Die Wirtschaftsmacht USA ist zu wenig konkurrenzfähig und zu abhängig vom Konsum. Deswegen erholt sie sich auch nicht von der Krise.
Hamburg. Die erhoffte Trendwende blieb aus, der amerikanische Arbeitsmarkt hat sich nicht erholt. Am Freitag stellte das US-Arbeitsministerium in Washington die Zahlen für September vor, eine ernüchternde Bilanz: Die Zahl der Beschäftigten war zum Ende des Sommers zwar um 95 000 gesunken, die Arbeitslosenquote blieb aber bei 9,6 Prozent. Das ist für amerikanische Verhältnisse ein schmerzhaft hoher Wert - denn hinzu kommt noch eine deutlich höhere versteckte Arbeitslosigkeit als etwa in Deutschland.
Schon im vergangenen Jahr hatten die USA das Ende der Rezession ausgerufen. Die US-Wirtschaft wächst seit dem dritten Quartal 2009 wieder - aber nicht stark genug. "Im Dienstleistungssektor sind zwar Stellen geschaffen worden, aber das genügt nicht, um den Arbeitsmarkt wieder auf gesunde Füße zu stellen", sagte der Volkswirt Thomas Amend von der Bank HSBC-Trinkaus.
Die Folgen der Weltwirtschaftskrise offenbaren die grundlegenden Mängel in der Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten, der größten der Welt. Über Jahrzehnte und nach allen Wirtschaftskrisen funktionierte das Modell vereinfacht gesehen immer wieder so: Die Amerikaner nutzten vergleichsweise billiges Geld und konsumierten. Der Rest der Welt, vor allem China und Europa, fertigte in zunehmendem Maße die Produkte für den US-Markt, vom teuren Investitionsgut (Europa) bis zum billigen Konsumprodukt (Asien).
Doch dieses Modell funktioniert nach der Krise nicht wie gewohnt: "Die historisch so wichtige wie starke Lokomotivfunktion der amerikanischen Verbraucher für die Weltwirtschaft ist gewiss für die nächsten Jahre stark geschwächt", sagt Professor Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), der von Februar bis August mit einem Stipendium an der Transatlantic Academy in Washington DC gearbeitet hatte.
Am amerikanischen Immobilienmarkt hatte die Weltwirtschaftskrise Ende 2007 begonnen. Die Erwartung, dass sich der Wert der Häuser in den Vereinigten Staaten immer weiter erhöht, dass damit auch die Sicherheiten für Privatkredite wachsen würden, hatte sich nicht erfüllt. Die Immobilienblase platzte, das Weltfinanzsystem wurde von dem Schock erschüttert.
Der Häusermarkt in den USA hat sich bislang nicht entspannt - das zeigt weitreichende Folgen. "Die Mobilität der Arbeitnehmer in den USA zwischen den verschiedenen Metropolen und Bundesstaaten ist ein zentrales Merkmal des amerikanischen Arbeitsmarktes", sagt Dierk Müller, Geschäftsführer der deutsch-amerikanischen Handelskammer AmCham in Frankfurt. "Aber diese Mobilität ist stark eingeschränkt, weil die Menschen ihre Häuser nicht verkaufen und woanders hinziehen können. Sie bekommen keinen akzeptablen Preis für ihre Immobilien."
Die Industrie des Landes gilt als "nicht so wettbewerbsfähig"
Wenn Kunden ihre Hauskredite nicht mehr bedienen können, greifen die Banken per Zwangsvollstreckung durch - oft juristisch fragwürdig. Amerikanische Politiker fordern vor den bevorstehenden Kongresswahlen einen Stopp von Zwangsvollstreckungen am Häusermarkt: "Die amerikanischen Familien dürfen sich nicht darüber Sorgen machen müssen, wegen bürokratischer Schlamperei und Betrügereien ihre Häuser zu verlieren", sagte der Demokrat Christopher Dodd, der den Bankenausschuss des Senats leitet.
Die US-Wirtschaft hängt zu 70 Prozent vom Konsum der Privathaushalte ab. Die aber sparen mehr als vor der Krise. Die höhere Sparquote könnte der Volkswirtschaft mehr Stabilität bringen - doch müsste die produzierende Wirtschaft ihren Anteil am Bruttoinlandsprodukt steigern. Da aber liegt ein weiterer Teil des amerikanischen Problems: "Die industrielle Struktur der USA ist nicht so wettbewerbsfähig", sagt AmCham-Manager Müller.
Über Jahrzehnte hat die amerikanische Wirtschaft Terrain im Konkurrenzkampf mit Europa und Asien verloren. Konsum allein aber ist darauf keine ausreichende Antwort: "Wir können davon ausgehen, dass die USA in den nächsten vier bis sechs Jahren als Lokomotive für die Weltwirtschaft ausfallen werden", sagt HWWI-Chef Straubhaar.
Billiges Geld in den USA wird zur Belastung für das Ausland
Die US-Notenbank Federal Reserve will erneut mit billigem Geld die Konjunktur in den Vereinigten Staaten ankurbeln, nachdem bereits Hunderte Milliarden Dollar von der Fed und von der US-Regierung in den Markt gepumpt worden waren. Die Niedrigzinspolitik der USA wiederum drängt Investoren in andere Währungen wie den Euro, verteuert deren Kurse und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der entsprechenden Länder. So zahlt der Rest der Welt heute für die Schwäche der US-Wirtschaft, nachdem diese den Welthandel jahrzehntelang beflügelt hat. "Die grundlegenden Probleme der US-Wirtschaft sind weiter ungelöst", sagt Straubhaar. "Das alte US-Erfolgsmodell, dass sich jeder Bürger vom Tellerwäscher zum Millionär hocharbeiten kann, funktioniert nicht mehr."