eine letzte Chance ein, bis Ende der Woche ein "verhandlungsfähiges" Angebot zu unterbreiten. Die vorher genannten Punkte müssten jedoch darin enthalten sein.

Der DB-Personalvorstand Ulrich Weber kritisierte die Streikdrohungen der GDL, unterstrich aber sein Entgegenkommen: "Es gibt keinen sachlichen Grund, die Deutsche Bahn und ihre Kunden zu bestreiken. Wir wollen und können unsere Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag für Lokführer unverzüglich fortsetzen." Die sechs Privatunternehmen weisen das Ultimatum dagegen zurück und werfen der GDL vor, sich seit Beginn der Verhandlungen keinen Millimeter bewegt zu haben: "Ein Abschluss wird nur möglich sein, wenn beide Parteien kompromissbereit sind", sagt die Verhandlungsführerin Ulrike Haber-Schilling. Die Lokführer wollen ihre Warnstreiks "rechtzeitig bekannt geben, damit sich die Kunden darauf einstellen können", sagt der GDL-Vizechef. Bisher wurden den Unternehmen aber noch keine konkreten Termine genannt, wie die Sprecher von Deutscher Bahn, dem Metronom und der Nord-Ostsee-Bahn berichten. Entsprechend sei eine Vorbereitung oder die Ausarbeitung von Notfallplänen schwierig. "Wir werden alles tun, um die Beeinträchtigungen gering zu halten", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Bei Warnstreiks bei der S-Bahn werde voraussichtlich mit einer Verstärkung des HVV-Busverkehrs reagiert.

Die Nord-Ostsee-Bahn setzt auch auf einen Ersatzverkehr mit Bussen. Auf der Strecke nach Sylt ginge es aber nicht, da es über den Hindenburgdamm auf die Insel keine Straßenverbindung gebe, so der Geschäftsführer Andreas Winter. "Wir werden unsere Kunden sofort informieren, sobald uns Details zu den Warnstreiks vorliegen", sagt Hanna Kohn, Metronomsprecherin.