Mobilfunkdiscounter kopieren das Erfolgsmodell von O2. Auch die Hamburger Marke Blau mischt mit. Sparpotenzial für Verbraucher.

Hamburg. Die Studenten trauen ihren Augen kaum, als die Tür des Hörsaals an der Universität Köln plötzlich aufschwingt. In die Vorlesung platzt ein Mensch im Monsterkostüm, verfolgt von vier jungen Männern. Sie tragen alle T-Shirts mit dem Logo des Mobilfunkanbieters O2, der seit Monaten damit wirbt, Monstertarife zu jagen. Dementsprechend fangen die Männer das Monster ein und verlassen den Hörsaal. Einige Studenten bejubeln die Szene, der Professor guckt entgeistert.

Die ungenehmigte und harsch kritisierte Marketingaktion im Oktober wirkte fast wie ein Akt der Verzweiflung. Aus dem Jäger O2 ist längst selbst ein Gejagter geworden. Denn die Konkurrenz setzt nun auch auf die Tarifinnovation, die O2 jüngst wieder glänzen ließ: das fünfte Quartalsumsatzplus im Mobilfunk in Folge, 356 000 Kunden mehr als im Vorquartal. Damit kann sich O2 rühmen, der am schnellsten wachsende Mobilfunkanbieter Deutschlands zu sein - und das in einem heiß umkämpften und übersättigten Markt mit mittlerweile 111 Millionen Handyanschlüssen und sinkenden Branchenumsätzen.

O2 hat den Mobilfunkmarkt unter Zugzwang gebracht

Das Erfolgsrezept der Münchner Telefonica-Tochter ist ein Tarif, den O2 nach eigenen Angaben weltexklusiv entwickelt hat: Ein Kostendeckel, der sich automatisch in eine Flatrate verwandelt, sobald 50 Euro Gesprächsgebühren pro Monat erreicht sind. Alle weiteren Telefonate sind dann kostenlos. Wer unter der 50-Euro-Grenze bleibt, zahlt mit 15 Cent pro Minute und SMS nur, was er tatsächlich verbraucht hat - und das ohne langwierige Vertragsbindung oder Grundgebühr.

Der Trendforscher Peter Wippermann sieht in solchen Modellen zwischen Discountpreisen und flexiblen Flatrates die Zukunft des mobilen Telefonierens. "Hybridtarife sind die Stars der Stunde", sagt der Gründer des Hamburger Trendbüros. Das sieht man bei O2 ähnlich. "Unser Kostenairbag kommt bei den Kunden an", sagt O2-Sprecher Albert Fetsch. Mit anderen Worten: Schon sieben Monate nach dem Start im Mai 2009 hatte der Kostendeckeltarif eine Million Kunden.

Ein solcher Erfolg bleibt der Konkurrenz nicht verborgen. Mehrere Mobilfunkdiscounter haben in den vergangenen Monaten die Verfolgung aufgenommen und ähnliche Tarife gestartet - allerdings mit deutlich früher greifenden Maximalkosten (siehe Tabelle) und niedrigeren Minutenpreisen. So gelten bei den Nachahmern bis zum Erreichen der Kostengrenze Gesprächsgebühren von nur neun Cent pro Minute, teils ist sogar die mobile Internetnutzung inklusive. Als Erster hatte im Sommer 2010 der Lebensmitteldiscounter Lidl einen eigenen Tarif mit Kostendeckel gestartet. Dass Lidl dabei mit der O2-Tochter Fonic kooperiert, bedeutet für die Münchner einen Angriff aus eigenem Hause. Wenige Monate später zogen die E-Plus-Töchter Simyo und Blau nach, auch der ADAC (allerdings exklusiv für Mitglieder) und die Drillisch-Tochter Eteleon stiegen in das neue Geschäftsmodell ein.

"Der Markt war durch den innovativen O2-Tarif unter Zugzwang geraten", sagt Daniel Friedheim, Sprecher des Vergleichsportals Check24. Zudem erscheint die Idee des Kostendeckels gerade für Billiganbieter optimal: Bislang machen Handydiscounter laut Check24 im Schnitt Monatsumsätze von fünf Euro pro Kunde. Bei den Netzbetreibern T-Mobile, Vodafone, O2 und E-Plus sei dieser Betrag dreimal so hoch. So sind viele der knapp 50 deutschen Billiganbieter mit insgesamt etwa 15 Millionen Kunden kaum profitabel. Selbst die Gewinnmargen der größten Anbieter wie Tchibo oder Simyo liegen laut der "Wirtschaftswoche" unter zehn Prozent. Die Netzbetreiber mit ihren Vertragsmodellen mit Grundgebühren melden hingegen Gewinnmargen von bis zu 45 Prozent. "Mit den neuen Tarifmodellen können die Discounter endlich auch Vieltelefonierer anziehen und ihre Umsätze steigern", sagt Branchenkenner Friedheim.

So erhofft sich der Hamburger Mobilfunkdiscounter Blau starkes Wachstum durch den neuen Kostenschutz, den bereits 100 000 Kunden nutzen. "Der Vorstoß in ein neues Marktsegment war für uns entscheidend, um weiter wachsen zu können wie bisher", sagt Blau-Gründer und Geschäftsführer Martin Ostermayer. Sein Unternehmen, das seit 2008 dem niederländischen E-Plus-Mutterkonzern KPN gehört, ist mit Umsätzen von 125 Millionen Euro im Jahr 2009 einer der Marktführer im Discountsegment. 2011 sollen 15 zusätzliche Mitarbeiter bei Blau am Schulterblatt Arbeit finden.

Die Jagd auf Monstertarife wird in der Mobilfunkbranche unterdessen weitergehen - wenn auch unter weniger aufsehenerregenden Umständen als an der Universität Köln. Experten gehen davon aus, dass die Discountpreise weiter sinken werden. Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Weiterleitungsgebühren in fremde Netze von rund sieben Cent auf 3,3 Cent zu halbieren. "Das gibt neuen Spielraum", sagt Mobilfunkexperte Jürgen Scheurer vom Vergleichsportal Verivox. Dass weitere Anbieter die Idee des Kostendeckels kopieren, hält er für wahrscheinlich.

Der Preiskampf hat bei Kostendeckeln schon eingesetzt

Für die Verbraucher bringt der intensive Wettbewerb in der Branche massives Sparpotenzial. Für die Unternehmen hingegen hat das Preisdumping bereits in der Vergangenheit in eine Abwärtsspirale geführt. Die ersten Billigtarife waren 2004 mit Minutenpreisen von 35 Cent auf den Markt gekommen. Heute liegen die günstigsten Tarife bei sieben Cent pro Gesprächsminute. Die Billigmarke Congstar, 2007 von der Telekom hoffnungsvoll gestartet, schreibt der "Wirtschaftswoche" zufolge sogar tiefrote Zahlen. Auch die Preise für den Kostendeckel sind bereits im Sinkflug: O2 startete mit 60 Euro, besserte dann auf 50 Euro nach. Simyo und Blau bieten jeweils einen Kostenschutz für 39 Euro an. Und Eteleon trumpft mit nur 35 Euro auf.