Nach der Übernahme durch Kamps verschwand die Hamburger Kette Nur Hier. Nun ist sie wieder da. Der neue Chef setzt auf alte Stärken.

Hamburg. Die alten Holzöfen wirken ein wenig so, als wären sie aus der Zeit gefallen. Die rußgeschwärzten Ziegelsteine und die schweren gusseisernen Klappen scheinen so gar nicht in die helle, klinisch saubere Backstube in Lokstedt zu passen, die sonst von gebürstetem Edelstahl und computergesteuerten Mix- und Knetmaschinen dominiert wird. Und doch lodert in den fast antiken Geräten das Feuer wie vor 80 Jahren.

"Diese Öfen wurden in den vergangenen Jahren nur noch selten benutzt", sagt Nico Rath, Geschäftsführer der neu gegründeten Nur Hier GmbH. "Dabei sind sie so etwas wie das Herzstück unserer Backstube." Immerhin war es Unternehmensgründer Theodor Freiberg persönlich, der die Geräte Anfang der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts anschaffte, um ein besonders knuspriges Brot in der Hansestadt backen zu können. "Nur Hier" schrieb er als Werbung mit Kreide auf den Gehweg - die Geburtsstunde der gleichnamigen Hamburger Kette.

Rath, 43, ist nun angetreten, die Tradition der Bäckereikette wieder zu beleben. Mehr als ein Jahrzehnt war der Name "Nur Hier" nämlich aus dem Bild der Hansestadt verschwunden. Der Backkonzern Kamps hatte im Jahr 1996 das Hamburger Unternehmen übernommen und alle Geschäfte auf die eigene Marke umgestellt. Auch die Produktion in Lokstedt wurde weitgehend an das bundesweite Sortiment des Konzerns angepasst. Es war der Höhepunkt der Konzentrationswelle in der deutschen Lebensmittelwirtschaft, als die kleineren Bäcker gleich reihenweise vor dem Konzern aus dem Ruhrgebiet kapitulierten.

Doch die besten Zeiten des Großbäckers sind längst vorbei, Heiner Kamps hat sein Backimperium schon vor Jahren an den Nudelkonzern Barilla verkauft, der es wiederum nach hohen Abschreibungen an eine Beteiligungsgesellschaft weiterreichte. Die neuen Eigentümer konnten schließlich mit der Hamburger Produktionsstätte und den vergleichsweise kleinen Läden in der Stadt nichts mehr anfangen und stellten sie zum Verkauf.

Hinter dem Comeback steht die Lübecker Familie von Allwörden

Diese Chance ließ sich die Lübecker Bäckerfamilie von Allwörden nicht entgehen und übernahm jetzt den Standort Lokstedt mit etwa 90 Beschäftigten. Die rund 100 Kamps-Geschäfte in Hamburg werden nun wieder in Nur Hier umbenannt. "Die Umstellung auf unsere Marke beginnt Anfang Dezember und soll innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein", sagt Geschäftsführer Rath. Alle Franchisenehmer von Kamps, die die Läden bislang führten, hätten dem Wechsel zu Nur Hier zugestimmt.

Punkten will der Nur-Hier-Chef bei den Hamburger Kunden nur vor allem mit regionalen Spezialitäten, die zu Zeiten von Kamps eine untergeordnete Rolle spielten. So wird in den alten Holzöfen derzeit wieder das sogenannte Doppel-Moppel gebacken, das aus zwei runden, aneinanderklebenden Brotlaiben besteht und ein wenig wie eine liegende Acht aussieht. "Glücklicherweise arbeiten in unserer Lokstedter Backstube immer noch viele Beschäftigte aus der Zeit vor der Übernahme durch Kamps", sagt Rath. "Die Mitarbeiter haben die alten Rezepte wieder rausgesucht und experimentieren jetzt mit der richtigen Teigmischung und Backzeit."

Deutlich ausbauen will Rath auch das Geschäft mit Kaffeespezialitäten und Kuchen. Die Konditorei in Lokstedt soll daher deutlich erweitert werden. Bislang gibt es hier zwar Maschinen, die 3500 Berliner pro Stunde produzieren können, bei Sahnetorten müssen die Mitarbeiter aber passen. Zu Konzernzeiten wurden die Torten einfach aus anderen Werken zugeliefert.

"Generell wollen wir alle Waren, die wir bei Nur Hier verkaufen, auch in Hamburg herstellen", sagt Rath. Die Arbeit mit tiefgekühlten Teiglingen, die aus Osteuropa oder anderen Ländern geliefert würden, sei tabu. "Wir werden nur gegen die Konkurrenz der Backdiscounter bestehen können, wenn wir qualitativ besser sind und uns mehr auf die handwerkliche Tradition besinnen." Dazu sei es mittelfristig auch notwendig, zusätzliches Personal einzustellen. Zudem will der Geschäftsführer dafür sorgen, dass in Lokstedt wieder Bäckerlehrlinge ausgebildet werden, um etwa die besonderen Fähigkeiten für das Bedienen der Holzöfen an die nächste Generation weiterzugeben.

Der Großteil der Brote wird nach wie vor industriell gebacken

Freilich hat die Rückkehr zur traditionellen Backweise in einem Großbetrieb, der ganz Hamburg beliefert, auch seine Grenzen. So werden die meisten Brote von Nur Hier nach wie vor aus einem schlauchförmigen, 35 Meter langen Ofen stammen, der mehr an die Fertigungsstraße in der Automobilindustrie als an Bäckerromantik erinnert. Und auch auf die Kältetechnik verzichtet das Unternehmen trotz regionaler Produktion nicht vollständig. So werden etwa Brötchen, die am Abend in die Läden kommen, in Lokstedt tiefgefroren und in den Geschäften dann lediglich frisch aufgebacken.

Einen Austausch des Sortiments mit der Bäckereikette von Allwörden, die der gleichen Eigentümerfamilie gehört, schließt der Nur-Hier-Chef aber aus. "Wir arbeiten unabhängig vom Lübecker Unternehmen und betrachten die Hamburger Filialen von Allwörden als Konkurrenten." Allenfalls bei der Anschaffung von EDV-Systemen werde man kooperieren. Dass sich die Läden gegenseitig Kundschaft wegnehmen könnten, erwartet der Nur-Hier-Chef nicht. "In den meisten Fällen liegen wir ein gutes Stück auseinander."