Der US-Konzern Johnson Controls baut in Hannover Lithium-Ionen-Batterien für E-Mobile. Eine Pionierarbeit mit Risiken - ein Abendblatt-Besuch.

Hannover. Im Testlabor für Lithium-Ionen-Batterien wagt Stefan Suckow regelmäßig das Spiel mit dem Feuer: Die Batterien versorgten bisher nur Handys und Laptops - in Zukunft müssen sie, mit tödlicher Stromspannung vollgepumpt, als das Herzstück von Elektrofahrzeugen auch simulierte Crashtests überstehen. Für alle Fälle hängt vor der Stahltür des Testlabors ein silberner Brandschutzanzug. Neben dem Panzerglasfenster klebt ein Schild mit der Notrufnummer 1111. Schwarze Flecken an den Wänden sprechen Bände über die Explosionen, die das Labor bereits erschüttert haben. "Die Batterie ist schon gut, wenn sie bei einem Unfall kein Feuer fängt und keine Teile herumfliegen", sagt Suckow über den Test, bei dem zwei mächtige Stahlplatten mit Wucht auf den Energieblock treffen.

Suckow, Vater von fünf Kindern, der sich beim Rennradfahren auch gerne selber ans Limit bringt, ist Leiter Geschäftsfeldentwickung Europa bei Johnson Controls und Herr über eine Handvoll solcher Testlabors. Sie stehen auf dem mehr als 137 000 Quadratmeter großen Gelände des US-Konzerns in Hannover. Die Amerikaner haben sich Anfang des Jahrzehnts in der niedersächsischen Landeshauptstadt Varta einverleibt. Damit ist Johnson Controls nach eigenen Angaben der weltweit größte Hersteller von Autobatterien.

Und will es bleiben, auch in Zeiten des E-Mobils. Deshalb hat der Konzern mit weltweit mehr als 130 000 Mitarbeitern nun einiges vor, in Hannover, am Sitz seiner Europa-Zentrale: "Schon in zwei Jahren werden die Batterien hier wie die Brezeln vom Band fallen", sagt Suckow. Lithium-Ionen-Batterien? In Deutschland, das beim Klimaschutz auf der Straße im internationalen Vergleich bislang eher auf der Rückbank im Kindersitz Platz nehmen musste?

Suckow ist Ingenieur, dazu ein Mann aus dem Autobau, er kam von Magna in die Welt der Batterien. Sein Urteil zählt in der Branche. Er baut den Bereich bei seinem Arbeitgeber derzeit im Laufschritt aus, sucht Dutzende Ingenieure. Eine neue Halle, groß wie ein Fußballfeld, steht für sie bereit. Johnson Controls baut bereits seit einigen Monaten erste Lithium-Ionen-Batterien für Elektro- oder Hybridautos. Für den S400 von Mercedes, für den BMW ActiveHybrid 7. Den nächsten Großauftrag arbeiten Suckow und seine Leute im Frühjahr ab, für einen Elektrotransporter von Ford, der ab 2011 auf den deutschen Markt kommt.

2013 sollen 10 000 Lithium-Ionen-Batterien in Hannover gefertigt werden

"Weitere Projekte laufen in Kürze an", sagt Suckow. Die Auftraggeber sind noch geheim. Nur so viel: 2013 sollen bereits 10 000 Batterien aus der Hannoveraner Fertigung kommen. Ihre Konstruktion ist äußerst komplex. Die Zellen müssen nicht nur den Elektromotor mit Strom versorgen, sondern auch durch das Batteriemanagementsystem des Autos gesteuert und an ein Kühlsystem angeschlossen werden.

Ingenieure wie Suckow forschen weltweit in den Thinktanks der Autoindustrie, an Hochschulen oder bei Zulieferern daran, das Antriebskonzept des Autos neu zu erfinden. Die Fraunhofer-Institute konzentrieren sich darauf, die Helmholtz-Gesellschaft in Ulm forscht zur Batterietechnik, Daimler kooperiert mit Evonik und baut eine Fertigung für Lithium-Ionen-Batterien im sächsischen Kamenz auf. Die Erkenntnisse der Forscher all dieser Denkfabriken sind größtenteils geheim, zugleich aber von einem unschätzbaren Wert für eine Menschheit, die vor einer Revolution ihrer individuellen Mobilität steht: Mit dem Versiegen der Ölreserven sind die Tage der Benziner und Dieselfahrzeuge auf unseren Straßen gezählt. Gleichzeitig bangt eine Industrie, die weltweit zwei Billionen Euro im Jahr umsetzt, um ihre Zukunft. Konzerne wie Daimler, General Motors oder Renault, die mehr als 100 Jahre lang auf den Verbrennungsmotor setzten, liefern sich ein Wettrennen um die besten Automobile der Zukunft. Wer wird ihn gewinnen? Die Japaner, die Amerikaner, die Deutschen?

