Laut Grünen-Studie verlangen die Konzerne zwei Milliarden Euro mehr, als ihnen zusteht. Experten raten zum Wechsel des Anbieters.

Hamburg. Energiewirtschaftler Gunnar Harms kennt den Strommarkt. Sein Job ist es, Energie für Industrieparks einzukaufen. Im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen hat er sich jetzt jedoch mit den Ausgaben der Haushalte für 2011 befasst. Ergebnis seines Gutachtens, das dem Abendblatt vorliegt: "Die für 2011 angekündigten Preiserhöhungen sind nicht gerechtfertigt." Die Stromversorger in Deutschland würden ihren Kunden zwei Milliarden Euro zu viel in Rechnung stellen. Denn die Zusatzkosten von 1,48 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für den Ausbau der erneuerbaren Energien könnten die Unternehmen über die Weitergabe von Preissenkungen aus den vergangenen Jahren kompensieren, bilanziert Harms, der auch stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher ist.

Eine Familie muss mehr als 50 Euro zusätzlich für Strom zahlen

Als Hintergrund für den Preisspielraum der Energieversorger gelten vor allem die gesunkenen Beschaffungskosten für den Strom, auf die auch die Verbraucherzentrale Bundesverband und das unabhängige Verbraucherportal Verivox hinweisen. "Seit 2008 sind die Großhandelspreise für Strom um 30 bis 40 Prozent gesunken. Dies muss endlich von den Stromversorgern an die Kunden weitergegeben werden", sagt Ingrid Nestle, Bundestagsabgeordnete der Grünen, dem Abendblatt. Dazu würden die Konzerne statt 0,4 Cent wie noch im Jahr 2006 heute 1,5 Cent pro kWh verdienen. "Die Versorger erhöhen die Preise, um ihre Gewinne zu halten oder zu steigern. Die Zuschläge nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) werden als Vorwand benutzt, um ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu kaschieren", kritisiert Nestle. Gegen höhere Preis spreche zudem, dass zum 1. Januar auch die Umlage für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung erneut um 0,1 Cent pro kWh sinkt. Steigen die Strompreise nun dennoch um knapp 1,5 Cent, muss eine drei- bis vierköpfige Familie 2011 allein dadurch gut 52 Euro mehr bezahlen.

Solche Preiserhöhungen deuten sich bereits flächendeckend an. "Von insgesamt 910 Stromversorgern bundesweit erhöhen im Januar 500 Unternehmen die Tarife um sieben Prozent, 41 Firmen verlangen im Februar 7,5 Prozent mehr", sagt Verivox-Sprecherin Dagmar Ginzel. Auch für Thorsten Kasper, Energiereferent bei der Verbraucherzentrale Bundesverband ist klar: Die meisten Firmen geben ihre Entlastungen nicht an die Kunden weiter. Hamburg und Berlin spüren dabei laut der Studie die Preiserhöhungen mit knapp elf Prozent am stärksten. "Allerdings liegen die Preise in den beiden Großstädten damit noch unter dem bundesweiten Durchschnitt", so Ginzel.

Auch Vattenfall, mit einem Marktanteil von 82 Prozent der größte Versorger für Hamburg, hat zum Jahresbeginn eine Preiserhöhung für die Grundversorgung um 9,9 Prozent angekündigt. "Darin ist die Belastung durch das EEG für 2011, ein rückwirkender Zuschlag dafür aus 2010, die Mehrwehrsteuer und die höheren Preise für die Nutzung der Netze enthalten", sagt Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier. An der Marge ändere sich aber nichts. "Wir verdienen nicht mehr", so Kleimeier. Zudem liege der Easy-Tarif von Vattenfall auch nach der Preissteigerung noch unter den zehn günstigsten in Hamburg.

Für unzufriedene Kunden bleibt so allein der Wechsel zu einem anderen Tarif oder einem anderen Versorger, um Preissteigerungen zu entgehen. Allein in diesem Jahr hätten Verbraucher dadurch 160 Euro sparen können, hat die Bundesnetzagentur ermittelt. Immerhin gebe es inzwischen je Netzgebiet durchschnittlich 124 Anbieter. Dennoch, so die Agentur, verharrten viele Menschen "von sich aus bei ihren angestammten Versorgern".

Nur ein Versorger will die Preise im Januar senken

Wer wechselt, sollte jedoch neben dem Preis auch die Erreichbarkeit des Anbieters, das Beschwerdemanagement, kurze Vertragslaufzeiten, Kündigungsmöglichkeiten und Preisgarantien berücksichtigen, rät Kasper von der Verbraucherzentrale. Sinkende Preise sind derzeit ohnehin kaum zu erwarten. Nur der Versorger ESWE, hinter dem die Stadtwerke Wiesbaden stehen, hat sie bei Verivox angekündigt. Strom wird von Januar an um 3,9 Prozent günstiger - vor allem durch einen Bonus von 100 Euro für Neukunden.