Die Wirtschaftsmächte der Welt verfolgen gegenläufige Ziele in der Geld- und Währungspolitik. Immer schärfere Kritik an den USA - auch von Deutschland.

Hamburg. Die Kritik an der Geldpolitik der Amerikaner wird immer schärfer. Ungewöhnlich deutlich wurde Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Bei allem Respekt, mein Eindruck ist, die Vereinigten Staaten von Amerika sind ratlos", sagte Schäuble am Freitag nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters. Er könne die Entscheidung der US-Notenbank Fed für eine neue Geldspritze nicht nachvollziehen: "Es ist doch nicht ein Mangel an Liquidität, der die amerikanischen Probleme beschreibt", so Schäuble. Er bezog sich auf die Entscheidung des Präsidiums der Fed, zur Stützung der Binnenkonjunktur Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar aufzukaufen, was dem Anwerfen der Notenpresse gleichkommt.

Dieser Schritt macht deutlich, dass sich die drei Schwergewichte der Weltwirtschaft im Hinblick auf die Geld- und Währungspolitik auf Kollisionskurs begeben - mit unabsehbaren Folgen. So halten die Chinesen ihre Währung, den Yuan, künstlich niedrig, um den heimischen Unternehmen noch bessere Chancen auf den Auslandsmärkten zu verschaffen - obwohl China ohnehin schon Exportweltmeister ist. Dieser Kurs ärgert nicht nur die Amerikaner. Europa wiederum bemüht sich, die immensen Geldmengen, die während der Finanzkrise auf den Markt geworfen wurden, wieder einzugrenzen. Die US-Notenbank allerdings tut nun genau das Gegenteil, was Unmut in anderen Teilen der Welt erregt.

Experten sehen auch konkrete weltwirtschaftliche Risiken durch den Aufkauf von US-Staatsanleihen. "Die langfristige Gefahr dabei: Inflation", bringt es Dennis Nacken, Kapitalmarktanalyst bei Allianz Global Investors, auf den Punkt. Dies sei ein Phänomen, das viele Schwellenländer dank ihrer Wachstumskraft bereits zu spüren bekämen. Überschüssige Liquidität könne zudem die Rohstoffpreise aufblähen.

Ohne die USA direkt anzusprechen, zeigte sich auch Angel Gurría, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), besorgt über die noch immer lockere Geldpolitik mancher Industriestaaten. Dies löse Kapitalströme in wachstumsstärkere Schwellenländer aus, weil Anleger wegen besserer Renditeaussichten in die dortigen Immobilien- und Aktienmärkte investierten und dort die Preise hochtrieben.

Zweifel an der Wirksamkeit der Anleihekäufe durch die Fed

Mit dem Anwerfen der Notenpresse will Fed-Chef Ben Bernanke dafür sorgen, dass Kredite günstiger werden, die US-Verbraucher mehr konsumieren und damit die nach der Wirtschaftskrise immer noch steigende Arbeitslosigkeit in Amerika zurückgeht. Doch es ist keineswegs sicher, ob dies funktioniert. "Man hat wenig Erfahrung damit, wie ein Ankauf von Staatsanleihen auf die Konjunktur wirkt", sagte Holger Schmieding, der neue Chefvolkswirt des Hamburger Bankhauses Berenberg, dem Abendblatt. "Es bleibt völlig unklar, ob diese Aktion überhaupt Wesentliches bewegen wird."

Schließlich sei die für amerikanische Verhältnisse alarmierend hohe Arbeitslosenquote die Folge eines grundlegenden Problems: "Die Amerikaner hatten eine große Party, jetzt haben sie den Kater. Man hat sich dort einfach zu stark verschuldet - erst die Bürger, nach der Lehman-Pleite der Staat", erklärte Schmieding, der vor dem Wechsel zu Berenberg Europa-Chefvolkswirt der Bank of America war. "Jetzt durchlaufen die USA, so wie Deutschland in den Jahren nach 2003, eine Fitnesskur. Bürger und Staat müssen Diät halten." Dies werde dafür sorgen, dass die US-Konjunktur für einige Jahre "verhalten" bleibe.

US-Notenbank hat große Angst vor einer Deflation

Ein weiteres Motiv der Anleihekäufe durch die Fed besteht darin, das Risiko einer Deflation abzuwenden: Wenn die Verbraucher erwarten, dass die Preise immer weiter sinken, schieben sie den Kauf langlebiger Güter immer weiter hinaus - und würgen so die Wirtschaft ab. Doch Schmieding hält die Ängste der Amerikaner vor einer Deflation für "weit übertrieben", ebenso wie die Ängste der Deutschen vor Inflation.

Allerdings gebe es eine historische Erklärung für diese Emotionen: "Den US-Bürgern steckt die Erfahrung der Deflation in den 1930er-Jahren in den Knochen. Auf der anderen Seite hat Deutschland gleich zweimal - in den Jahren 1923 und 1948 - erlebt, wie eine massive Ausweitung der Staatsschulden schließlich zur fast vollständigen Vernichtung sämtlicher Ersparnisse der Bevölkerung führte."

Massive Preissteigerungen in den nächsten Jahren seien für Europa aber nicht zu erwarten: "Eine anhaltend hohe Inflation entsteht nur, wenn die Verbraucher zu viel Geld haben und es auch ausgeben. Das ist nicht abzusehen."

Auch die US-Regierung muss nun auf die Schuldenbremse treten

Wenn die Inflationsrate in Deutschland in den nächsten Jahren leicht von bisher 1,5 Prozent auf zwei Prozent steigen werde, liege das nicht an einer zu lockeren Geldpolitik oder der hohen Staatsverschuldung, der Grund sei ein anderer, sagte Schmieding: "Importe aus Ländern wie China oder Indien werden künftig nicht mehr ganz so billig sein."

Ohnehin sei die Zeit des ungezügelten Schuldenmachens vorbei, selbst in Amerika: "Die Konsolidierung des US-Staatshaushalts hat schon begonnen. Nach den Kongresswahlen wird die Regierung von Barack Obama vermutlich keine größeren Ausgabenprogramme mehr beschließen."