Verbraucherschützer und Politiker kritisieren überhöhte Zinsen von bis zu 17 Prozent

Hamburg. Die erstaunlich hohen Dispozinsen sind ein Ärgernis, das Millionen Menschen angeht. In Deutschland steht nach Angaben der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) etwa jeder sechste Bankkunde mit seinem Konto im Minus. Damit kommen enorme Beträge zusammen: Die Bundesbank gibt die Summe aller Überziehungskredite aktuell mit 41,6 Milliarden Euro an - der größte Teil davon entfällt auf die Dispokredite. Damit nehmen die Banken mit jedem Prozentpunkt, den sie mehr an Zinsen verlangen, im Jahr insgesamt 416 Millionen Euro mehr von ihren Kunden ein.

Wenn Verbraucher - wie bei der Targobank (früher Citibank) - bis zu knapp 17 Prozent für einen Dispokredit zahlen müssten, sei dies vor dem Hintergrund der aktuell sehr niedrigen Marktzinsen "erschreckend", sagte Stephanie Pallasch, Leiterin der Abteilung Finanzdienstleistungen bei Stiftung Warentest. Die Santander Consumer Bank verlangt ebenfalls knapp 17 Prozent, wenn der Kunde mit mehr als 1000 Euro verschuldet ist. Die Untersuchung der Konditionen von 992 Instituten ergab, dass Zinssätze von elf Prozent und mehr in der Branche nach wie vor üblich sind.

Direktbanken zeigen, dass es auch wesentlich günstiger geht

Allerdings geht es offensichtlich auch anders: Einige Direktbanken sind deutlich günstiger, etwa die Deutsche Skatbank - eine Tochter der Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land - mit 6,0 Prozent und die DAB Bank mit 6,95 Prozent. Doch auch einige Filialbanken wie die Stadtsparkasse Schwedt (9,0 Prozent) oder die Volksbank Euskirchen (9,34) gehören zu den Geldhäusern, deren Dispozins unter der Schwelle von zehn Prozent liegt.

Dabei wären die Voraussetzungen für wesentlich günstigere Konditionen offenbar gegeben: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Zuge der Finanzmarktkrise von 4,25 Prozent im Oktober 2008 auf ein historisches Tief von 1,0 Prozent im Mai 2009 gesenkt. Und auch die Zinsen, zu denen sich Banken untereinander Geld ausleihen, sind entsprechend gesunken, wie sich am sogenannten Euribor ablesen lässt.

Nach Ansicht von Verbraucherschützern funktioniert der Markt nicht

Die in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik an der Branche sei "absolut berechtigt", findet der Marktexperte Max Herbst, der seit Jahren die Konditionen der Banken verfolgt. "Wenn die Leitzinsen steigen, gehen die Dispozinsen mit hoch. Sinken aber die Leitzinsen, werden die Dispozinsen nicht im gleichen Maße ermäßigt. Die Banken stecken die Differenz ein", sagte der Inhaber der FMH-Finanzberatung in Frankfurt dem Abendblatt.

Möglich mache dies auch die Bequemlichkeit der Verbraucher: "Niemand wechselt wegen des Dispozinses die Bank. Jeder ist doch froh, dass er überhaupt sein Konto überziehen kann und nicht erst einen Vertrag über einen Ratenkredit unterschreiben muss."

Genau dies wäre aber sinnvoll. "Dispokredite eignen sich nur für kurzfristige Überbrückungen", sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg zu der Untersuchung von Stiftung Warentest. "Wer eine längerfristigere Finanzierung benötigt, sollte auf Verbraucherkredite zurückgreifen, die es auch zu sehr günstigen Konditionen gibt."

Der Spitzenverband der Deutschen Kreditwirtschaft, der Zentrale Kreditausschuss, nahm die Branche gegen Kritik in Schutz. Aufgrund der Flexibilität seien Dispozinsen grundsätzlich höher als die bei anderen Privatkrediten. Denn allein die Bereitstellung erfordere Eigenkapital, und zwar unabhängig davon, ob der Kredit in Anspruch genommen wird oder nicht. Außerdem schlage das erhöhte Ausfallrisiko des unbesicherten Kredits zu Buche.

Ministerin Aigner fordert Einschreiten der Finanzaufsicht

Damit sei aber noch nicht erklärt, warum sich der Abstand zwischen dem Dispozins und den Marktzinsen über die Jahre aufgeschaukelt habe, sagte Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, dem Abendblatt. "Die Daten deuten darauf hin, dass dieser Markt nicht funktioniert. Darum muss man über regulatorische Maßnahmen nachdenken." Dies könne ein Fall für das Bundeskartellamt sein.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ermahnte die Branche, Zinssenkungen auch an die Kunden weiterzugeben. "Banken dürfen sich nicht auf Kosten der Verbraucher sanieren", sagte Aigner dem "Handelsblatt". Die Ministerin kündigte an, eine Studie zum Zinsanpassungsverhalten der Banken in Auftrag zu geben. "Ich erwarte auch von der Finanzaufsicht, dass sie sich um die Beseitigung derartiger Missstände kümmert", sagte Aigner. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn forderte einen gesetzlichen Referenzzinssatz, der nur in bestimmten Grenzen überschritten werden dürfe.