Die Vorwürfe gegen den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen wiegen immer schwerer: Offenbar haben die Vergehen System.

Hamburg. Gut zwei Wochen nach Beginn des Dioxin-Skandals sieht sich der Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen (Schleswig-Holstein) mit einem schweren Vorwurf konfrontiert: Das im Tierfutter gefundene Gift soll mit vollem Wissen des Unternehmens in die Nahrung gelangt sein.

Ermittler haben Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die dioxinhaltigen Fette systematisch so lange verdünnt wurden, bis die Grenzwerte eingehalten wurden. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa gestern aus Behördenkreisen. Von einem Produktionstag sollen Mischproben beschlagnahmt worden sein, bei denen die hohe Dioxin-Eingangsbelastung immer weiter reduziert worden war. Um das zuständige Labor zu täuschen, seien die Proben als technische Fette deklariert worden, hieß es.

Der Itzehoer Oberstaatsanwalt Ralph Döpper wollte diese Informationen zunächst nicht bestätigen. "Wir führen derzeit mit Hochdruck unsere Ermittlungen", sagte er dem Abendblatt. Harles und Jentzsch steht nach bisherigen Erkenntnissen im Zentrum des Dioxin-Skandals. In einer nicht registrierten Mischanlage in Bösel (Niedersachsen) sollen Industriefette eines Biodieselherstellers ins Tierfutterfett gemischt worden sein. Von dort gelangte das Gift zu Futtermittelherstellern und Bauernhöfen.

Bisher wurden hohe Dioxin-Belastungen in Eiern, Geflügel und Schweinen nachgewiesen. Den Verantwortlichen drohen Anklagen wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht (bis ein Jahr Haft), Betruges und Verstoßes gegen die Abgabenordnung (jeweils bis zu fünf Jahre Haft).

Neben den strafrechtlichen Ermittlungen hat der Skandal für Harles und Jentzsch auch massive wirtschaftliche Konsequenzen: Wegen Zahlungsunfähigkeit stellte das Unternehmen gestern Insolvenzantrag. Das Landwirtschaftsministerium in Kiel hatte dem Betrieb zuvor untersagt, die Produktion von Tierfutter fortzusetzen.

Unterdessen musste das niedersächsische Landwirtschaftsministerium einräumen, dass dioxinbelastetes Schweinefleisch doch in den Handel gelangt sein könnte. Agrar-Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke hatte dies noch am Dienstag kategorisch ausgeschlossen. Bei dem betroffenen Schweinemäster im Kreis Verden waren bei Probeschlachtungen überhöhte Dioxin-Werte gemessen worden. 140 Tiere sollten deshalb getötet werden.

Nach jüngsten Erkenntnissen hatte der Landwirt aber vor der Sperrung schon 150 mit Dioxin-Futter gemästete Schweine zu einem Großschlachthof gebracht. Zudem besteht die Gefahr, dass auch belastetes Schweinefleisch aus jenen neun Betrieben in den Handel gelangt ist, die der Verdener Schweinemäster mit seinem selbst gemixten Futter belieferte. Zwischen Ende November und Anfang Januar hätten auch diese Betriebe Schweine geschlachtet, sagte Kreisveterinär Peter Rojem dem Abendblatt.

Aus Sicht von Verbraucherschützern ist der Skandal erst durch mangelnde Kontrollen möglich geworden. So kommen in Niedersachsen gerade einmal 15 Futtermittelkontrolleure auf 2500 Hersteller. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Behörden auf, belastete Produkte unverzüglich vom Markt zu nehmen. Die Ministerin selbst sah sich gestern einer Rücktrittsforderung der Grünen ausgesetzt: Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Aigner als "Totalausfall".