Japan ist der weltweit größte Produzent von Batterien für E-Autos

Bisher kommt weltweit noch knapp die Hälfte der Batterien für Hybrid- und Elektroautos aus Japan. 37 Prozent der Produktion sind in China angesiedelt, 17 Prozent in Südkorea. Erste Fabriken in den übrigen Regionen wie Europa oder den USA schaffen erst drei Prozent. "Batterien aus Billiglohnländern können unsere Sicherheitsstandards noch nicht erfüllen", sagt Suckow mit Blick auf die Rauchflecken im Crashlabor.

Noch schafft eine Batterie, die den strengen Vorgaben der Autohersteller genügt, aber kaum mehr als 100 Kilometer Reichweite. Sie füllt einen halben Kofferraum und kostet mehrere Tausend Euro. Die Technologie besitzt eine hohe Effizienz, zumal im Vergleich mit dem Verbrennungsmotor, bei dem zwei Drittel der Energie als Wärme verloren gehen. Doch von der Reife für den Massenmarkt ist der Elektroantrieb noch weit entfernt.

"Wir müssen in Deutschland die Kompetenz für die Batteriefertigung erweitern. Nur so können wir den Autostandort erhalten", sagt Martin Winter, Batterieforscher von der Uni Münster. Bei Öl und Gas sei die deutsche Industrie bereits von Russland und den arabischen Ländern abhängig. In der Batterietechnologie dürften wir uns nun nicht auf Asien verlassen.

Leistungsfähige Batterien fördern auch die klimafreundliche Stromerzeugung

Die Weiterentwicklung der Batterien sei dabei auch volkswirtschaftlich von Nutzen: Leistungsfähigere Speicher könnten das Problem der Energiekonzerne lösen, Strom aus Windrädern oder Solaranlagen auch dann liefern zu können, wenn die Sonne gerade nicht scheint oder Flaute herrscht. "Bisher sind erneuerbare Energien mangels Batterien kaum nutzbar", sagt Winter. "Wenn wir hier einen Fortschritt erzielen, wird auch die für die Elektromobilität genutzte Energie klimafreundlich erzeugt werden können."

Doch nicht nur die im Handy- und Laptopbau erfahrenen Asiaten sitzen den Deutschen im Nacken, sondern auch die Subventionen für die Konkurrenz bereiten Sorgen. In den USA baut Johnson Controls seine Kompetenz für Lithium-Ionen-Batterien parallel zum Standort in Hannover aus. Nachdem Obama seine US-Autoindustrie mit Milliarden Dollar unterstützt, kostet eine solche Fabrik Suckows Arbeitgeber nur die Hälfte. In China ist eine Förderung von mehreren Tausend Euro für jeden Käufer eines Elektroautos im Gespräch. Die Franzosen spendieren der Branche 2,2 Milliarden Euro für die Entwicklung neuer Motoren.

"In Deutschland trägt den Löwenanteil der Investitionen die Branche selbst und steckt in den kommenden drei bis vier Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro in alternative Antriebe", sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) dem Abendblatt. "Wenn in Deutschland eine Pilotfertigung für Batterien aufgebaut werden soll, wird es ohne Startimpulse durch die öffentliche Hand nicht gehen."

Suckow ist dennoch optimistisch. "Wir haben eine jahrzehntelange Erfahrung mit Batterien." Allerdings hält es auch der 46-Jährige für möglich, dass Hannover die Zellen wegen des Subventionsvorteils bald in den USA einkauft und hier nur noch zusammenbaut. Dabei will die Bundesregierung bis 2020 bereits eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen sehen. Suckow macht sich keine Illusionen. "Es wird einige Hybridfahrzeuge, aber noch kaum reine Elektrowagen geben."

Vor der Halle mit den Testlabors steht ein älteres Auto, kaum zu erkennen unter der dicken Schneehaube. "Das ist unser Toyota Prius, der ist schon zehn Jahre alt", sagt Suckow. Seine Entwickler haben den Wagen komplett auseinandergenommen. Um zu lernen. Das Hybridfahrzeug galt für deutsche Autobauer anfangs als Lachnummer. Inzwischen hat Toyota davon mehr als 2,5 Millionen Exemplare verkauft. Die Japaner profitieren von den großen Stückzahlen bei der Brückentechnologie auf dem Weg zum E-Mobil. 2012 wollen sie einen Prius auf den deutschen Markt bringen, der an der Steckdose aufgeladen werden kann. Es gibt noch viel zu tun in Hannover.